Hamburg. Am Sonntag empfängt der Spitzenreiter den Tabellenzweiten. Das ist zwar nur eine Momentaufnahme – aber kein Zufall.
An diesem Freitagnachmittag ist es wieder so weit: Gegneranalyse. Khaled Narey kennt das. Die Offensive des kommenden HSV-Gegners wird per Videostudium seziert, dann die Defensive. „Wir machen das immer zwei Tage vor dem Spiel“, sagt der 26-Jährige.
Doch mit Ausnahme vom 1. FC Nürnberg hat sich Narey mit keinem anderen Zweitligisten so häufig beschäftigen müssen wie mit Aue. Siebenmal hat er gegen den FC Erzgebirge gespielt, drei Tore hat er dabei erzielt. Sein einziges Spiel von Anfang an in der vergangenen Rückrunde war: gegen Aue. Sein schönstes HSV-Tor erzielte er: gegen Aue.
Der FC Erzgebirge sei so eine Art Prototyp der Zweiten Liga, sagt Narey drei Tage vor dem Heimspiel (So., 13.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de). „Aue ist immer ein sehr unangenehmer Gegner. Seit Jahren spielen die eklig, da tut man sich als Gegner immer sehr schwer.“
Der HSV-Check vor dem Topspiel gegen Aue:
Khaled Narey sitzt am Donnerstag zwischen den Einheiten in der Mittagspause in den Katakomben des Volksparkstadions im Schiedsrichterraum. Für das Gespräch mit dem Abendblatt mussten sämtliche Corona-Regeln erfüllt werden. Abstand, Maske, Fragebogen.
Zwei Tage ist es her, dass Narey einen Corona-Test gemacht hat, drei Tage ist es her, dass er mal wieder von Anfang an spielen durfte. „Das Spiel gegen Paderborn hat richtig Spaß gebracht. Gerade wenn man so ein Spiel am Ende noch gewinnt“, sagt er nach dem 4:3-Sieg. „Jeder Fußballer will gerne 90 Minuten spielen, ist doch klar. Mir hat das gut getan – und ich habe mich auch sehr gefreut.“
Gespräch mit HSV-Führung? Narey weiß von nichts
Ob er auch am Sonntag im Spiel des Ersten (HSV) gegen den Zweiten (Aue) von Anfang an wieder dabei ist, weiß Narey noch nicht. Morgen ist morgen, sagt er. Er denke nur an das Heute. Und dass erst vor Kurzem in einer Zeitung gestanden hatte, dass er ein klärendes Gespräch mit den HSV-Chefs haben werde, amüsiere ihn. „Ich habe auch nur in der Zeitung gelesen, dass ich um ein Gespräch gebeten haben soll. Ich weiß von keinem Gespräch“, sagt Narey. „Natürlich will ich so viel wie möglich spielen – das will jeder. Aber ich habe überhaupt nicht das Gefühl, dass ich hinten dran bin.“ Und dann wird der Flügelflitzer noch einmal deutlich: „Ich brauche kein Gespräch zu suchen. Auch nicht mit anderen Vereinen im Hinblick auf das Transferende am Montag.“
Doch obwohl sich bis zum sogenannten Deadlineday auch beim HSV noch einiges tun kann, gilt der Fokus zunächst nicht dem Transfer-Montag. Sondern dem Spitzenspiel-Sonntag. Oder besser: dem Spitzenspielchen. Denn obwohl am Wochenende die beiden Führenden des Tableaus aufeinandertreffen, will man beim HSV nach den Siegen gegen die Absteiger Düsseldorf (2:1) und Paderborn (4:3) zu diesem Zeitpunkt der Saison noch nichts von der Tabelle wissen. „Die Tabelle interessiert nur am 34. Spieltag“, floskelte Sportdirektor Michael Mutzel – und hat trotz akuter Phrasenschweingefahr natürlich recht.
HSV plant mit 4500 Zuschauern im Volkspark
Einen „Partner in crime“ hat Mutzel mit Trainer Daniel Thioune gefunden. Der Coach ist zwar neu beim HSV, aber lange genug dabei, um zu wissen, dass zwei Siege in Folge genauso schnell vergessen sein können wie eine 1:4-Pokalschmach. Und spricht man den Fußballlehrer auf den kommenden Gegner an, hört man schnell den Respekt heraus. „Hinten haben sie drei Hightower mit einer Körpergröße von jeweils mehr als 1,90 Meter. Vorne ist Testroet deren Wandspieler“, sagt Thioune, der genau wie Narey als Spieler bis auf eine Ausnahme (KSC) gegen keinen aktuellen Zweitligaclub so oft antreten musste wie gegen Aue.
Anders als der HSV, der in den ersten beiden Spielen bereits vier Gegentore kassierte, hat Aue bislang lediglich einen Gegentreffer hinnehmen müssen. „Mit ihrer großgewachsenen Dreierkette stehen sie sehr kompakt. Da muss man erst einmal die Lücke finden“, sagt Narey, und orakelt: „Das wird ein ganz anderes Spiel als gegen Paderborn.“
Corona: HSV geht gegen Aue von Zuschauern aus
Das gilt für das Geschehen auf dem Rasen. Genauso wie für das Geschehen auf den Tribünen. Nach dem Geisterspiel in Paderborn gibt es quasi täglich neue Nachrichten darüber, ob auch die Partie gegen Aue ohne Zuschauer ausgetragen werden muss. Oder ob doch – wie geplant – 4500 Fans im Volkspark zugelassen werden.
Zuletzt hatte sich der Sieben-Tages-Inzidenz-Wert derart verschlechtert, dass es nur noch eine Frage der Zeit schien, ehe die für Bundesligaspiele entscheidende Marke von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner überschritten werde. Da die Stadt Hamburg nun allerdings seit Mittwoch ihre eigenen Statistiken neu errechnen ließ und die bereits veröffentlichten Werte nach unten korrigierte, geht man beim HSV mittlerweile wieder fest von einem Spitzenspielchen mit Zuschauern aus.
Ambrosius sorgt beim HSV-Training für Schrecksekunde:
Stephan Ambrosius sorgt beim HSV-Training für Schrecksekunde
Einen Zuschauerplatz will Khaled Narey um jeden Preis verhindern. Der Wahl-Altonaer hofft darauf, dass Trainer Thioune gegen Aue ein weiteres Mal auf eine Dreier- beziehungsweise Fünferkette setzt. In der Vorbereitung konnte sich Narey, der unter Thioune-Vorgänger Dieter Hecking kaum zum Zuge kam, als flexibler Außenbahnspieler durchaus in Szene setzen. „Die Position in der Fünferkette hat Vor- und Nachteile. Man ist natürlich ziemlich allein auf der Seite, kann aber auch vorne ordentlich Wirbel machen“, sagt Narey, der in Paderborn die meisten Kilometer lief (10,8) und nach Torjäger Simon Terodde die meisten Torschüsse (drei) abgegeben hatte.
Nach dem Spektakel sei er so kaputt gewesen, dass er nicht einmal schlafen konnte. „Ich kann nach Spielen selten gut schlafen“, sagt der gebürtige Pfälzer, der sich die Zeit der Rückreise im Bus mit Duellen auf der Playstation gegen Stephan Ambrosius vertrieben hat. Ob er dabei ähnlich erfolgreich wie in den 90 analogen Minuten zuvor auf dem Feld war? „Selbstverständlich“, sagt Narey.
Auch Trainer Thioune konnte und wollte nach der 4:3-Sause nicht direkt schlafen. Der Coach sah sich noch im Mannschaftsbus das 1:1 von Aue gegen Fürth an. Nach einem erneuten Videostudium am Mittwoch, folgte am Donnerstag um 8 Uhr morgens das „Fein-Thiouning“ mit den Analysten. „Wir haben nach Lösungsmöglichkeiten für Aue gesucht“, sagt der Trainer, der vor dem Spitzenspielchen nur eines verraten will: „Wir haben welche gefunden.“