Hamburg. Tim Leibold führt den HSV heute beim Pokalspiel in Dresden erstmals an. Nummer eins ist Daniel Heuer Fernandes – vorläufig.

Das Abschlusstraining vor dem ersten Pflichtspiel der Saison an diesem Montag in Dresden (18.30 Uhr/Sky) war am Sonntagvormittag gerade vorbei, als Daniel Thioune seiner Mannschaft noch etwas mit auf den Weg geben wollte. Der HSV-Trainer versammelte alle Spieler und Betreuer um sich – und verkündete etwas aus der Entfernung in unverständlichen Worten.

Als dann aber Tim Leibold unter dem Applaus seiner Kollegen in die Mitte des Kreises trat, konnten die meisten Be­obachter schon erahnen, was Trainer Thioune eine Stunde später auch offiziell bestätigte: „Tim Leibold wird unser neuer Mannschaftskapitän sein. Er wird die Mannschaft aufs Feld führen. Sein Wort in der Kabine hat Gewicht“, sagte Thi­oune. „Tim wird ein guter Kapitän sein.“

Ob der 26-Jährige tatsächlich ein guter Kapitän sein wird, muss Leibold in der nun beginnenden Saison erst noch zeigen. Dass er nicht nur ein guter Spieler, sondern beim HSV der Beste ist und war, hat er in der abgelaufenen Spielzeit zur Genüge unter Beweis gestellt. Mit 16 Torvorlagen in 34 Partien war der Linksverteidiger gleichzeitig der konstanteste und erfolgreichste HSV-Profi. „Das war eine richtig gute Saison von ihm“, lobte Thioune. „Tim ist jemand, der ein bisschen nach vorne geschoben werden muss, um andere mitzuziehen.“

Neuer HSV-Kapitän Leibold – Hunt verzichtete

Eine Einschätzung, die Thioune offenbar mit seiner Mannschaft teilt. So ließ der Coach zunächst den Mannschaftsrat mit Leibold, den Neuzugängen Toni Leistner und Klaus Gjasula, sowie Torhüter Tom Mickel und David Kinsombi demokratisch wählen, ehe er autokratisch aus diesem Kreis den Spielführer und dessen Stellvertreter (Leistner und Gjasula) ernannte. Keine Wahl ließ ihm und der Mannschaft Leibold-Vorgänger Aaron Hunt. „Aaron stellte sich nicht zur Verfügung. Er braucht aber auch keine Kapitänsbinde, um Verantwortung zu übernehmen.“

Am Tag vor dem Spiel seiner beiden ehemaligen Clubs hat Sven Kmetsch Thiounes Entscheidung aus der Entfernung ganz genau verfolgt. Im Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“, der nur wenige Minuten nach Thiounes Pressekonferenz aufgezeichnet wurde, zeigte sich der einstige HSV-Kapitän wenig überrascht von der Entscheidung. „Tim Leibold hat eine richtig gute Saison gespielt. Für mich ist das eine logische Entscheidung, auch, um mal einen anderen Impuls in einer Mannschaft zu setzen.“

Natürlich habe sich der Fußball in den vergangenen 25 Jahren weiterentwickelt. „Aber der Kapitän ist heute wie gestern der verlängerte Arm des Trainers auf dem Spielfeld. Er muss vorangehen – und Tim Leibold wird vorangehen.“

Das sieht auch Thioune so. Während der Vorbereitung hatte der neue Trainer ein Kapitänscasting veranstaltet und die Binde in jedem Testspiel neu vergeben. Leibold war kurioserweise im ersten Test gegen Hansa Rostock (1:0) direkt der erste Spielführer, ehe sich auch Mitfavoriten wie Gja­sula und Kinsombi, Amtsinhaber Hunt so wie chancenlose Außenseiter wie Bobby Wood ausprobieren durften. Die endgültige Entscheidung ist nun gefallen – im Gegensatz zur Frage der Nummer eins.

Bislang hatte sich der Coach lediglich entschieden, wer auf keinen Fall die Nummer eins werden wird – nämlich Julian Pollersbeck. In Dresden, so weit legte sich Thioune kurz vor der Busabfahrt am späten Mittag immerhin fest, wird nun Daniel Heuer Fernandes zwischen den Pfosten stehen. „Er wird in Dresden die Nummer eins sein. Aber bis zum Zweitligaauftakt gegen Düsseldorf schaue ich noch nicht“, antwortete Thi­oune auf die Nachfrage, ob Fernandes durch die Pokalnominierung auch in der Liga gesetzt sei. Ob aber Urgestein Tom Mickel, der erneut von seinen Mitspielern in den Mannschaftsrat gewählt wurde, oder möglicherweise noch ein weiterer Neuzugang Fernandes Konkurrenz machen könnte, blieb vorerst offen.

Wie HSV-Trainer Thioune das Pokalspiel in Dresden angeht
Wie HSV-Trainer Thioune das Pokalspiel in Dresden angeht

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    Klar ist dagegen, dass beim Pokalauftakt in Dresden nicht nur der Torhüter und die anderen Protagonisten auf dem Rasen im Fokus stehen werden. Sondern vor allem die Fans. So werden in Dresden wohl mehr als 10.000 Zuschauer – und damit mehr als in jedem anderen Spiel seit Beginn der Corona-Pandemie – das Spiel live im Rudolf-Harbig-Stadion erleben.

    In Dresden erwarten den HSV bis zu 15.000 Fans

    Im Maximalfall hat Dynamo sogar vom Land Sachsen die Genehmigung von bis zu 15.000 Fans in dem 32.123-Zuschauer-Stadion erhalten. Weil Dynamos Hygienekonzept im Gegensatz zu den meisten anderen Stadien darauf beruht, dass alle Fans auch während der Partie eine Maske tragen, konnte der Abstand zwischen Personen und sogenannter Infektionsgemeinschaften (Freunde und Familie bis zu zehn Personen) von 1,5 Meter auf einen Meter verkleinert werden. „Alle werden nun nach Dresden schauen“, sagt HSV-Trainer Thi­oune, der hofft, dass alle Zuschauer „damit sehr verantwortungsvoll umgehen“.

    Besonders im Hinblick auf die neuesten Entwicklungen zu Teilzulassungen für Fans hofft Thioune auf eine nachhaltige Wirkung. „Fußball macht verdammt viel Spaß mit Zuschauern. Wenn viele da sind, ist das Risiko natürlich größer. Aber auch die Chancen. Dresden könnte auch ein Signal für andere Stadien sein, die Tore etwas weiter öffnen zu können.“

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    Inwiefern zumindest sein Team die Tore in Dresden verriegeln kann, wird man erst an diesem Abend überprüfen können. Weil Innenverteidiger Stephan Ambrosius (Einblutung am Sprunggelenk) auszufallen droht, stiegen am Sonntag vorsichtshalber 21 Profis in den Bus. Auf der Rückreise am Dienstag soll dann nur leichtes Gepäck dazukommen: das Ticket für die zweite Pokalrunde.

    Mögliche HSV-Aufstellung: Fernandes – Vagnoman, Jung, Leistner, Leibold – Gjasula – Kinsombi, Dudziak – Hunt – Wintzheimer, Hinterseer.