Hamburg. Ermittler erhalten Zugriff auf Handydaten – die Ergebnisse. Jatta-Anwalt erhebt schwere Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft.

Am Donnerstagvormittag war es vollbracht. Mit einem 23-seitigen Schriftsatz ging Thomas Bliwier, Anwalt von Bakery Jatta, zu seinem Faxgerät und wählte die Nummer der Staatsanwaltschaft Hamburg, um die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen den HSV-Profi zu beantragen.

„Es liegt kein hinreichender Tatverdacht vor“, schreibt Bliwier zur Begründung des Antrags, der dem Abendblatt vorliegt. Ein solcher Tatverdacht wäre allerdings für eine Anklage erforderlich.

Warum gegen HSV-Profi Jatta ermittelt wird

Zur Erinnerung: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Jatta (22) wegen angeblicher Identitätsfälschung. Konkret lautet der Vorwurf, der Gambier hieße in Wirklichkeit Bakary Daffeh und wäre angeblich zwei Jahre älter.

Bliwier ist nun aber davon überzeugt, dass das Verfahren, das unter dem Aktenzeichen „Az.: 7101 Js 2/20“ läuft, eingestellt wird. „Ich sehe keine weiteren Ermittlungsmöglichkeiten für die Staatsanwaltschaft“, sagt der Hamburger Fachanwalt für Strafrecht dem Abendblatt.

Der Fall war zuletzt nach einem anonymen Brief der „Gemeinschaft besorgter Bürger“ neu aufgerollt worden. Gleichzeitig zeigten die „Besorgten Bürger“ auch den HSV, den damaligen Trainer Dieter Hecking sowie den DFB an – wegen angeblicher Vertuschung einer Straftat.

Jattas Konto überprüft: War das rechtens?

Daraufhin überprüfte die Hamburger Staatsanwaltschaft Jattas Kontobewegung anhand der Unterlagen der Finanzaufsichtsbehörde Bafin, was Bliwier schwer kritisiert: „Dieser Vorgang ist rechtsstaatlich bedenklich, weil ohne das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte Vorermittlungen eingeleitet worden sind.“

Es wurden Transaktionen geringer Geldbeträge zwischen 50 und 100 Euro an vier gambische Fußballspieler festgestellt, die vor ein paar Jahren mal gemeinsam in einer Mannschaft mit Bakary Daffeh gespielt haben sollen.

Ermittler erhalten Zugang zu Jattas Handy

Darüber hinaus durchsuchten Ermittler der Polizei Anfang Juli Jattas Wohnung auf der Uhlenhorst und stellten mehrere elektronische Datenträger sicher – darunter zwei Handys und ein Laptop.

Nachdem die Ermittler des LKA zunächst wochenlang nicht an die Daten von Jattas Handy gelangt waren, verschafften sich die Fahnder vor Kurzem Zugang zu einem der beiden Smartphones – offenbar ergebnislos.

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Laut Bliwier kennt der Flügelstürmer persönlich nur einen der vier gambischen Fußballprofis, denen er Geld überwiesen hatte. Diesen habe Jatta 2015 in Bremen, also erst nach seiner Einreise nach Deutschland, beim „African Football Cup“, einem Turnier für afrikanische Immigranten, kennengelernt.

Textnachrichten auf Jattas Handy sollen belegen, wie ihm seine Bremer Bekanntschaft (Name ist dem Abendblatt bekannt) am 6. Juni 2020 zum Geburtstag gratulierte – dem Geburtstag von Bakery Jatta und nicht von Bakary Daffeh (6. November).

Für die Staatsanwaltschaft gab es fortan keine Ermittlungsgründe mehr, Jattas Handy und seinen Laptop weiterhin zu beschlagnahmen, und so erhielt der HSV-Profi seine Geräte Ende August wieder zurück. Lediglich sein Blackberry-Smartphone befindet sich noch in Besitz der Ermittler. Bliwier rechnet allerdings damit, auch dieses Telefon binnen der nächsten Tage von der Polizei abholen zu können.

Jatta-Anwalt kritisiert Staatsanwaltschaft Hamburg

Für den Anwalt seien während des gesamten Ermittlungsverfahrens ohnehin keine belastenden Beweise aufgetaucht. Auch ein Lichtbildvergleich mit einem alten Daffeh-Foto hätte keine neuen Erkenntnisse gebracht, weshalb Bliwier die Arbeit der Staatsanwaltschaft kritisiert.

„Es wurde ein unverhältnismäßiger Aufwand betrieben“, sagt er. In dem 23-seitigen Schriftsatz heißt es zudem: "Weitere Ermittlungen sind weder geboten noch verhältnismäßig. Die vorgelegten Urkunden beweisen die Identität des Beschuldigten zweifelsfrei."

Mit Unverständnis habe er zur Kenntnis genommen, dass die bereits abgeschlossene Identitätsprüfung des Bezirksamts Mitte überhaupt nicht berücksichtigt wurde. Demnach sei Jattas Identität anhand des gültigen Reisepasses und einer von gambischen Behörden beglaubigten Geburtsurkunde „zweifelsfrei bewiesen“

Welchen Einfluss hatte „Bild“?

Der Anwalt geht sogar noch einen Schritt weiter und kritisiert den Einfluss der „Bild“-Gruppe, die den Fall Jatta mit einer Verdachtsberichterstattung erst ins Rollen gebracht hatte.

„Die Staatsanwaltschaft hat mit ihrem unsäglichen Ermittlungsverfahren dem Druck der Presse nachgegeben“, sagt Bliwier. Die „Bild"-Zeitung habe „unbewiesene Behauptungen" aufgestellt. „Für Bakery Jatta ist es ein belastendes Verfahren. Das muss nun ein Ende haben.“

Ob der Antrag auf eine Einstellung des Verfahrens nun der Schlusspunkt unter eine unrühmliche Akte ist, bleibt allerdings offen. Sollte das Verfahren eingestellt werden, könnte es aufgrund neuer Erkenntnisse jederzeit wiederaufgenommen werden, heißt es von der Staatsanwaltschaft. Denn eine mögliche Einstellung entfalte keine Rechtskraft.