Hamburg. Wohnung des Spielers wurde am Donnerstag durchsucht. Vorwurf der Staatsanwaltschaft: ein Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz.
Die unangemeldeten Gäste tauchten am Donnerstagmorgen gegen 9.20 Uhr am Haus von Bakery Jatta auf. Zum einen Ermittler der Polizei, die in den folgenden anderthalb Stunden die Wohnung des HSV-Profis durchsuchten. Zum anderen Reporter und Fotografen der „Bild“-Zeitung, die nur kurze Zeit später per Livestream bei „Bild Live am Mittag“ ins Internet berichteten. „Kommt jetzt die Wahrheit ans Licht?“, fragte die Boulevardzeitung, die den Fall um Jatta und dessen angeblich gefälschte Identität vor zehn Monaten erst ins Rollen gebracht hatte.
Exakt 330 Tage nachdem die „Sport Bild“ die Frage aufgeworfen hatte, ob Bakery Jatta nicht in Wahrheit Bakary Daffeh heiße, geht der Fall um den HSV-Profi, der wochenlang ganz Fußball-Deutschland beschäftigt hatte (siehe Infotext), nun also in die nächste Runde.
Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Hamburg wird Jatta jetzt ein „Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz“ vorgeworfen. Die aktuelle Durchsuchung diene der weiteren Aufklärung mittels be-, aber auch entlastender Beweismittel, sagte Sprecherin Nana Frombach dem Abendblatt. Nun gehe es um die Frage, ob Jatta sich nach Paragraf 95 des Aufenthaltsgesetzes durch etwaige falsche Angaben einen Aufenthalt erschlichen haben könnte. Gleichwohl handele es sich laut Frombach lediglich um einen „konkretisierten Anfangsverdacht“.
Ermittlungen gegen Jatta im Januar neu aufgerollt
Etwas konkreter wurde allerdings Staatsanwältin Liddy Oechtering: „Tatsächlich gab es weitere Ermittlungen, die den Verdacht gestützt haben, dass er falsche Personalien benutzt hat. Im Wesentlichen haben die Ermittlungen gezeigt, dass er Kontakt zu Personen hat, die wir eher in Verbindung mit Herrn Daffeh gebracht haben. Und die sich nicht in Einklang bringen lassen, wenn es sich bei Herrn Jatta nicht um Herrn Daffeh handelt.“
Das Ermittlungsverfahren gegen Jatta wurde nach Abendblatt-Informationen bereits am 8. Januar dieses Jahres eröffnet – vier Tage vor dem Trainingslager des HSV in Portugal. Im Zuge der anschließenden Ermittlungen sollen Kontakte Jattas zu Fußballern aus dem Senegal, Gambia und Nigeria, die früher auch mit Daffeh in Verbindung gestanden haben sollen, den Behörden aufgefallen sein. Um diese Verbindungen zu verifizieren, wurden am Donnerstag im Rahmen der Durchsuchung mehrere elektronische Datenträger sichergestellt.
Jattas Anwälte zeigten sich überrascht von der Wohnungsdurchsuchung. „Wir sind außerordentlich erstaunt darüber, dass die Staatsanwaltschaft hier aktiv geworden ist“, sagte Doris Dierbach von der Hamburger Kanzlei Bliwier, Dierbach, Kienzle dem Abendblatt. „Aus unserer Sicht ist die Identität von Herrn Jatta hinreichend bewiesen.“
Neue Jatta-Nachrichten schlugen medial hohe Wellen
Dierbach verwies darauf, dass alle entsprechenden Dokumente beglaubigt gewesen und sämtliche Verfahren eingestellt worden seien. „Uns ist bislang nicht bekannt, dass es erneute Zweifel an der Echtheit der Dokumente geben könnte“, sagte die Rechtsanwältin. Akteneinsicht habe die Kanzlei unter Verweis auf das laufende Verfahren noch nicht nehmen können.
Doch auch ohne Akteneinsicht schlugen die neuen Jatta-Nachrichten medial hohe Wellen. „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt twitterte mit dem Verweis „Breaking“ den Jatta-Artikel, die „Mopo“ tickerte im Halbstundentakt: „Das sagt die Staatsanwaltschaft“ (13.35 Uhr), „So reagiert das Bezirksamt Hamburg-Mitte“ (13.51 Uhr), „Das sagt Jattas Anwalt“ (14.14 Uhr) und „So reagiert der HSV“ (14.48 Uhr).
Letztgenannter blieb vor allem eines: ziemlich entspannt. „Wir vertrauen weiter auf die behördlichen Entscheidungen, die die Identität unseres Spielers Bakery Jatta bestätigt haben“, stand in dem Kommuniqué, das nach Rücksprache innerhalb des Vorstands am Donnerstagmittag verschickt wurde. Und weiter: „Wir werden unserem Spieler auch weiter zur Seite stehen.“ Während der HSV keine sportjuristischen Konsequenzen befürchten muss, droht Jatta eine Anklage und im schlimmsten Fall der Verlust des Aufenthaltstitels.
Die Chronologie:
- 7.8.: Die „Sport Bild“ fragt auf ihrem Titel: „Spielt HSV-Star Jatta mit falscher Identität?“ Der 1. FC Nürnberg legt noch am gleichen Tag Einspruch gegen das 0:4 ein.
- 8.8.: „Bild“ titelt: „Jatta drohen 5 Jahre Haft und die Abschiebung“.
- 13.8.: Das Bezirksamt Hamburg-Mitte bittet Jatta bis zum 23.8. um Stellungnahme.
- 15.8.: Jatta fliegt mit den HSV-Chefs nach Frankfurt, wo er beim DFB vorsprechen muss.
- 19.8.: Nach Nürnberg legt auch der VfL Bochum Protest ein.
- 25.8.: In Karlsruhe wird Jatta von den KSC-Fans ausgepfiffen und beleidigt. Auch der KSC legt einen Tag später Einspruch ein.
- 2.9.: Ermittlungen gegen Jatta werden vom Bezirksamt Hamburg-Mitte eingestellt.
- 20.9.: „Bild“ berichtet, dass sich Jatta mit einer Daffeh-E-Mail-Adresse 2015 bei den Behörden angemeldet habe.
- 17.10.: Die Bremer Staatsanwaltschaft schließt die Akte Jatta.
Dass Jatta die Unterstützung unabhängig von einer Verurteilung dringend nötig hat, zeigte sich, als der Fußballer und seine Freundin am Donnerstagmittag seine Wohnung nahe der Außenalster verlassen wollten. Es hagelte ein Blitzlichtgewitter, das nur ein Vorgeschmack darauf sein dürfte, was ihn in den kommenden Wochen erwartet. Jatta reagierte und „flüchtete“ vorerst in die alte Heimat nach Bremen, wo er sich mit seinem Berater Efe Aktas besprechen wollte.
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Im vergangenen Jahr hatte sich Jatta öffentlich zunächst nur in den sozialen Medien zu all den Beschuldigungen geäußert: „Viele Menschen haben mich gefragt, ob ich etwas sage, um den Berichten, den Menschen und der Hexenjagd entgegenzuwirken. Meine einfache Antwort, warum ich die Attacken nicht kontere: Ich bin nicht wie diese Menschen!“, schrieb der Fußballer bei Instagram, um im Februar dieses Jahres im Clubmagazin „HSVlive“ zu konkretisieren: „Ich wurde öffentlich an den Pranger gestellt. Aber wofür? Was hatte ich verbrochen? Ich habe mich gefühlt, als wollte man mich wegsperren, mich ins Gefängnis stecken. Doch ich wusste die ganze Zeit, dass nicht alle Menschen in Deutschland so denken, sondern dass es lediglich eine Zeitung war.“
Seit diesem Donnerstag zählt nun nicht mehr, was diese eine Zeitung denkt. Sondern die Staatsanwaltschaft.