Hamburg. Bis zur EM 2024 muss der HSV sein Volksparkstadion teuer sanieren. Geld ist keines vorhanden. Einigung mit der Stadt steht aus.
Das interne HSV-Thesenpapier wirkt auf dem ersten Blick nicht wirklich spektakulär. „Ein Standort-Vorteil für alle“, steht weiß auf blau in der Überschrift, die über einem Ausschnitt einer Karte des Hamburger Westen zu lesen ist, auf der die genaue Position des Volksparkstadions eingezeichnet ist.
Darunter werden Ziele, Effekte und Maßnahmen gewisser Sanierungsarbeiten aufgelistet, deren Umfang und Bedeutung sich erst im Kleingedruckten in der letzten Zeile erschließen. „Geschätzte Grobkosten etwa 20–30 Mio. EUR“, steht in dem Papier, das dem Abendblatt vorliegt.
Sanierung des Volksparkstadions die größte finanzielle HSV-Hürde
Es ist gut zwei Wochen her, dass HSV-Finanzvorstand Frank Wettstein bereits ein erstes Mal im großen Abendblatt-Interview auf die kostspielige Problematik hingewiesen hat.
Auf die Frage nach den coronabedingten Themen wie Kurzarbeit und Gehaltsverzicht antwortete Wettstein: „Wir haben ein finanzielles Thema vor uns, das viel entscheidender ist: der Stadionumbau im Hinblick auf die Europameisterschaft 2024. Wir müssen uns deutlich mehr Gedanken machen, wie wir unseren aufgestellten Investitionsplan für die nächsten Jahre noch umsetzen können.“
WM 2006: HSV und Stadt teilten die Kosten
Was zu diesem Zeitpunkt noch kaum einer wusste, ist der enorme Finanzumfang von bis zu 30 Millionen Euro. Zum Vergleich: Vor der WM 2006 musste das Volksparkstadion, das damals noch AOL-Arena hieß, für knapp sechs Millionen Euro umgebaut werden. Die Kosten, die in erster Linie durch ein neues elektronisches Einlasskontrollsystem entstanden sind, teilten sich der HSV und die Stadt Hamburg.
Ein Prozedere, über das sich die HSV-Chefs auch diesmal sehr freuen würden – das die Stadt aber kategorisch ausgeschlossen hat.
„Denkbar ist das für wenige, ausgewählte investive Maßnahmen, die für die EM-Spiele von der Uefa verbindlich gefordert werden und die durch die umfangreiche Stadionvereinbarung mit dem DFB nicht abgedeckt werden“, schränkt Christoph Holstein ein, der Staatsrat der Behörde für Inneres und Sport. „Wir nehmen das ernst. Es geht schließlich um das Geld der Steuerzahler. Aber wir haben keinen akuten Zeitdruck.“
Volksparkstadion: Warum der HSV Druck hat
Doch spätestens an dieser Stelle wird es kompliziert. Denn tatsächlich haben die Verantwortlichen des HSV gleich aus zwei Gründen Zeitdruck. Zum einen können sie keine Gespräche mit Banken und Kreditgebern führen, so lange sie nicht wissen, ob und welche Kosten genau die Stadt übernimmt.
Und zum zweiten böte sich diese Saison für die umfangreichen Arbeiten an, da der Corona-Spielbetrieb ohne Zuschauer ohnehin nicht beeinträchtigt werden könnte. „Wir reden ja schon seit mehr als zwei Jahren über die Europameisterschaft mit der Stadt Hamburg“, sagt Wettstein. „Klar ist nur, dass dann auch irgendwann die Dinge final entschieden werden müssen.“
Der Kommentar zum Artikel:
Hat der HSV die Sanierung verschlafen?
Genau hier liegt ein grundsätzliches Problem. Denn die enormen Kosten, die nun zur Unzeit auf den HSV zukommen, haben ihren Ursprung vor allem in der fehlenden Entscheidungsfreude der HSV-Verantwortlichen der vergangen Jahre.
Denn in dem umfangreichen Maßnahmenkatalog sind in erster Linie Anforderungen aufgelistet, von denen ein Großteil nach Abendblatt-Informationen bereits vor Jahren hätte abgearbeitet werden müssen. Da sich der HSV aber über Jahre im Kampf gegen den Abstieg befand und immer wieder Millionengelder in die Mannschaft investierte, wurden erforderliche Sanierungsarbeiten rund um das Stadion immer wieder aufgeschoben.
Doch aufgeschoben ist bekanntlich nicht aufgehoben. Im Hinblick auf die Euro 2024, die in vier Jahren auch in Hamburg und im Volksparkstadion stattfinden soll, sind nun neun Maßnahmen nicht mehr zu verschieben, die in dem internen HSV-Papier gelistet sind: der Austausch der Dachmembranen, ein neues LED-Flutlicht, die Stadionbeschallungsanlage, die Erweiterung des Zutrittskontrollsystems, die Erweiterung und Instandhaltung der IT-Infrastruktur und die Digitalisierung, die Modernisierung des Küchen- und Kühlsystems, die Instandhaltung und Modernisierung der Lüftungs- und Heizungstechnik sowie die Erweiterung der Zuschauerkapazität inklusive sicherheitstechnischer Optimierung.
Staatsrat Holstein hofft auf Uefa-Anpassungen
Bei all diesen Anforderungen ist nur kaum eine Maßnahme dabei, die ausschließlich für die Euro 2024 not-wendig ist. Doch genau das ist die Bedingung der Stadt für Zuschüsse.
Eine Haltung, die man beim HSV einerseits akzeptiert, andererseits weisen die Verantwortlichen darauf hin, dass das Stadion auch im Hinblick zukünftiger Großereignisse wie einem Europa-League-Finale oder einem Champions-League-Endspiel umgebaut werde. Und dass die Stadt von all diesen Events profitieren würde.
Sport-Staatsrat Holstein bringt nun eine alternative Lösung ins Spiel. Er hoffe darauf, dass der umfangreiche und kostspielige Anforderungskatalog der Uefa wegen der Coronakrise angepasst werden könnte: „Das wäre gut und im Sinne aller Beteiligten. Entsprechendes wurde von Seite der Uefa in anderen Zusammenhängen auch schon deutlich signalisiert.“
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Ob sich die Uefa allerdings tatsächlich bei ihrem Vorzeigeprojekt gesprächsbereit zeigt, darf zumindest bezweifelt werden. Bei der Fifa gab es vor der WM 2006 jedenfalls keinen Spielraum für Kompromisse. Auf 141 Seiten wurde vor 14 Jahren penibel aufgelistet, welche Pflichten die Stadt Hamburg und der HSV als Veranstalter zu erledigen hatten. Von Werbefreiheit im Umfeld der WM-Stadien in Ziffer 8.1 über Ersatzstromversorgung in Ziffer 1.15 bis hin zu Sicherheitskonzepten und Ausfallszenarien (3.3.6).
Volksparkstadion: HSV will schnelle Entscheidung
Beim HSV hofft man nun auf eine baldige Entscheidung der Stadt, um nicht ein zeitaufwendiges Zuwendungsverfahren anstreben zu müssen. Denn sollte der Club sämtliche Leistungen, die ihrer Meinung nach co-finanziert werden sollen, europaweit ausschreiben müssen, wäre die erhoffte schnelle Lösung nicht mehr möglich.
Sollten die Auflagen für eine Zuwendung im Vergleich zur Höhe der Zuwendung administrativ zu hoch werden, dann würden die HSV-Verantwortlichen im Zweifel verzichten. Man brauche einfach Klarheit, heißt es im Volkspark, wo auch auf die Sanierungsarbeiten am Stadion vom Rothenbaum hingewiesen wird. Diese hätten zehn Millionen Euro gekostet, von den denen die Stadt zehn Prozent übernommen hätte – ganz ohne komplexes Zuwendungsverfahren.
HSV-Finanzvorstand Wettstein will aber trotz der enormen Herausforderungen nicht schwarzmalen. „Ich bin optimistisch, dass wir da Lösungen hinbekommen, die sowohl den Interessen des HSV als auch der Stadt Hamburg gerecht werden.“