Hamburg. Mit vielen Jahren Anlauf wagt Horst Hrubesch doch noch ein HSV-Comeback. Was der neue Nachwuchschef jetzt zuerst erledigen muss.
Als Horst Hrubesch sich im Dezember 2018 beim Deutschen Fußball-Bund in den Ruhestand verabschiedete, gab er seinem langjährigen Arbeitgeber ein letztes Interview. Fast 20 Jahre lang hatte er beim DFB so ziemlich alle Nachwuchsmannschaften trainiert und am Ende sogar noch die Frauen-Nationalmannschaft betreut. Doch dann war genug.
„Für mich zählt, dass ich jetzt nicht mehr von Termin zu Termin hetzen muss, sondern ich einfach auch mal ’ne Woche zu Hause sein kann. Diese Freiheit will ich jetzt ganz einfach genießen. Jetzt freue ich mich einfach auch auf das, was kommt“, sagte Hrubesch und ging mit seiner Frau Angelika auf Weltreise. Sechs Wochen Neuseeland, danach Malaysia, Singapur, Hawaii und zum Abschluss Las Vegas.
Hrubesch will dem HSV eine Philosophie verschreiben
Umso größer war daher die Überraschung, als der HSV am Freitag um 12 Uhr die Verpflichtung von Hrubesch bekannt gab. Der 69-Jährige wird neuer Direktor Nachwuchs. „Nun, da ich Rentner bin und eigentlich mit meiner Frau und Familie meine Freizeit genießen wollte, kommt es dann doch anders“, sagte Hrubesch, der 37 Jahre nach seinem letzten Einsatz als Stürmer in offizieller Funktion in den Volkspark zurückkehrt.
Das frühere „Kopfballungeheuer“ übernimmt die Leitung des Nachwuchsleistungszentrums auf dem HSV-Campus. In der Alexander-Otto-Akademie wird Hrubesch ein Büro beziehen und die Ausbildung der Talente und Nachwuchstrainer verantworten. „Der HSV braucht eine Philosophie, die ohne Wenn und Aber gelebt wird“, sagte Hrubesch.
Hrubeschs HSV-Comeback ist das Werk von Boldt
Dass der frühere Mittelstürmer, der mit dem HSV dreimal deutscher Meister (1979/82/83) wurde und den Europapokal der Landesmeister gewann (1983), doch noch einmal eine Funktion im Volkspark übernimmt, hat der Club in erster Linie Jonas Boldt zu verdanken. Der Sportvorstand hatte bereits im vergangenen Jahr zum ersten Mal das Gespräch mit Hrubesch gesucht.
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Es folgten weitere Besuche in dessen Zuhause bei Neumünster, ehe der Europameister von 1980 seine Zusage gab. „Horst Hrubesch verfügt über einen enorm wertvollen Erfahrungsschatz, trifft im Umgang mit jungen Fußballern den richtigen Ton und ist zudem ein echter HSVer“, sagte Boldt. „Ich hielte es für fahrlässig, in Sachen Nachwuchsarbeit keinen Austausch mit ihm zu suchen.“
Hrubesch ließ sich überzeugen, den neuen HSV-Weg mit dem Schwerpunkt auf Entwicklungsarbeit zu unterstützen. „Ich habe in den Gesprächen den Eindruck gewonnen, dass der HSV jetzt den richtigen Weg eingeschlagen hat“, sagte Hrubesch. „Ich bin von Jonas und seinem Team absolut überzeugt und habe mich zweifelsfrei dazu entschieden, bei der ganzheitlichen Neustrukturierung mitzuwirken.“
Hrubesch sagte dem HSV immer wieder ab
In den vergangenen Jahren hatte es immer wieder Annäherungsversuche zwischen dem HSV und Hrubesch gegeben. Den ersten wagte nach Abendblatt-Informationen vor zehn Jahren der damalige Vorstandsvorsitzende Bernd Hoffmann, der nach der Entlassung von Bruno Labbadia einen Interimstrainer suchte. Hrubesch aber sagte ab.
So wie er in den Jahren darauf immer ablehnte, wenn der HSV Kontakt aufnahm. Etwa im Herbst 2016, als die Hamburger einen Nachfolger für Club- und Sportchef Dietmar Beiersdorfer suchten. „In dieser Konstellation stehe ich nicht zur Verfügung“, sagte Hrubesch. Zwei Jahre später wollte der damalige Präsident Jens Meier im Wahlkampf gegen Hoffmann mit Hrubesch ein Zeichen setzen und ihn als Berater für den Verein gewinnen. Das Rennen aber machte Hoffmann.
Hrubesch und Boldt lernten sich früh kennen
In der aktuellen Konstellation sah Hrubesch nun wieder eine Perspektive. Dabei profitierte der HSV auch davon, dass Sportvorstand Boldt bereits seit Jahren einen guten Kontakt zum neuen Nachwuchschef hält. 2014 lernten sich Boldt und Hrubesch kennen, als sich der damalige Chefscout von Bayer Leverkusen mit dem damaligen U-21-Trainer des DFB austauschte.
Auch 2016 führten die beiden viele Gespräche, als es um die Abstellung der Spieler zu den Olympischen Spielen ging. Leverkusen sollte zwischenzeitlich fünf Spieler nach Rio de Janeiro schicken. In den Verhandlungen, in denen auch der damalige DFB-Sportdirektor Hansi Flick beteiligt war, fanden Boldt und Hrubesch schließlich eine Lösung. Die Silbermedaille von Rio sollte nach dem EM-Titel von 2009 mit der U 21 einer der größten Trainererfolge von Hrubesch werden.
Hrubeschs Stärken liegen in der Jugendarbeit
Seine größten Stärken, das wurde in den Jahren beim DFB immer wieder deutlich, hat Hrubesch im Umgang mit jungen Spielern. Weltmeister und Ex-HSV-Verteidiger Jerome Boateng schwärmte in seiner Karriere wiederholt von dem Trainer, mit dem er 2009 in Schweden die U-21-Europameisterschaft gewann.
„Sie gaben mir in meinen Anfangsjahren beim HSV die entscheidenden Tipps. Ich kann ehrlich sagen: Sie haben meine Karriere in die richtigen Bahnen gelenkt“, schrieb Boateng 2016 in einem „Sportbild“-Brief an Hrubesch. „Unsere regelmäßigen Telefonate sind mir bis heute wichtig. Sie sind jemand, der auch in den schweren Momenten eines Spielers zum Hörer greift.“
Hrubesch muss einen Trainer für die U21 finden
Mit dieser Art soll Hrubesch nun den Nachwuchs beim HSV begeistern. „Es geht im Fußball nicht um kluges Reden, es geht um harte Arbeit, um Fleiß, Geduld und Überzeugung. Nur damit kann man weiterkommen“, sagt Hrubesch über seine Aufgabe als Direktor Nachwuchs. In Abstimmung mit Boldt wird Hrubesch nun als Erstes die offenen Entscheidungen auf den Trainerpositionen im HSV-Nachwuchs treffen. Zunächst muss ein neuer Cheftrainer für die U 21 gefunden werden, nachdem Hannes Drews als zweiter Assistent von Daniel Thioune zu den Profis aufgerückt ist.
Im Hintergrund war Hrubesch an dieser Entscheidung sogar schon mitbeteiligt. Und im Hintergrund will er auch bleiben. Nachdem der HSV am Freitag die Meldung bekannt gab, schaltete Hrubesch erst einmal sein Handy aus. „Ich will den Schwerpunkt nicht auf meine Person fokussieren“, sagte der prominenteste Neuzugang dieses Sommers. Eines ließ Hrubesch aber noch wissen: „Der HSV war und ist immer mein Verein.“