Hamburg. Sportfive-Vermarkter Schiphorst über die schwierige Suche nach einem HSV-Hauptsponsor und einem Namensgeber für das Stadion.

Die Aussicht ist spektakulär. Durch die Panoramafenster der Firmenzentrale der Sportbusiness-Agentur Sportfive wirkt die Außenalster zum Greifen nah. Hier will Hendrik Schip­horst, Executive Vice President Football Germany, einen Ausblick werfen – nicht auf die Außenalster, sondern auf die Vermarktung des HSV.

Hamburger Abendblatt: Herr Schiphorst, ist es ein Segen oder ein Fluch, den HSV zu vermarkten?

Hendrik Schiphorst: Für uns ist es noch immer ein absoluter Segen, auch wenn es ein großes Potenzial gibt, das leider nicht ausgeschöpft wird. Wir durften den HSV auch schon in der Champions League vermarkten oder im Halbfinale der Europa League. Da haben wir als Sportbusiness-Agentur gesehen, was mit diesem HSV im Umsatz noch möglich wäre. Dieses Potenzial kann in der Zweiten Liga natürlich nicht abgerufen werden. Trotzdem muss man ganz ehrlich sagen, dass der HSV auch als Zweitligist nichts an Strahlkraft eingebüßt hat.

Der HSV hat in den vergangenen zehn Jahren so ziemlich alle sportlichen Ziele verfehlt, das Personal in schöner Regelmäßigkeit ausgetauscht und auch abseits des Sports für viele Negativschlagzeilen gesorgt. Warum soll dieser Club, der nun auf dem besten Weg ist, ein „normaler“ Zweitligaclub zu werden, noch immer attraktiv für Werbekunden sein?

Schiphorst: Natürlich würde es auch beim HSV schwieriger werden, wenn er nach vielen Jahren in der Zweiten Liga tatsächlich ein „normaler“ Zweitligaclub ist. Davon ist der HSV aber noch weit entfernt. Ich war extrem positiv überrascht, wie die Resonanz der Kunden nach dem Abstieg war. Und auch nach dem ersten Nicht-Aufstieg wurde die Situation schnell wieder angenommen. Es gibt eine unglaubliche Verbundenheit mit dem HSV. In guten wie in schlechten Zeiten. Und man muss auch sagen: Die Unternehmen schmücken sich mit dem HSV ja nicht zum Selbstzweck. Der HSV ist der größte Businessclub der Stadt. Wir haben 650 Kunden, die sich vor Corona alle zwei Wochen im Stadion trafen, austauschten und Geschäfte machten. Ähnlich ist es mit den Sponsoren. Der HSV hat eine unglaubliche Reichweite. Auch als Zweitligist gilt der HSV in der Beliebtheitsskala als einer der Top-ünf-Clubs Deutschlands. Beim sozialen Netzwerk TikTok sind wir deutschlandweit hinter Bayern München und Borussia Dortmund auf Rang drei.

Im inoffiziellen Chaosranking steht der HSV in den vergangenen zehn Jahren sicherlich auf Rang eins. Schreckt das die Werbekunden nicht ab?

Schiphorst: Es steht mir überhaupt nicht zu, das Management des HSV der vergangenen zehn Jahren zu bewerten. Die vielen Trainerwechsel, der Abstieg und der Nicht-Aufstieg haben sicherlich bei der Vermarktung keinen Rückenwind gegeben. Allzu viel kaputt haben sie aber auch nicht gemacht. Niemand in Hamburg will ja mehr die Story vom schlafenden Riesen hören. Faktisch müsste der HSV mit den Voraussetzungen der Geschichte und der Stadt aber natürlich unter den Top vier Deutschlands stehen. Nun steht er aber auf Rang vier der Zweiten Liga. Und trotz dieser sportlichen Misere haben wir bis zu diesem Sommer kaum einen großen Partner verloren.

Hendrik Schiphorst, Sportfive
Hendrik Schiphorst, Sportfive © David Rothenhaeuser | David Rothenhaeuser

Das hat sich nun nach dem erneuten Nicht-Aufstieg geändert. Was haben Sie gedacht, als sich sowohl der bisherige Hauptsponsor Emirates als auch Klaus-Michael Kühne als bisheriger Namenssponsor für das Volksparkstadion gegen eine weitere Zusammenarbeit entschieden haben?

Schiphorst: Zunächst einmal zu Emirates: Wenn man sich deren Portfolio mit Real Ma­drid, Arsenal London und AC Mailand anschaut, also ausschließlich Sponsorings bei Topclubs in Europa, dann war das schon ein tolles Commitment des Partners, zwei Jahre Zweite Liga mitzumachen. Vor einem Jahr hat man dem HSV dann schon sehr deutlich gemacht, dass man nach einem erneuten Nicht-Aufstieg die Lage neu bewerten würde. Hinzu kommt aber auch, dass die Entscheidung genau in die Corona-Zeit hineinfiel, in der es bekanntermaßen die Fluggesellschaften extrem hart getroffen hat.

Emirates war seit 2006 Partner des HSV und damit langjährigster Hauptsponsor der deutschen Proficlubs. Tut die Entscheidung neben den wirtschaftlichen Aspekten auch aus Imagegründen doppelt weh?

Schiphorst: Natürlich. Emirates war ein toller Partner, der in Verbindung mit dem HSV für eine tolle Geschichte stand. Doch gleichzeitig ist es auch eine große Chance, die HSV-Brust, die 14 Jahre nicht auf dem Markt war, neu zu besetzen.

Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass Emirates zwar einen klangvollen Namen hat, aber in der Zweiten Liga nur noch 1,4 Millionen Euro gezahlt hatte. Damit war der HSV auf St.-Pauli-Niveau. Können Sie garantieren, dass der HSV als Immer-noch-Schwergewicht in der kommenden Saison einen lukrativeren Deal abschließen wird?

Schiphorst: Konkrete Zahlen kommentiere ich natürlich nicht. Aber tatsächlich gibt es durch den erstmaligen Hauptsponsorenwechsel seit 14 Jahren finanziell für den HSV mehr Chancen als Risiken.

Wie sieht es im Bereich des Stadionnamens aus? Gibt es tatsächlich Firmen, die Interesse daran haben, den Namen „Volksparkstadion“ erneut zu kapern?

Schiphorst: Wir sind in ersten Gesprächen mit Unternehmen, wobei das letzte Wort in den internen Gesprächen zwischen dem HSV und Herrn Kühne ja noch nicht gesprochen sein soll. Grundsätzlich ist das Recht am Stadionnamen aber ein tolles Recht, das wir vor dem Engagement von Herrn Kühne ja schon dreimal in Hamburg verkaufen durften: an AOL, Imtech und die HSH Nordbank. Meistens verkauft man so ein Recht eher lokal, weil ein regionales Unternehmen sich damit eine Art Leuchtturm setzen will. Eine Schwierigkeit ist tatsächlich, dass wir mit Herrn Kühne auf den Namen „Volksparkstadion“ zurückgesprungen sind, wodurch es nun natürlich nicht einfacher ist, diesen ideellen Namen zu kommerzialisieren. Das ist kommunikativ eine Herausforderung, aber auch da wird man sicherlich eine gute Lösung finden.

Könnte eine Lösung sein, dass das Unternehmen XY darauf verzichtet, seine Buchstaben auf das Dach zu schrauben?

Schiphorst: Für so eine Prognose ist es zu früh. Man sollte sich hier keine Tür zumachen, durch die ein Unternehmen eventuell gerne gehen würde.

Klaus-Michael Kühne soll bislang rund vier Millionen Euro für die Namensrechte gezahlt haben. Sind Sie optimistisch, einen Partner in ähnlicher Größenordnung akquirieren zu können?

Schiphorst: Wir sind optimistisch, dass wir mit beiden Partnerschaften zusammen, also Hauptsponsor und Stadionnamensgeber, auf ein ähnliches finanzielles Volumen wie vorher kommen.

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    Noch mal nachgefragt: Gerade wegen der Corona-Krise braucht der HSV schnelle Abschlüsse, um finanzielle Planungssicherheit zu haben. Können Sie die HSV-Verantwortlichen beruhigen?

    Schiphorst: Im Falle eines neuen Hauptsponsors bin ich mir sehr sicher, dass der HSV am ersten Spieltag nicht mit leerer Brust auflaufen muss. Was das Namensrecht am Stadion betrifft: Das ist eine sehr langfristige und strategische Entscheidung eines Unternehmens. Namensrechte am Stadion laufen selten unter fünf Jahren. Das heißt aber auch, dass da Sorgfalt vor Schnelligkeit gilt. Diese Partnerschaft muss zu 100 Prozent passen – und ob das bis zum Saisonanfang gelingt, ist schwer zu prognostizieren.

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      Es heißt immer, dass ein Partner zu 100 Prozent passen muss. Ist es nicht in Wahrheit so, dass man den Partner nimmt, der am meisten zahlt?

      Schiphorst: Nein. Wir vermitteln Partnerschaften – und am Ende muss der HSV dann selbst entscheiden, für wen man sich entscheidet. Grundsätzlich agieren der HSV und Sportfive immer im Schulterschluss und in kontinuierlicher Abstimmung. Der finanzielle Aspekt ist natürlich wichtig. Aber die gemeinsame Geschichte, die erzählt werden soll, würde ich nicht unterschätzen.

      War Sportfive auch bei Kühne prozentual als Vermarkter beteiligt?

      Schiphorst: Vertragsinhalte kann ich Ihnen leider an dieser Stelle nicht kommentieren.

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      Wir erlauben uns aber noch eine Prozent­frage: Knapp 40 Prozent der Businesskunden haben ihre Hospitalityplätze gekündigt. Wie schwierig wird es sein, in Corona-Zeiten diese Kunden zurückzugewinnen?

      Schiphorst: Die Hospitalitykunden sind in Teilen sehr emotional. Das bedeutet, dass sich viele erst einmal nach so einem Tiefschlag wie dem 1:5 gegen Sandhausen schütteln müssen. Aber nach einer Woche hatte ich schon das Gefühl, dass viele mit den Lehren aus der vergangenen Saison sehr einverstanden sind. Ich bin mir schon relativ sicher, dass wir im Hospitalitybereich auf ähnliche Zahlen wie in den vergangenen Jahren kommen, sofern uns Corona keinen Strich durch die Rechnung macht. Aber auch der neue HSV-Weg lässt sich sehr gut verkaufen.

      Wie wichtig ist Trainer Daniel Thioune als Aushängeschild dieses neuen Wegs?

      Schiphorst: Sehr wichtig. Er ist das Gesicht der neuen Geschichte, die der HSV und wir erzählen wollen. Er steht für die neue Demut, die man beim HSV vorleben will. Er hat mit wenigen Mitteln viel erreicht. Das Schlagwort Entwicklung nimmt beim HSV ja nun eine größere Bedeutung ein. Und mit diesem Weg können sich auch die Partner des HSV sehr gut identifizieren. Die erste Pressekonferenz am vergangenen Montag hat Lust auf mehr gemacht. Und dieses subjektive Gefühl höre ich auch immer wieder aus den Gesprächen mit unseren Partnern heraus.