Hamburg. Der Investor will das Stadion nicht mehr sponsern und Anteile verkaufen. Der Club könnte den Einbußen mit Corona-Klauseln begegnen.
Es ist nicht bekannt, ob Sonny Kittel ein Schleckermaul ist. Und in naher Zukunft dürfte dies auch nicht bekannt werden. Das ist insofern schade, als dem mit elf Toren treffsichersten Profi des HSV bei einem anderen Saisonausgang eine selbst gebackene Torte zugestanden hätte. Serviert von keinem Geringeren als Investor Klaus-Michael Kühne.
„Ich werde mich selbst in den Servicebereich begeben und dem Torschützenkönig eine schwarz-weiß-blaue Rautentorte überreichen“, hatte Kühne vor der Saison im Falle des Aufstiegs angekündigt. Und sollte „das Wunder des Aufstiegs“ tatsächlich eintreten, so Kühne vor einem Jahr im Abendblatt, dann würde er sogar die ganze HSV-Mannschaft in seinem Hotel The Fontenay empfangen „und vorzüglich bewirten“.
Seit Sonntag weiß man, dass sich Kühne den Wetteinsatz der Sause in seinem Hotel nebst Torte sparen kann. Und seit Montag weiß man zudem, dass sich der Unternehmer auch den Rest seiner Verbindung zum HSV am liebsten sparen würde. Der auslaufende Vertrag um die vier Millionen Euro teuren Namensrechte am Stadion? Wird nicht verlängert! Und seine Anteile an der HSV-AG, die er über die Jahre auf 20,57 Prozent aufgestockt hatte? Würde er am liebsten verkaufen. Mal wieder.
HSV glaubt an Ersatz für Stadionsponsor Kühne
Beim HSV reagierte man am Dienstag entspannt auf die Rauchzeichen aus dem fernen Schindellegi. Den auslaufenden Namensvertrag würde man gleichwertig ersetzen können, so die Einschätzung aus dem Volkspark. Das grundsätzliche Interesse am Markt sei trotz Corona-Krise da, das zeige auch das Beispiel Eintracht Frankfurt. Dort heißt das Stadion von diesem Mittwoch an bis 2027 „Deutsche Bank Park“ statt „Commerzbank Arena“.
Und auch im Hinblick auf einen extrem hypothetischen Anteilsverkauf hätte man keine Bauchschmerzen. Die Gesellschafter, also vor allem der Hauptgesellschafter HSV e. V., hätten ohnehin ein Vetorecht. Und überhaupt: Es sei ja nicht das erste Mal, dass HSV-Fan Kühne seine Anteile verkaufen wollen würde.
Wie wahr. Seit der Umwandlung in eine HSV-AG 2014 gab es selten einen Sommer, in dem der emotionale Milliardär nicht entweder seine Anteile signifikant erhöhen oder komplett veräußern wollte. Höhepunkt dieses finanziellen Hin und Hers war sicherlich der Sommer 2018, wo Kühne innerhalb weniger Tage zwischen Daumen hoch und Daumen runter schwankte.
Kühne bietet erneut seine HSV-Anteile an
Laut Kühne habe es damals sogar einen Termin für eine Pressekonferenz gegeben, auf der erklärt werden sollte, dass sich Vorstand und Aufsichtsrat für einen Anteilsverkauf über 24,9 Prozent hinaus einsetzen wollten. Als sich aber doch keine Mehrheit im Vorstand für seinen Wunsch fand, reagierte der Wahlschweizer pikiert – und bot via „Sport-Bild“ einen Verkauf seiner Anteile an: „Ich bin bereit, sie zum von mir bezahlten Einstandspreis abzugeben und diese ohne Gewinn zu veräußern.“
Dieses Angebot soll Kühne nun erneuert haben. Wobei er einerseits betont haben soll, dass es ihm lediglich darum gehe, die Unterstützung für den HSV auf breitere Beine zu stellen. Und andererseits gilt eine Veräußerung nach dem Nicht-Aufstieg und mitten in der Corona-Krise mit Gewinn ohnehin als illusorisch. Mehr noch: Selbst ein Verkauf weit unterhalb des einstigen Ausgabewerts von 64 Euro pro Aktie dürfte kaum realistisch sein. Damals wurde die HSV-AG mit 250 Millionen Euro bewertet. Und dieser Wert dürfte im dritten Zweitligajahr – vorsichtig formuliert – nicht gestiegen sein.
HSV-Finanzchef Wettstein legte mehrere Etatpläne vor
Kühne selbst wollte sich auf Nachfrage gegenüber dem Abendblatt nicht äußern. Und so bleibt die gesamte Diskussion, ob ein Kühne-Ende mit Schrecken dem HSV möglicherweise sogar besser bekäme als ein Kühne-Schrecken ohne Ende, auch in Corona-Zeiten eine sehr theoretische Diskussion.
Ganz praktisch werden die Finanzen beim HSV in den kommenden Monaten aber eine Hauptrolle spielen – ausnahmsweise ganz unabhängig von Kühne. Wegen der Corona-bedingten Unsicherheit, wann man wieder vor Zuschauern spielen darf, musste Finanzvorstand Frank Wettstein der Deutschen Fußball-Liga mehrere Etatplanungen für die Zweite Liga vorlegen. Zur Erinnerung: Bei jedem Heimspiel ohne Zuschauereinnahmen entgehen dem HSV Einnahmen von rund 1,75 Millionen Euro.
HSV erwägt Zuschauerprämien für neue Profis
Neben einem Worst-Case-Szenario (keine Zuschauer in der gesamten Saison) schickte der Herr über die HSV-Zahlen deshalb auch eine Etatplanung nach Frankfurt, bei der „nur“ von einer zuschauerlosen Zeit bis zum Ende des Jahres ausgegangen wird. Ende nächster Woche sollen all diese Pläne dem AG-Aufsichtsrat vorgelegt werden. Stand jetzt geht man von einem Mannschaftsetat von 23 Millionen Euro (optimistisch) bis unter 20 Millionen Euro (pessimistisch) aus.
Die Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Corona-Pandemie zwingt den HSV auch zu kreativen Lösungen in Vertragsgesprächen mit neuen Spielern. Nach Abendblatt-Informationen wird erwogen, ob man potenziellen Neuzugängen nur Verträge anbieten sollte, die neben Erfolgsprämien auch Zuschauerprämien beinhalten. Mit anderen Worten: Verdient der HSV durch ausfallende Zuschauereinnahmen wenig, soll auch ein neuer Spieler wenig verdienen. Und umgekehrt. Eine Praxis, die bereits mehrere Bundesligaclubs in die Tat umgesetzt haben.
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Und Kühne? Verfolgt den HSV vorerst mit mehr als nur 1,5 Metern Abstand. Und darf sich vielleicht nächstes Jahr auf ein Stückchen Kuchen freuen.