Hamburg. HSV bastelt an der Zukunft. Kapitän Hunt bleibt, andere Leistungsträger wie Leibold oder Dudziak könnten dagegen verkauft werden.

Wer in der Gegenwart einen Eindruck von der durchaus komplizierten Zukunft des HSV bekommen möchte, der muss zunächst einmal knapp zwei Wochen zurück in die Vergangenheit reisen. Aufsichtsratssitzung. Mal wieder. Die Themen, die da unmittelbar nach dem Neustart der Bundesligen in größerer Runde debattiert wurden, lagen natürlich auf der Hand: Aufstieg, Nicht-Aufstieg und Corona. Zieht man unter diese drei Schlagwörter einen Strich, dann bleibt schließlich nur eine Frage übrig: Was ist am Ende dieser Saison finanziell überhaupt noch möglich?

Die Antwort auf diese schwierige Frage schwankt coronabedingt von „wenig“ bis „sehr wenig“. Zwar betonte Finanzvorstand Frank Wettstein unlängst dem NDR gegenüber: „Natürlich werden wir im x-ten Zweitligajahr nicht mehr den teuersten Kader haben können, aber wir werden sicherlich immer einen guten Kader präsentieren können, der um die oberen Plätze mitspielen kann – und das auch im fünften, achten oder zwölften Zweitligajahr.“

Allerdings ist der finanzielle Spielraum nach Abendblatt-Informationen doch sehr begrenzt. Zur Erinnerung: Bei jedem Geisterspiel verliert der HSV zuvor fest eingeplante Einnahmen von rund 1,5 Millionen Euro. Die Vorgabe der DFL, auch die kommende Saison ohne Zuschauereinnahmen durchzuplanen, gleicht da schon einem nur schwer zu lösenden Personalpuzzle.

Transfers: Das schwierige Kader-Puzzle beim HSV

Nicht einfacher wird dieses Personalpuzzle durch weitere Vorgaben – nämlich die des eigenen Aufsichtsrats. So hatte der entlassene Ex-HSV-Boss Bernd Hoffmann, bevor er einst aus dem Kontrollgremium in den Vorstand wechselte, als Aufsichtsratschef durchgesetzt, dass sich die HSV-Chefs jede Ausgabe von mehr als 250.000 Euro genehmigen lassen müssen. Somit wurden auf der Sitzung Mitte Mai sämtliche Prämienzahlungen, die dann nur eine Woche später durch einen Bericht der „Sport Bild“ öffentlich wurden, kritisch hinterfragt.

Die Millionenprämien im Falle des Aufstiegs sind aktuell aber eines der geringsten Probleme der Verantwortlichen. Viel schwieriger ist, dass durch das verschobene Saisonfinale erst im Juli Planungssicherheit gewährleistet ist. Erst dann wissen auch die Spieler, mit wem sie in der kommenden Saison das Ziel Klassenerhalt (im Erfolgsfall) oder Aufstiegskampf (bei Misserfolg) angehen können.

Immerhin: Anders als in den vergangenen Jahren soll in der Führungsebene kein Umbruch geplant sein. Schmiert der HSV in den finalen fünf Saisonspielen nicht komplett ab, sollen nach Abendblatt-Informationen auch in der kommenden Spielzeit Sportvorstand Jonas Boldt, Finanzvorstand Wettstein, Sportdirektor Michael Mutzel und Cheftrainer Dieter Hecking an Bord bleiben – sowohl im Erst- als auch im Zweitligafall.

Werden Leibold und Dudziak zu Geld gemacht?

Anders ist der Stand der Dinge bei der Mannschaft. Wieder einmal wird es im Sommer einen größeren Umbruch geben. So rechnen die Verantwortlichen für den Fall des Nicht-Aufstiegs damit, dass man sich von Leistungsträgern trennen muss.

Als Verkaufskandidaten, die man zwar halten will, die aber einen Transferwert in Millionenhöhe erzielen könnten, hat man Tim Leibold, Josha Vagnoman (der gerade erst verlängert hat), Bakery Jatta und Jeremy Dudziak ausgemacht. Mittelfeldmann Dudziak, der in dieser Saison trotz Verletzungspause alle Erwartungen übertraf, besitzt bei Nicht-Aufstieg ohnehin eine Ausstiegsklausel von drei Millionen Euro.

Während der HSV für den glücklosen Angreifer Bobby Wood (M.) wohl erneut keinen Abnehmer finden wird, könnten Tim Leibold (l.) und Jeremy Dudziak im Sommer zu Geld gemacht werden.
Während der HSV für den glücklosen Angreifer Bobby Wood (M.) wohl erneut keinen Abnehmer finden wird, könnten Tim Leibold (l.) und Jeremy Dudziak im Sommer zu Geld gemacht werden. © Witters

HSV: Pohjanpalo geht, Letschert soll gekauft werden

Eine Kaufklausel hätte sich der HSV nur zu gerne beim ausgeliehenen Finnen Joel Pohjanpalo gesichert. Weil nach Abendblatt-Informationen Bayer Leverkusen aber auf dem – vorsichtig formuliert – ambitionierten Betrag von zehn Millionen Euro bestand, verzichtete der HSV. Eine Fortsetzung für Pohjanpalo beim HSV gilt somit als ebenso unwahrscheinlich wie bei den anderen Leihspielern Louis Schaub, Jordan Beyer und Adrian­ Fein.

Lediglich bei Fein könnte sich gegen Ende der Transferperiode, die coronabedingt derzeit noch nicht einmal zeitlich festgelegt ist, ein kleines Fenster öffnen. Timo Letschert soll trotz seiner aktuellen Formschwäche dagegen fest verpflichtet, Martin Harnik müsste im Aufstiegsfall sogar gekauft werden. Aber Klarheit gibt es bei ihnen allen wohl erst nach dem Saisonende.

HSV erkämpft sich Heimsieg gegen Wiesbaden nach Rückstand:

HSV erkämpft sich Heimsieg gegen Wiesbaden nach Rückstand

Torschützen unter sich: David Kinsombi (r.) und Joel Pohjanpalo haben mit ihren Toren das Spiel für den HSV gegen Wiesbaden gedreht.
Torschützen unter sich: David Kinsombi (r.) und Joel Pohjanpalo haben mit ihren Toren das Spiel für den HSV gegen Wiesbaden gedreht. © Witters
Klasse Schusshaltung: David Kinsombi bei seinem sehenswerten Ausgleichstreffer. Der Offensivmann avancierte mit einem Doppelpack beim 3:2-Heimsieg gegen Wiesbaden zum Matchwinner.
Klasse Schusshaltung: David Kinsombi bei seinem sehenswerten Ausgleichstreffer. Der Offensivmann avancierte mit einem Doppelpack beim 3:2-Heimsieg gegen Wiesbaden zum Matchwinner. © Witters
Kinsombis zweiter Streich: Das Siegtor gegen Kellerkind Wehen Wiesbaden.
Kinsombis zweiter Streich: Das Siegtor gegen Kellerkind Wehen Wiesbaden. © Witters
Julian Pollersbeck feierte sein Saisondebüt. Beim ersten Gegentor, einem Traumtor von Wiesbadens Torjäger Schäffler, war er machtlos.
Julian Pollersbeck feierte sein Saisondebüt. Beim ersten Gegentor, einem Traumtor von Wiesbadens Torjäger Schäffler, war er machtlos. © Witters
HSV-Verteidiger Timo Letschert (l., neben Wiesbadens Doppel-Torschütze Schäffler) erwischte einen gebrauchten Nachmittag: Der Niederländer verschuldete beide Gegentore.
HSV-Verteidiger Timo Letschert (l., neben Wiesbadens Doppel-Torschütze Schäffler) erwischte einen gebrauchten Nachmittag: Der Niederländer verschuldete beide Gegentore. © Witters
Letscherts Landsmann, HSV-Innenverteidiger Rick van Drongelen, wirkte wieder nicht sicher, war aber diesmal zumindest nicht an den Gegentoren beteiligt.
Letscherts Landsmann, HSV-Innenverteidiger Rick van Drongelen, wirkte wieder nicht sicher, war aber diesmal zumindest nicht an den Gegentoren beteiligt. © Witters
Wirbt Topscorer Sonny Kittel etwa um eine Teilnahme beim Maskenball?
Wirbt Topscorer Sonny Kittel etwa um eine Teilnahme beim Maskenball? © Witters
Der angeschlagene Jeremy Dudziak brachte nach seiner Einwechslung die Wende für den HSV. Seine wendigen Haken haben Bundesliganiveau.
Der angeschlagene Jeremy Dudziak brachte nach seiner Einwechslung die Wende für den HSV. Seine wendigen Haken haben Bundesliganiveau. © Witters
HSV-Kapitän Aaron Hunt war auf dem Platz nur durch Fouls zu stoppen.
HSV-Kapitän Aaron Hunt war auf dem Platz nur durch Fouls zu stoppen. © Witters
HSV-Trainer Dieter Hecking wusste, bei wem er sich zu bedanken hatte: Bei Matchwinner David Kinsombi.
HSV-Trainer Dieter Hecking wusste, bei wem er sich zu bedanken hatte: Bei Matchwinner David Kinsombi. © Witters
Youngster Josha Vagnoman versuchte es auch einmal mit einem strammen Distanzschuss.
Youngster Josha Vagnoman versuchte es auch einmal mit einem strammen Distanzschuss. © Witters
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Kapitän Aaron Hunt bleibt beim HSV

Bei allen – außer bei einem: Aaron Hunt. Der Vertrag des Kapitäns, dessen Ende beim HSV im Februar schon besiegelt schien, verlängert sich bereits nach den beiden Partien gegen Kiel und Dresden automatisch um eine weitere Saison – sofern der 33-Jährige spielt. Der Hintergrund: Als die „Sport Bild“ vor dem Stadtderby gegen St. Pauli im Februar öffentlich machte, dass sich Hunts Vertrag bei mehr als 20 Einsätzen (über 45 Minuten) automatisch verlängert, galt dieses Szenario als völlig ausgeschlossen.

Zu jenem Zeitpunkt hatte der Routinier schon mehr als zwei Monate nicht mehr in der Startelf gestanden. Doch wie sagt man so schön: Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Tatsächlich spielte der sonst so verletzungsanfällige Hunt seitdem jedes Spiel von Beginn an und könnte somit schon in acht Tagen zu seiner nicht mehr für möglich gehaltenen Vertragsverlängerung kommen.

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HSV will zwei Stürmer verpflichten

Trotz der einkalkulierten Abgänge im Mittelfeld von Fein und Schaub scheint der HSV in der Zentrale ligaunabhängig in der kommenden Saison noch ordentlich aufgestellt – auch dank David Kinsombi und Topscorer Sonny Kittel. Anders sieht die Situation in der Abwehr und im Angriff aus.

Obwohl der HSV aktuell die meisten Zweitligatore geschossen hat, sollen mindestens zwei neue Stürmer kommen. Als noch gravierender bewerten die HSV-Verantwortlichen aber den Handlungsbedarf in der Defensive, die im bisherigen Saisonverlauf als Achillesferse ausgemacht wurde.

Holt der HSV Spieler aus Spanien?

Mal abgesehen von den letzten beiden Partien wird lediglich Letschert eine konstant gute Leistung in dieser Saison bescheinigt. Ob Ewerton, der in dieser Spielzeit lediglich 164 Einsatzminuten sammeln konnte, noch einmal eine Verstärkung werden könnte, scheint zumindest fraglich.

Lösungen für Abwehr und Angriff könnte der HSV allerdings dort finden, wo man zuvor noch nie gesucht hat: in Spanien. Tatsächlich sollen die HSV-Scouts ausgerechnet die Primera División etwas näher unter die Lupe nehmen. Der Hintergrund: Gleich mehrere Berater haben in den vergangenen Wochen beim HSV (und anderen deutschen Clubs) angeklopft, weil in kaum einem europäischen Land die Corona-Folgen derart gravierend ausgefallen sein sollen wie in Spanien.

Ob aber tatsächlich viele Spanier den Weg aus dem einst gelobten Fußballland ins nun gelobte Land der gesicherten Gehaltszahlungen und des funktionierenden Gesundheitssystems einschlagen, wird nur die Zukunft zeigen.