Hamburg. Die Kampagne des Liga-Neustarts ist kaum zu bremsen. Der HSV hat bereits ein Coronalabor gefunden. Aber kann das gut gehen?
Ab 10.30 Uhr gab es am Dienstagmorgen Redebedarf. Das Präsidium der Deutschen Fußball Liga (DFL) hatte sich in einer Videokonferenz zusammengeschaltet und dabei vor allem ein Thema auf der Tagesordnung: Der von der „Bild“-Zeitung und vom Bezahlsender Sky proklamierte Neustart der Bundesligen am 9. Mai. Beim neuen Onlinetalk der „Bild“ hatten am Vortag die Ministerpräsidenten Markus Söder (Bayern/CSU) und Armin Laschet (NRW/CDU) einen eventuellen Neustart der Bundesligen in Aussicht gestellt.
DFL nicht begeistert über Söders Vorpreschen
Flankiert von den jubelnden Bundesligamachern Karl-Heinz Rummenigge (FC Bayern) und Hans-Joachim Watzke (Borussia Dortmund) ließ sich schließlich auch der in den vergangenen Wochen so zurückhaltende Christian Seifert zum artikulierten Aufatmen hinreißen: „Für die Fans aller Clubs ist das eine ganz wichtige und positive Nachricht“, sagte der DFL-Chef. Doch wirklich problematisch wurde all dies erst, nachdem dann auch noch Sky eine ganzseitige Anzeige mit nur einem Wort in der „Bild“ schaltete: „Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!“
Ziemlich deutlich „Nein“ zu alldem sollen Mitglieder des DFL-Präsidiums in der stundenlangen Sitzung am Dienstag gesagt haben. Nach Abendblatt-Informationen befürchteten mehrere DFL-Entscheider, dass das orchestrierte Vorpreschen vom Vortag in der ohnehin stark sensibilisierten Gesellschaft gar nicht gut ankommen könnte. Die Sorge: Die wochenlange Lobbyarbeit der Fußball-Chefs, dass Deutschlands Volkssport Nummer eins in Coronazeiten eben keine Ausnahmestellung einnehmen würde, könnte durch die konzertierte Aktion für die Katz gewesen sein.
Es dauerte tatsächlich nicht lange, ehe sich das Bundesinnenministerium meldete. In einem internen Schreiben wurde versichert, dass man „uneingeschränkt“ gegen eine voreilige Terminierung des Bundesliga-Neustarts sei. Auch Hamburger Politiker waren von Söders und Laschets Alleingang irritiert – wollten diesen aber ebenso wenig kommentieren wie die HSV-Verantwortlichen. Auf die Abendblatt-Frage, was er von der wegweisenden DFL-Sitzung am Donnerstag erwarte, hatte Sportvorstand Jonas Boldt am Montag nur geantwortet: „Dass wir auf den neusten Stand gebracht werden.“
Geisterspiele: HSV bereitet eigene Coronatests vor
Dies ist natürlich lediglich die halbe Wahrheit. Denn wie das Abendblatt erfuhr, arbeiten der HSV, St. Pauli und die Bundesligen seit Wochen an Plänen, wie man von Mitte Mai an Geisterspiele verantwortungsbewusst durchführen könnte. So hat etwa der HSV bereits ein Labor in Hamburg gefunden, das die von der DFL geforderten Sicherheitstests gewährleisten könnte. Zweimal die Woche müsste der gesamte Kader und die Betreuer auf Covid-19 getestet werden. Kosten: 150 Euro pro Test pro Person.
Infizierte Profis müssten umgehend anonym an DFL-Artz Tim Meyer gemeldet werden. Doch während beim FC Bayern die Spieler bereits dreimal pro Woche auf das Virus untersucht werden, wie Sturmtalent Joshua Zirkzee in einem Interview verriet, gab es beim HSV und beim FC St. Pauli bislang noch keine Team-Tests.
RKI sieht Corona-Tests für DFL kritisch
Ohnehin ist die geplante Anzahl der Untersuchungen ein großer Streitpunkt. Während der deutsche Berufsverband „Akkreditierte Labore in der Medizin“ bereits in der Vorwoche deutlich machte, dass es genügend Testkapazitäten für die DFL-Pläne gäbe, erneuerte das Robert-Koch-Institut seine Bedenken. „Ich denke, man sollte die Tests dort anwenden, wo es medizinisch sinnvoll ist“, sagte RKI-Vizepräsident Lars Schaade.
Bis Saisonende würden etwa 20.000 „Fußballer-Tests“ fällig. Die DFL wiederum stellte klar, dass es „an den Fakten vorbei gehe“, wenn man in diesem Zusammenhang über eine mögliche Unterversorgung der Bevölkerung spricht.
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St. Pauli will Maskenpflicht einführen
„Wenn es wieder losgeht, werden wir sicher genaue Anweisungen bekommen. Bisher ist das noch nicht geschehen“, sagt St. Paulis Außenverteidiger Sebastian Ohlsson. Anders als manch ein Politiker derzeit versucht der Schwede geduldig zu bleiben: „Solange die Fortsetzung der Liga nicht offiziell ist, versuche ich, nicht zu viel darüber nachzudenken.“ Sollte der Spielbetrieb tatsächlich Mitte Mai wieder losgehen, will St. Pauli eine Maskenpflicht auch für Spieler und Trainer im Kabinenbereich einführen.
Im kompletten Innenraum sollen bei Wiederanpfiff der Saison nur noch 90 Personen zugelassen werden: 40 Spieler beider Mannschaften, fünf Schiedsrichter, vier Balljungen, 20 Mitglieder der Funktionsteams, Hygienepersonal (3), Fotografen (3), vier Sanitäter, vier Ordner und sieben Techniker. Auf der Tribüne sieht die DFL weitere 98 Personen (Sanitäter, Feuerwehr, Journalisten, etc) vor, zudem noch 82 Personen im direkten Außengelände.
Sollte die Politik dem Mai-Neustart am 30. April tatsächlich zustimmen, würde St. Pauli am 10. Mai Jahn Regensburg erwarten. Weil die DFL dazu tendiert, zunächst mit den Spieltagen 33 und 34 fortzufahren und erst im Anschluss die Spieltage 26 bis 32 nachzuholen, dürfte sich der HSV innerhalb der ersten fünf Partien auf die drei direkten Aufstiegskandidaten Heidenheim (10. Mai), Bielefeld (26./27.5.) und Stuttgart (30./31.5.) freuen. Genauere Informationen sollen die Clubs allerdings erst am Donnerstag bekommen. Gesprächsstoff, nur das ist bislang sicher, wird es genug geben.
Die angedachten Zweitliga-Spieltage: 9./10. Mai: Heidenheim – HSV, St. Pauli – Regensburg, 16./17. Mai: HSV – Sandhausen, Wiesbaden – St. Pauli, 23./24. Mai: Fürth – HSV, St. Pauli – Nürnberg, 26./27. Mai: HSV – Bielefeld, Darmstadt – St. Pauli, 30./31. Mai: Stuttgart – HSV, St. Pauli – Heidenheim, 2./3. Juni: HSV – Wiesbaden, KSC – St. Pauli, 6./7. Juni: HSV – Holstein Kiel, Bochum – St. Pauli 13./14. Juni: Dresden – HSV, Bochum – St. Pauli, 20./21. Juni: HSV – Osnabrück, Hannover – St. Pauli.