Hamburg. Polizei entscheidet nach Vorkommnissen beim letzten Aufeinandertreffen. HSV will “kalte Pyrotechnik“ erstmals während Spiels testen.

An diesem Dienstag hat Cornelius Göbel einen Pflichttermin in seinem Terminkalender: Sicherheitsbesprechung mit der Polizei. Vier Tage vor dem Heimspiel gegen Dynamo Dresden (Sa., 13 Uhr) debattiert der leitende Fanbeauftragte des HSV mit den Einsatzkräften darüber, ob die Partie gegen den ostdeutschen Traditionsclub nach dem Vorkommnissen aus der vergangenen Saison zu einem Hochsicherheitsspiel deklariert wird. Oder eben nicht.

HSV stieß nach Dynamo-Spiel Pryo-Debatte an

Ein Dreivierteljahr ist es bereits wieder her, dass Dresdens Anhänger das letzte Mal ihre Visitenkarte im Volkspark hinterlassen hatten. Eine ziemlich feurige Visitenkarte. Nach exakt fünf Spielminuten hatten die berüchtigten Dynamo-Ultras ein rekordverdächtiges Arsenal an Pyrofackeln im Gästeblock entzündet, die Teile der Südtribüne innerhalb von Sekunden in ein Flammenmeer zu verwandeln schienen.

Das Abendblatt schrieb damals: „Es war spektakulär, überwältigend, bemerkenswert und verstörend, angsteinflößend und brandgefährlich im wahren Sinne des Wortes zugleich.“ Vor allem aber war es der erneute Anstoß zu einer bundesweiten Diskussion über das Für und Wider von Pyrotechnik. Und überraschender Vorreiter auf der Seite der Befürworter des kon­trollierten Abbrennens von Pyrotechnik war und ist damals wie heute: der HSV.

HSV-Boss Hoffmann für Pyro als Fan-"Stilmittel"

Bereits am vergangenen Montag schwärmte HSV-Clubchef Bernd Hoffmann im Podcaststudio des Abendblatts über „die tolle Choreo“ beim Auswärtsspiel in Kiel. „Das war eine tolle Visitenkarte für Hamburg – auch wenn in dieser Choreo kontrolliert einige rote Fackeln zum Einsatz gekommen sind“, sagte Hoffmann, der sich im Podcast „HSV – wir müssen reden“ erneut dafür aussprach, Pyrotechnik als „Stilmittel und Teil der Fankultur“ zu akzeptieren.

Genau eine Woche später sitzt Cornelius Göbel am Montagmittag auf demselben Stuhl – und unterstreicht in der neuesten Ausgabe des HSV-Podcasts auch in der Woche vor dem Dresdenspiel die HSV-Haltung noch einmal deutlich: „Pyrotechnik gehört zur Ultrakultur dazu!“

HSV zahlte vergangene Saison Pyro-Rekordstrafe

Der 35-Jährige arbeitet seit einem knappen Jahr unter Hochdruck daran, den HSV in Sachen Pyrotechnik als Vorreiter im deutschen Fußball zu positionieren. „Für die Ultras gehört es dazu, Pyrotechnik geordnet einzusetzen“, sagt Göbel – und schränkt ein: „Natürlich bleibt es gefährlich. Aber die Verbote haben bislang nicht dazu geführt, dass man auf Pyrotechnik verzichtet.“

Seine Lösung: Er und die HSV-Verantwortlichen setzen sich trotz summierter Rekordstrafen in der vergangenen Saison (294.000 Euro) seit Monaten dafür ein, zukünftig auf sogenannte „kalte Pyrotechnik“ und Theaterrauch zu setzten, was der Club gemeinsam mit der Fanszene legal einsetzen will. Statt brennenden Magnesiums kommt hier niedrig dosierte Nitrozellulose zum Einsatz. Hierbei lassen sich durch Metallsalze Farbeffekte erzielen.

HSV will "kalte Pyrotechnik" während Spiel testen

Einen ersten Test hat es bereits im Frühling gegeben (Abendblatt berichtete). Die Genehmigung der Brandschutzbehörde und des DFB für einen zweiten Versuch im Rahmen eines Spiels liegt vor. „Unser Ziel ist es, so eine Aktion noch in dieser Saison hinzubekommen“, sagt Göbel, der den Beginn der Rückrunde ins Auge gefasst hat: „Wir müssen jetzt Fakten schaffen.“

Der Hintergrund: Nachdem beim HSV bereits seit knapp einem Jahr über die Legalisierung von Pyrotechnik gesprochen wird, will Göbel nun auch Taten folgen lassen. Einen bereits angemeldeten (und genehmigten) Versuch beim Spiel gegen den VfB Stuttgart verschoben die Verantwortlichen des HSV, weil nach dem Pyroeinsatz gegen den FC St. Pauli der Zeitpunkt als unpassend empfunden wurde. „Bei so einer Aktion muss alles passen“, sagt Göbel.

Stadionverbot für verurteilten Pyro-Ultra?

Erst in der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass ein HSV-Anhänger nach Pyroexzessen beim Abstiegsspiel des HSV gegen Borussia Mönchengladbach vom Amtsgericht Altona zu neun Monaten auf Bewährung verurteilt wurde. Der 24 Jahre alte Anhänger war als bislang einziger HSV-Ultra durch die Polizei identifiziert worden.

Zusätzlich zur Bewährungsstrafe muss der Fan 1000 Euro zahlen. Ob der HSV ihn zudem in Regress nimmt und darüber hinaus auch noch mit bis zu fünf Jahren Stadionverbot bestraft, ist noch nicht entschieden. „Ein Stadionverbotsverfahren wurde eingeleitet“, sagt Göbel.

Unabhängig von der Sicherheitsbesprechung mit der Polizei freut sich der leitende Fanbeauftragte des HSV auf die Partie gegen Dresden. „Dynamo hat eine sehr gewachsene Fanszene, die schon lange dabei ist und eine hohe Wucht entfachen kann“, sagt der Familienvater. „Jeder kann sich auf diese Partie freuen.“

Den gesamten Podcast mit Cornelius Göbel, der auch über die veränderte Ultraszene, Dresdens Fanlager und den Kampf gegen Rechts aufklärte, hören Sie auf abendblatt.de/hsv-podcast.