Hamburg. Max-Arnold Köttgen über das Millionen-Minus, Bakery Jatta, einen Berater-Streit und ein großes Bauprojekt im Volkspark.

Zu Beginn des Gesprächs hat Max-Arnold Köttgen eine Bitte. Wie er denn über sein Handy den Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“ hören könne, will der Aufsichtsratschef des HSV wissen. Die Podcast-App auf Köttgens iPhone ist schnell gefunden. Und anschließend heißt es ganz analog: Herr Köttgen – wir müssen reden.

Hamburger Abendblatt: Herr Köttgen, wann haben Sie zuletzt eine Zigarre geraucht?

Max-Arnold Köttgen: Das ist schon ein paar Tage her. Ich bin momentan ein wenig erkältet.

Hintergrund der Frage ist, dass Sie in unserem Abendblatt-Podcast Bernd Hoffmann gefragt haben, welches Ereignis eintreten müsste, damit er mit Ihnen gemeinsam Zigarre raucht. Diese hat Bernd Hoffmann nun für den 17. Mai in Aussicht gestellt. Freuen Sie sich auf eine gemeinsame Aufstiegszigarre?

Ich bin ein optimistischer Mensch. Also hoffe ich mal, dass ich eine ordentliche Zigarre, dem Anlass entsprechend, aussuchen kann. Oder besser: zwei. Denn aus dem Alter, in dem man sich die Zigarre beim Rauchen geteilt hat, sind Bernd Hoffmann und ich dann doch ein wenig heraus.

Unser bisher letztes Interview ist einige Zigarrenlängen her. Auch damals, im Februar dieses Jahres, hofften Sie noch auf den Aufstieg, sagten aber auch: „Das wird noch ein langer und beschwerlicher Weg“. Wie groß ist die Überzeugung, dass diesmal die Ziellinie erreicht wird?

Für den Eintritt von Erfolg gibt es im Leben keine Garantie – und im Fußball schon ganz und gar nicht. Aber man kann die Wahrscheinlichkeit auf Erfolg durch gute Arbeit erhöhen. Und gute Arbeit wird beim HSV auf allen unterschiedlichen Ebenen gerade geleistet.

HSV: Was Jonas Boldt so wertvoll macht

Bernd Hoffmann hat im Sommer angemerkt, dass das sportliche System in der Rückrunde kollabiert sei. Wie zufrieden sind Sie mit dem neuen sportlichen System unter der neuen Verantwortung von Jonas Boldt?

Sehr zufrieden. Wir haben in unserem Gremium aus meiner Sicht genau die richtige Entscheidung getroffen. Jonas Boldt bringt genau das mit, was wir für diese so wichtige Position gesucht haben. Er ist in der Branche sehr gut verdrahtet. Er kennt die Details des Fußballgeschäfts.

Und noch wichtiger: Er kann seine Fähigkeiten so einsetzen, dass der HSV sowohl sportlich als auch betriebswirtschaftlich profitiert. Er hat zudem ein gutes Händchen dafür, Menschen zum richtigen Zeitpunkt richtig anzusprechen. Und vor allem ist er gradlinig.

HSV-Podcast – auch im Video

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Besonders im Fall Jatta war Jonas Boldt sehr geradlinig. Waren Sie von Anfang an davon überzeugt, dass dies so richtig war?

Ich war von Anfang an der Meinung, dass wir als HSV zu Bakery Jatta stehen müssten. Als Aufsichtsrat muss man aber neben der menschlichen stets auch die rechtliche Komponente im Auge behalten. Deswegen war es unsere Pflicht, uns bestmöglich sportrechtlich beraten zu lassen. Das haben wir auch getan. Wir haben uns mit mehreren Fachanwälten ausgetauscht und konnten am Ende guten Gewissens Bakery Jatta das Gefühl geben, dass er sich sämtlicher Unterstützung des gesamten HSV sicher sein kann.

Fall Jatta: "Wir waren uns einig"

HSV-Profi Bakery Jatta
HSV-Profi Bakery Jatta © WITTERS | Thorsten Wagner

Hatten Sie nie Sorge um die gewonnenen Punkte, als ein Club nach dem nächsten Einspruch einlegte?

Nein. Wir haben uns relativ schnell mit den Anwälten ausgetauscht und hatten auch mit der sportlichen Führung in diesen Tagen einen sehr regen Austausch. Wir waren uns im gesamten Prozess sehr einig. Und unabhängig von den rechtlichen Fragen bin ich fest davon überzeugt, dass wir als Club da sehr richtig gehandelt haben.

Im Fall Jatta mussten Sie die rechtlichen Risiken abwägen. Finanzielle Risiken gilt es erneut im Winter abzuwägen, sollte die sportliche Führung noch einmal nachbessern wollen.

Zunächst einmal müsste es ja von den sportlich Verantwortlichen den Wunsch geben, dass man sich tatsächlich noch einmal verstärken wollen würde.

HSV-Finanzen: Es gibt eine Perspektive …

Am Dienstagabend wurde im Aufsichtsrat der Jahresbericht des abgelaufenen Geschäftsjahrs verabschiedet, der an diesem Freitag öffentlich vorgestellt wird. Es soll ein fast zweistelliges Millionenminus präsentiert werden. Wie kann es sein, dass der HSV zum neunten Mal in Folge rote Zahlen schreibt?

Ich selbst bin seit Februar 2018 Mitglied dieses Aufsichtsrats – und ich finde es nur fair, dass ich mich ausschließlich über diese Zeit äußere. Diese Zeit war geprägt durch den Abstieg in die Zweite Liga und vom verfehlten Aufstieg zurück in die Bundesliga. Dass man in dieser Zeit keine sprudelnden Gewinne vermelden kann, liegt auf der Hand. Gut ist aber, dass es eine Perspektive auf den Turnaround gibt. Im Interview mit Ihnen im Februar, als wir noch auf den Aufstieg hofften, hatte ich den Turnaround für diese Saison angekündigt. Nun gehe ich davon aus, dass uns die schwarze Null in der kommenden Saison gelingen wird.

Warum soll sich die wirtschaftliche Situation plötzlich ligaunabhängig bessern, nachdem der Verbleib in der Zweiten Liga Hauptgrund dafür sein soll, dass das vergangene Geschäftsjahr erneut mit einem Millionenminus abgeschlossen wird?

Ein Großteil der Verluste der vergangenen zwei Jahre, die wir hinnehmen mussten, war die Abarbeitung von Altlasten. Diese Altlasten sind endlich erledigt. Die Basis, die wir jetzt haben, macht das Ziel einer schwarzen Null realistisch.

Frank Wettstein kümmert sich seit November 2014 um die Finanzen des HSV.
Frank Wettstein kümmert sich seit November 2014 um die Finanzen des HSV. © Witters

Finanzvorstand Frank Wettstein wird am Freitag sein fünftes Minus in Folge präsentieren. Warum haben Sie ihm dennoch das Vertrauen ausgesprochen und seinen Vertrag verlängert?

Ich habe Frank Wettstein im Februar 2018 kennengelernt. Damals stand der Abstieg fast schon fest – und mit ihm auch ein erheblicher finanzieller Schaden. Wir mussten uns um die Lizenz für die Zweitligasaison bemühen, zudem gab es das Riesenthema der Refinanzierung der Fananleihe. Diese Herausforderungen hat Frank Wettstein sehr erfolgreich gemeistert.

Noch ein Wort zu Investor Kühne …

Vorher war Herr Wettstein ja aber auch für die Altlasten, von denen Sie gerade gesprochen haben, mit verantwortlich. Hat das gar keine Rolle mehr bei der Vertragsverlängerung gespielt?

Nein. Man muss fairerweise sagen, dass der Finanzvorstand oft der Überbringer von schlechten Nachrichten ist. Aber nicht automatisch der Verursacher.

HSV-Investor Klaus-Michael Kühne
HSV-Investor Klaus-Michael Kühne © witters | witters

Welche Rolle spielte Investor und Anteilseigner Klaus-Michael Kühne, dem ein enger Draht zu Finanzvorstand Frank Wettstein nachgesagt wird, bei dessen Vertragsverlängerung?

Keine. Das war eine autonome Entscheidung des Aufsichtsrats. Trotzdem habe ich mit Freude vernommen, dass Herr Kühne unsere Entscheidung begrüßt hat. Es kann nur positiv sein, wenn unser zweitgrößter Investor ein besonderes Vertrauensverhältnis zu unserem Finanzvorstand hat.

Darf sich denn neben dem Finanzvorstand auch der Vorstandsvorsitzende Hoffmann Hoffnungen auf eine baldige Vertragsverlängerung machen?

Bernd Hoffmann hat den HSV schon erfolgreich in Europas Top 20 geführt. Ich bin sehr froh, dass er unseren Club auch in den schwierigen Zeiten der 2. Liga wieder in die Spur gebracht hat. Es wäre wünschenswert, wenn mit dem aktuellen Vorstandsteam die Kontinuität zu schaffen wäre, die wir beim HSV in den letzten Jahren vermisst haben.

Volksparkstadion soll fit sein für EM 2024

Welches sind die wichtigsten Baustellen der Zukunft für den Vorstand?

Wir wollen natürlich aufsteigen. Sollte uns das gelingen, dann gilt es, eine Mannschaft zusammenzustellen, die in der Bundesliga bestehen kann. Darüber hinaus müssen wir unser Stadion mittelfristig für die Europameisterschaft 2024 in Schuss bringen. Und ein Großprojekt wird zudem sein, dass wir zusammen mit dem UKE und Philips ein neues Athleticum am Volkspark bauen wollen. Wir gehen davon aus, dass der Vorstand genaue Pläne zu all diesen Themen im Aufsichtsrat vorstellt.

Das Volksparkstadion gehört dem HSV.
Das Volksparkstadion gehört dem HSV. © Witters

Halten Sie die aktuelle Größe des Aufsichtsrates für geeignet?

Ein Aufsichtsrat muss eine Pluralität von Meinungen zulassen, gleichzeitig aber effizient arbeiten können. Beides geht meiner Meinung nach mit sieben Aufsichtsratsmitgliedern ganz vorzüglich.

Darf sich Ihr Aufsichtsratskollege Marcell Jansen denn irgendwann auf die von ihm zusätzlich geforderte sportliche Kompetenz im Kontrollgremium freuen?

Zunächst einmal bin ich der Meinung, dass in einem Fußballclub die sportliche Kompetenz vor allem auf der operativen Ebene gewährleistet sein sollte. Das ist bei uns mit Jonas Boldt, Michael Mutzel und Dieter Hecking der Fall. Zudem haben wir mit Marcell Jansen einen Sportfachmann im Aufsichtsrat, um den uns sicherlich viele Wettbewerber beneiden. Natürlich könnte auch uns darüber hinaus weitere sportliche Kompetenz im Kontrollgremium nicht schaden. Man wird sehen.

HSV-Aufsichtsrat muss Spielerdaten analysieren

Im Aufsichtsrat dürften ja wahrscheinlich auch weniger die Zweikampfstatistik und die Laufwerte eines möglichen Neuzugangs als viel mehr seine Finanzierung diskutiert werden, oder?

Jein. Sowohl das Finanzielle als auch das Sportliche werden von uns beleuchtet. Wir bekommen ausführliche sportliche Analysen über die Kandidaten, die weit über das hinausgehen, was man den Medien entnehmen kann.

Noch ausführlicher als im Abendblatt?!?

(Köttgen lacht) Man mag es kaum glauben, aber ja.

Stimmt es, dass sich der Aufsichtsrat mittlerweile nur noch viermal im Jahr trifft?

Erneut ein eindeutiges Jein. Wir treffen uns viermal im Jahr zu sogenannten Regelaufsichtsratssitzungen. Darüber hinaus gibt es – je nach Bedarf – zusätzliche Sitzungen. In der vergangenen Saison hatten wir beispielsweise zwölf weitere außerordentliche Sitzungen, wo es konkreten Beratungsbedarf gab.

Heikler Transfer von Douglas Santos

Gab es konkreten Beratungsbedarf beim Transfer von Douglas Santos?

Der Aufsichtsrat wurde über die Gespräche des Transfers informiert, ja. Und wir haben dem Deal, also auch der konkreten Transfersumme, zugestimmt.

War auch der Streit um die Forderung von 1,2 Millionen Euro Beraterhonorar Gesprächsthema im Aufsichtsrat?

Das war sogar ein sehr intensives Gesprächsthema. Unser Vorstand und Santos-Berater Herr Haase haben da ja sehr unterschiedliche Auffassungen über den Vorgang. Und nach eingehender Prüfung muss ich sagen, dass uns Aufsichtsräten die Argumentation unseres Vorstands einleuchtet.