Hamburg. Ex-Manager Becker verrät kuriose Begebenheit zum Vertrag des Gambiers und spricht über die Aussichten für den HSV und eine alte Liebe.
Ralf Becker kommt mit der U-Bahn zur Redaktion des Hamburger Abendblatts. U 3 von Hoheluftbrücke bis zum Rödingsmarkt. Nachdem der im Mai als HSV-Sportvorstand abberufene Schwabe seinen Dienstwagen abgeben musste, teilt er sich mit seiner Frau und seinem Sohn zu dritt zwei Autos – und weicht gerne auf die öffentlichen Verkehrsmittel aus. „Ich werde langsam zum U-Bahn-Fan“, sagt Becker. „Das geht in Hamburg ruckzuck.“
Möglicherweise kommt der 49-Jährige an diesem Dienstagabend auch zum Pokalspiel des HSV gegen den VfB Stuttgart (18.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) mit den Öffis zum Volksparkstadion. Weil am Abend nebenan in der Barclaycard Arena Sarah Connor ein Konzert gibt, wird mit einem Verkehrschaos gerechnet. Davon abschrecken lässt sich Becker allerdings nicht.
Becker geht erstmals wieder zum HSV ins Stadion
„Ich werde das erste Mal seit meiner Beurlaubung bei einem HSV-Heimspiel sein“, sagt der frühere Sportvorstand im kleinen Podcaststudio des Abendblatts. „Aber ich werde jetzt nicht sentimental.“
Bei der Partie Hamburg gegen Stuttgart konnte der Ex-VfB-HSVer einfach nicht Nein sagen. Den 6:2-Sieg seiner alten Mannschaft hat er am Sonnabend noch vom heimischen Sofa aus verfolgt, das zweite Duell zwischen Hansestadt und Ländle will er dann doch live vor Ort verfolgen. „Der VfB war mein Verein in der Kindheit. Ich war mit Kutte in der Kurve“, sagt Becker, der verrät, dass er heute trotzdem ein bisschen zum HSV hält. „Ich drücke beiden die Daumen. Aber aus aktuellem Anlass drücke ich ein wenig mehr dem HSV die Daumen.“
Die Bilder zur HSV-Gala gegen den VfB Stuttgart (6:2):
Wilde Sau im Topspiel HSV gegen VfB Stuttgart
Becker: "Dieter Hecking ist für den HSV ein Glücksgriff"
Mit besonderem Interesse verfolgt der Wahl-Eppendorfer nicht nur das Duell der beiden Teams, sondern vor allem auch das Duell der beiden Trainer. Stuttgarts Coach Tim Walter hat Becker im Sommer 2018 nach Kiel geholt, obwohl er zu dem Zeitpunkt bereits wusste, dass er Holstein verlassen würde. Und auch mit HSV-Trainer Dieter Hecking hatte sich Becker in diesem Sommer bereits auf ein Engagement geeinigt, ehe er wenige Stunden später erfahren musste, dass er selbst beurlaubt werden würde.
„Dieter ist ein Glücksgriff“, sagt Becker fünf Monate später und schwärmt: „Es gibt in Deutschland nicht viele Trainer, die über so eine Persönlichkeit und Erfahrung verfügen wie Dieter Hecking.“
Becker bei VfB-Coach Walter im Zwiespalt
Auch auf Heckings Kollege Walter hält Becker große Stücke. Überraschen lassen wolle er sich aber, ob und wie der Neu-Stuttgarter nun auf das 2:6 reagieren werde. „Tim hält sehr konsequent an seiner Spielidee fest. Ich bin jetzt selbst gespannt, wie er reagiert.“
Walter selbst bekräftigte am Montag, dass ihn die geballte Kritik im Ländle nicht weiter tangiere: „Meine Mannschaft spielt so, wie ich das will. Und das ist auch gut so. Ich habe in meiner Karriere schon andere Krisen durchgemacht.“ Eine Einstellung, zu der Becker zwiespältige Gefühle hat. „Tim Walter hat eine ganz eigene Spielphilosophie. Das finde ich auch gut. Aber vielleicht kommt irgendwann der Moment, an dem man als Trainer sagt, dass man gewisse Dinge ändern muss. Vielleicht ist das nach diesem 2:6-Spiel nun der Fall.“
"Habe gutes Gefühl, dass der HSV aufsteigt"
Trotz des deutlichen Erfolgs glaubt Becker, dass der angepeilte Aufstieg sowohl für Stuttgart, aber auch für den HSV kein Selbstgänger wird. „Beide haben noch einen harten Weg vor sich“, sagt der Sportchef, der aber den aktuellen HSV einen Tick weiter vorn sieht. „Der HSV ist sehr, sehr gut aufgestellt“, sagt Becker, der diese Aufstellung noch maßgeblich selbst zu verantworten hat.
Neun der zwölf Sommerneuzugänge hat der Manager vor seiner Beurlaubung im Mai vorbereitet oder sogar abgeschlossen, sich zudem mit Hecking auf eine Zusammenarbeit geeinigt. „Der HSV funktioniert gerade super“, sagt er, ohne dabei einen Groll nach seiner Demission zu empfinden. „Grundsätzlich spricht vieles dafür, dass der HSV aufsteigt, ich habe ein gutes Gefühl.“
Bakery Jatta rang dem HSV längeren Vertrag ab
Am meisten beeindruckt hat ihn aber in den vergangenen Monaten keiner der Neuen, sondern ein Alter: Bakery Jatta. „Baka ist ein wahnsinnig guter Typ mit einer wahnsinnigen Power. Zweikämpfe mit Jatta haben zur Folge, dass sich immer der andere weh tut“, sagt Becker, der im Podcast (www.abendblatt.de/hsv-pod cast) eine kuriose Geschichte rund um die Vertragsverlängerung des Gambiers im vergangenen Winter verrät.
"Eigentlich wollten wir ihm nur einen Vierjahresvertrag anbieten. Er und sein Berater wollten dann lieber einen Fünfjahresvertrag. Ich habe dann mal kurz darüber nachgedacht – und dann haben wir ihm eben einen Fünfjahresvertrag gegeben“, sagt Becker. „Für den HSV ist das ein echter Glücksfall.“
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Glücksfall Jatta schweißte HSV enger zusammen
Ein Glücksfall, der den HSV unfreiwillig nach den unbewiesenen Anschuldigungen über eine angeblich gefälschte Identität zusammenschweißte. „Beim Thema Jatta konnte man wieder stolz sein, HSV-Fan zu sein“, sagt Becker, der auch Nachfolger Jonas Boldt für seine Standhaftigkeit lobt.
Zitat Becker HSV
"Da gehörte viel Mut und Überzeugung dazu. Das hat der HSV vorgelebt. Das wurde bundesweit total positiv bewertet. Das kann man gar nicht an Ergebnissen messen, was der HSV da gewonnen hat.“
Ob der HSV auch an diesem Dienstag gewinnt, will Becker eigentlich nicht beantworten. „Es wird ein engeres Spiel. Es wird nicht zu vergleichen sein mit dem Spiel am Sonnabend“, sagt er – und legt sich dann doch fest: „Am Ende spricht ein bisschen mehr für den HSV.“
Die voraussichtlichen Aufstellungen:
HSV: Heuer Fernandes – Vagnoman, Jung, van Drongelen, Leibold – Fein – Harnik, Kinsombi, Hunt, Jairo – Hinterseer.
VfB: Kobel - Stenzel, Kempf, Badstuber, Castro - Karazor - Ascacibar, Förster, Mangala - Gonzalez, Gomez.