Hamburg. HSV könnte Rechnungen für Polizeieinsätze erhalten. Was Vereine, Politik und Polizei sagen – eine Diskussion um Gerechtigkeit.
Die Verantwortlichen der beiden Hamburger Zweitligisten HSV und FC St. Pauli blickten am Dienstag mit regem Interesse nach Mainz. Mit Spannung wurde dort das Treffen zwischen dem rheinland-pfälzischen Innenminister Roger Lewentz und seinem Bremer Amtskollegen Ulrich Mäurer erwartet. Dabei ging es um die Frage, wie die Vertreter beider Bundesländer in der Debatte um eine mögliche Polizeikostenbeteiligung durch Verbände oder Clubs gemeinsam vorgehen.
Nun wagen Lewentz und Mäurer einen Vorstoß, der Auswirkungen auf alle deutschen Profifußballvereine haben könnte. Um 13.29 Uhr verkündeten die beiden SPD-Politiker, dass sie eine Muster-Gebührenordnung für Polizeieinsätze bei Risikospielen im Fußball erstellen wollen. Diese soll bei der Innenministerkonferenz (4. bis 6. Dezember) in Lübeck vorgelegt werden.
Kostenbeteiligung mit millionenschweren Folgen für den HSV?
Damit erhöhen Bremen und Rheinland-Pfalz den Druck auf die Deutsche Fußball-Liga (DFL), von der bislang nur Bremen Geld verlangt hat. In der kommenden Saison könnte auch die Stadt Hamburg Mehrkosten bei Spielen abrechnen, die eine erhöhte Polizeipräsenz erfordern. Alleine in der Abstiegssaison 2017/18 hatte der HSV mehrere Risikospiele, die für zusätzliche Gebühren in Millionenhöhe sorgten.
Innensenator Andy Grote zieht deshalb eine Zuzahlung der Clubs in Erwägung. Dabei stützt er sich auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom März dieses Jahres, wonach eine Kostenbeteiligung der Vereine bei Risikospielen rechtens ist. Es sei schwer zu begründen, „warum wir das nicht machen sollen, wenn man die Begründung des Urteils durchliest“, sagte Grote, der nun auf die Vereine zugehen will, um eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten.
Der nächste Schlüsseltermin in dieser Debatte wird der 20. November sein, wenn sich der DFB, die DFL und Vertreter der Vereine in Düsseldorf über ein gerechtes Konzept beraten.
HSV-Boss Hoffmann will einheitliche Lösung
Gerechtigkeit in dieser kontrovers geführten Diskussion liegt auch im Interesse von HSV-Boss Bernd Hoffmann. „Klar ist: Bei einer Kostenbeteiligung durch die Clubs benötigen wir länderübergreifend eine einheitliche Lösung“, sagt der Vorstandschef dem Abendblatt. Generell blickt Hoffmann, dessen Gespräch mit Grote noch aussteht, der Thematik gelassen entgegen. So auch der FC St. Pauli.
Der Stadtrivale, dessen Fans für ihre polizeikritische Stimmung bekannt sind, nennt das baden-württembergische Modell „Stadionallianzen“ als Lösungsansatz. Darin geht es um eine geringere Anzahl an Polizisten bei Fußballspielen. „Elementar wichtig ist auch die Diskussion über die Entlastung der Polizisten, der Reduzierung der Einsatzstunden und Polizeikosten“, sagt Oke Göttlich auf Anfrage.
Polizeigewerkschaft kritisiert FC St. Pauli
Für diesen Vorschlag holt sich der Präsident des Kiezclubs allerdings Kritik von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) ab. „Polizeieinsätze in dieser Größenordnung sind notwendig“, sagt der Landesvorsitzende in Hamburg, Joachim Lenders, und meint damit das zurückliegende Stadtderby vor zwei Wochen zwischen St. Pauli und dem HSV, als mehr als 1000 Beamte für Sicherheit sorgten.
Der Bürgerschaftsabgeordnete der CDU vertritt die Ansicht von Bremen und Rheinland-Pfalz. „Eine finanzielle Beteiligung der Vereine ist unabdingbar. Bei Risikospielen werden mehrere Hundertschaften eingesetzt, die erhebliche, von der Allgemeinheit getragene Kosten verursachen. Der Steuerzahler sollte nicht darunter leiden“, kritisiert Lenders die bisherige Regelung aller Länder außer Bremen.
Muss Werder 2,4 Millionen zahlen?
Der Stadtstaat erhielt bereits 1,17 Millionen Euro von der DFL wegen zusätzlicher Polizeikosten bei vier Spielen. Die Hälfte der Summe wurde von Werder beglichen. Ob die restlichen 584.000 Euro auf alle Proficlubs umgelegt werden oder ebenfalls von Werder bezahlt werden müssen, ist noch unklar. Zudem folgen drei weitere Rechnungen für rund 1,2 Millionen Euro.
„Diese Kostenbeteiligung sehe ich kritisch“, sagt Horst Niens, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei Hamburg (GdP). „Wenn Vereine zur Kasse gebeten werden, würden sie versuchen, Einfluss auf die Polizei bei der Anzahl der Einsatzkräfte sowie der -taktik auszuüben.“
Damit widerspricht der Beamte seinem Gewerkschaftskollegen Lenders. Ein Vorgang, der die Komplexität des Themas verdeutlicht. „Mit Polizeiarbeit für Sicherheit zu sorgen, ist die Aufgabe des Staates. Wenn nun Vereine an Kosten beteiligt werden, wird am Ende nur bei denjenigen für Sicherheit gesorgt, die es sich leisten können“, kritisiert Niens das Bremer Modell.
Risikospiele: Kommt ein bundesweiter Fonds?
Deshalb befürworten die Innenminister Mäurer und Lewentz einen bundesweiten Fonds, in den jeder Club freiwillig einzahle und aus dem Kosten getragen werden könnten. Dazu ist die DFL nicht bereit, wenngleich der Ligaverband auf Anfrage betonte, Rechnungen im Sinne der Gleichbehandlung unter den Vereinen aufteilen zu wollen. Außerdem behalte sich die DFL den Gang vor das Bundesverfassungsgericht vor.
Auch der Bund der Steuerzahler Hamburg (BdSt) will „einen Flickenteppich vermeiden“ und pocht auf eine einheitliche Linie – zum Beispiel in Form des zur Debatte stehenden Fonds. Doch was passiert, wenn diese Lösung scheitert? „Dann sollte Hamburg ähnlich wie Bremen Rechnungen an die DFL beziehungsweise die Vereine verschicken“, sagt Sabine Glawe, haushaltspolitische Sprecherin des BdSt.
Lewentz und Mäurer wollen nun ermitteln, welche Länder sich ihnen anschließen. „Es geht um die Frage der Gerechtigkeit“, sagt Lewentz. Es scheint jedoch eine Herkulesaufgabe, eine für alle Parteien gerechte Lösung zu finden.