Hamburg. Co-Trainer übernimmt nach dem Tod von Heckings Vater das Ruder. Bremser schob die Karriere seines Partners einst “blind“ an.
Es war eine dieser Situationen, in denen man nicht weiß, was man sagen, was man fragen soll. Genau in dem Moment, als HSV-Co-Trainer Dirk Bremser am Montagmorgen das Training der Reservisten im Volkspark beendete und sich den Fragen der schon wartenden Journalisten stellen wollte, gab der HSV auf der eigenen Homepage bekannt: „Mit Betroffenheit informieren wir, dass am gestrigen Sonntag der Vater unseres Cheftrainers Dieter Hecking nach kurzer, schwerer Krankheit verstorben ist. Dies war der Grund, warum Dieter Hecking am Sonnabend am Abschlusstraining nicht teilnahm und gestern alle Interviews und die Pressekonferenz absagte. Familie Hecking bittet darum, ihre stille Trauer zu respektieren.“
Eine Bitte, der natürlich jeder nachkam. Wilfried Hecking wurde 84 Jahre alt. Wie schwer das Wochenende rund um den 4:0-Sieg seiner Mannschaft gegen Aue für Hecking gewesen sein muss, kann man wohl nur erahnen. Der Trainer war bereits am Freitagabend unmittelbar nach der Partie von Holstein gegen Hannover 96 aus Kiel zu seinem schwer kranken Vater nach Soest gefahren, kehrte am Sonntag für das HSV-Heimspiel gegen Aue nach Hamburg kurz zurück und machte sich direkt nach der Partie erneut auf den Weg.
Hecking und Bremse: das älteste Trainer-Duo
Einer, der natürlich die ganze Zeit eingeweiht war und Hecking bestmöglich den Rücken freihielt und hält, ist derjenige, der bereits seit fast zwei Jahrzehnten Hecking den Rücken freihält. Dirk Bremser steht mit verschränkten Armen vor der Brust am Trainingsplatz und lässt sich von einem guten Dutzend Journalisten umrunden.
Nur einen Wunsch hat der Co-Trainer: Bitte keine weiterführenden Fragen zum sehr privaten Trauerfall der Familie Hecking. Bremser spricht stattdessen über Youngster Josha Vagnoman („Das Tor hat ihm gutgetan. Er braucht Vertrauen“), über Talent Xavier Amaechi („Er darf Fehler machen“) und über den kommenden Gegner Jahn Regensburg, der in der vergangenen Spielzeit gleich zweimal gegen den HSV siegen konnte: „Die vergangene Saison haben wir abgehakt.“
Tatsächlich gibt es kein Trainerpärchen, das so lange im deutschen Profifußball gemeinsam arbeitet wie Hecking und Bremser. „Dieter hat mir von Anfang an das Gefühl gegeben, dass er meine Meinung schätzt. Für ihn bin ich kein Hütchenaufsteller“, sagte Bremser bereits vor zwei Monaten im ausführlichen Abendblatt-Gespräch. „Über die Jahre wurde unser Verhältnis immer besser. Wir sind ja nicht nur Kollegen, wir sind längst Freunde fürs Leben.“
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Bremser schlug Hecking in Lübeck vor
Kennen- und schätzen gelernt haben sich die „Freunde fürs Leben“ vor knapp zwei Jahrzehnten in Lübeck. „Ich kannte Dieter gar nicht, als ich ihn als Cheftrainer für den VfL Lübeck vorgeschlagen habe. Ich hatte aber nur Gutes über ihn gehört“, sagte Bremser in der Lobby vom Hotel „Das Tirol“ in Kitzbühel.
„Ich war ja Interimstrainer in Lübeck, wollte aber auf keinen Fall dauerhaft Cheftrainer werden. Und bei Dieter Hecking, den ich nur als Gegenspieler aus der Regionalliga kannte, hatte ich einfach ein gutes Gefühl. Er war Trainer in Verl, hatte eine ähnliche Idee vom Fußball. Und vom Alter passte es auch. Damals waren wir beide noch junge, dynamische, erfolgshungrige Trainer. Dieses Damals ist aber auch 18 Jahre her.“
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Doch Dirk und Dieter – das passt auch knapp zwei Jahrzehnte später noch. „Wir sprechen auch nicht 24 Stunden lang am Tag über Fußball“, sagte Bremser, der natürlich auch am Wochenende um die Besonderheit der Situation wusste. Schnell war für alle Beteiligten klar: Hecking sollte sich am Spieltag gegen Aue ausschließlich auf die eigene Mannschaft und die 90 Minuten konzentrieren. Das Drumherum übernahmen Sportvorstand Jonas Boldt und Bremser.
Bremser ist nicht nur der Gute-Laune-Onkel
Am Mittag danach steht der gebürtige Bochumer im Volkspark und lächelt. Auch Sportdirektor Michael Mutzel und sogar Vorstandschef Bernd Hoffmann hatten beim Training der Reservisten zugeschaut. „Ich bin gerne nah an der Mannschaft dran und mache auch gerne Späße mit den Jungs“, sagt Bremser, der mit seiner Familie seit mehr als 21 Jahren in Scharbeutz an der Ostsee wohnt.
Aber natürlich ist Bremser nicht nur der Gute-Laune-Onkel. „Dieter nimmt seine engsten Mitarbeiter bei all seinen Entscheidungen mit“, sagt Bremser, der 495 Bundesligaspiele als Heckings Co-Trainer auf dem Buckel hat. „Der Trainer hat den Hut auf. Aber eine seiner großen Stärken ist, dass er Verantwortung abgibt. Es ist ein gutes Zusammenspiel.“
Ab Mittwoch kann man dieses „gute Zusammenspiel“ auch wieder auf dem Trainingsplatz verfolgen. Nach dem trainingsfreien Dienstag will Hecking am Mittwoch auf den Platz zurückkehren. Zirkus Fußball macht keine Pause. „Man kann jederzeit zum Dieter kommen. Er hat immer eine offene Tür“, sagt Bremser. Und in diesen Tagen noch viel wichtiger: Der Dieter kann, soll und wird auch jederzeit zu ihm kommen.