Hamburg. Nach einer verschlafenen Hälfte wurde der HSV stärker. Doch die Schlüsselszene war eine vergebene Großchance. Es folgte ein Eigentor.
Die Hamburger Stadtmeisterschaft wechselt die Seiten: Der FC St. Pauli hat den HSV am Montagabend im Zweitliga-Topspiel mit 2:0 geschlagen – und das durchaus verdient. Stürmer Diamantakos (18.) schoss den Kiezclub in Führung, ein Eigentor von van Drongelen (62.) sorgte für die Entscheidung. "Wir haben ein paar Situationen verschlafen, das darf uns nicht passieren", sagte Trainer Dieter Hecking. „Es war ein tolles Derby. Wir müssen den Ausgleich machen, dann kann das Spiel sogar komplett kippen, aber wir hatten leider keine Effizienz vor dem Tor. Am Ende ist der Sieg von St. Pauli verdient.“
Das sahen auch seine Spieler so. „Die erste Halbzeit war deutlich zu wenig von uns, das war keine Derby-würdige Leistung und wir haben verdient verloren. Es war vor allem eine ganz schwache erste Halbzeit“, sagte der eingewechselte Kapitän Aaron Hunt. „Uns war klar, dass wir die Saison nicht ohne Niederlage durchmarschieren werden. Dass die Niederlage heute kommt, ist natürlich doppelt bitter.“
Ähnliche fiel auch die Analyse von Torhüter Daniel Heuer Fernandes aus. „Die Niederlage tut weh, wir haben das Spiel in den ersten 30 Minuten verloren, als wir viel zu passiv waren“, sagte der Portugiese. „Wir haben uns viel vorgenommen, haben das aber erst ab der 35. Minute umgesetzt. Der Trainer war sehr lautstark, aber auch sachlich in der Pause.“
St. Paulis Buballa: "Weltklasse"
Im Freudentaumel befand sich dagegen der Gastgeber. „Dieser Sieg geht in die Historie ein. Die Spieler sollen sich jetzt von den Fans feiern lassen", sagte St. Paulis Coach Jos Luhukay. „Das Spiel hätte auch 6:3 ausgehen können.“
Dass St. Pauli nicht noch höher gewann, lag auch an der vergebenen Großchance von Daniel Buballa, der in der Schlussphase alleine aufs Tor zulief, aber an Heuer Fernandes scheiterte. Dennoch zog der Verteidiger ein zufriedenes Fazit: „Es war eine weltklasse Mannschaftsleistung gegen die beste Mannschaft der Zweiten Liga. Wir haben überragend verteidigt.“
HSV verschläft die Anfangsphase
St. Pauli startete aggressiver und handlungsschneller als der HSV, der zu Beginn des zweiten Durchgangs aber stärker wurde. Doch Stürmer Lukas Hinterseer vergab die größte Chance zum Ausgleich, als er nur noch einschieben musste, aber sein Standbein traf (57.). Es war die Schlüsselszene des Spiels, denn das Tor erzielte stattdessen sein Kapitän – allerdings ins falsche Gehäuse auf der Gegenseite.
„Solche Tage gibt es einfach, das passiert. Ich weiß aber auch, dass Lukas die Dinger wieder machen wird“, sagte Heuer Fernandes. Hecking ergänzte: „Lukas hätte zwei, drei Tore machen können. Das ärgert ihn sicherlich am meisten.“
Knoll hätte aberkanntes HSV-Tor zählen lassen
Kurz vor der Pause hatte Hinterseer bereits über den mutmaßlichen Ausgleich gejubelt. Doch sein Treffer zählte nicht, weil der Ball bei der Flanke von Bakery Jatta bereits im Aus gewesen sein soll. Eine Entscheidung, die auch die TV-Bilder nicht eindeutig auflösen konnten. „Ich sage natürlich, dass der Ball ganz klar im Aus war", sagte St. Paulis verletzter Abwehrchef Christopher Avevor (Wadenbeinbruch) in der Halbzeit bei "Sky". "Und alles andere interessiert auch nicht.“
Deutlich ehrlicher fiel die Antwort von St. Paulis Mittelfeldmotor Marvin Knoll aus. Knoll über das aberkannte HSV-Tor: „Ich glaube nicht, dass der Ball mit vollem Umfang über der Torlinie war", sagte der emotionale Leader. "Eine glückliche Entscheidung für uns."
Der Videoschiedsrichter konnte die umstrittene Szene nicht überprüfen, weil in der Zweiten Liga keine Torlinientechnologie angewendet wird. „Dann bringt der Videobeweis nichts, wenn auf der wichtigsten Linie keine Kamera installiert ist", sagte HSV-Trainer Dieter Hecking. „Wenn der Assistent den Ball aus 50 Metern im Aus sieht, dann haben wir das zu akzeptieren.“
Hecking bringt Vagnoman für Gyamerah
Das erste Derby-Geheimnis lüftete HSV-Trainer Dieter Hecking rund eine Stunde vor dem Anpfiff. Die mit Spannung erwartete Frage, wer den schwer verletzten Rechtsverteidiger Jan Gyamerah (Wadenbeinbruch) ersetzt, beantwortete der Coach mit Josha Vagnoman. "Das ist eine richtig gute Lösung", sagt Hecking über den Youngster. "Er hat den gleichen Endspeed wie Jan und er hat zuletzt Selbstvertrauen bei der U21 getankt."
Der erst 18 Jahre alte Vagnoman kommt zu seinem ersten Startelfeinsatz in dieser Saison. Das hat den Vorteil, dass der zuletzt wiedererstarkte Flügelstürmer Khaled Narey auf seiner Stammposition bleiben kann. Die restliche Anfangsformation bleibt unverändert im Vergleich zum zurückliegenden 3:0-Heimsieg gegen Hannover 96.
HSV-Profis mit Geste für Gyamerah
In Vergessenheit sollte Gyamerah, der das Spiel auf der heimischen Coach verfolgt, deshalb aber nicht geraten. Beim Aufwärmen trugen alle HSV-Profis geschlossen das Trikot ihres Mitspielers. Eine schöne Geste.
Anders als Hecking sorgt St. Paulis Trainer Jos Luhukay mit seiner Auswahl für eine Überraschung: Der erst 19 Jahre alte Leihspieler Leo Skiri Østigård aus Norwegen beginnt in der Innenverteidigung anstelle des ein Jahr älteren Florian Carstens.
Die Statistik:
St. Pauli: Himmelmann – Ohlsson (80. Kalla), Østigård, Lawrence, Buballa – Becker, Knoll (84. Diarra) – Miyaichi, Möller Daehli, Conteh (62. Penney) – Diamantakos. – Trainer: Luhukay
HSV: Heuer Fernandes – Vagnoman, Jung, van Drongelen, Leibold – Fein – Narey (46. Hunt), Kinsombi (80. Dudziak), Kittel, Jatta (66. Harnik) – Hinterseer. – Trainer: Hecking
Tore: 1:0 Diamantakos (18.), 2:0 van Drongelen (62./ET)
Schiedsrichter: Sven Jablonski (Bremen)
Zuschauer: 29.226 (ausverkauft)
Die Bilder des HSV-Fanmarsches:
Marsch mit 3000 HSV-Fans durch die Schanze zum Millerntor