Hamburg. An diesem Sonnabend trifft der HSV im Rahmen des Volksparkfests auf den RSC Anderlecht mit den beiden Ex-Hamburgern.

Frank Arnesen und Gattin Kate hatten eine Abmachung: Sie durfte unmittelbar nach der Ankunft aus Anderlecht am Freitagvormittag am Alten Wall ein wenig shoppen gehen – und er durfte am Tag vor dem Aufeinandertreffen seines jetzigen Clubs (RSC Anderlecht) und seines früheren Clubs (HSV) über „die guten alten Zeiten“ plauschen. „Der HSV hat mich entlassen – und trotzdem war es eine fantastische Zeit hier“, sagt Arnesen, als er es sich auf der Terrasse des Sofitel Hotels an den Alsterarkaden gemütlich gemacht hat.

Arnesen sieht aus wie Arnesen. Ein paar Lachfalten mehr, vielleicht auch ein paar graue Haare mehr. Aber ansonsten sieht der Däne einen Tag vor dem Volksparkfest (ab 10 Uhr, alle Infos unter www.hsv.de) noch haargenau so aus wie vor acht Jahren, als er vom großen FC Chelsea kam, um den HSV einmal auf links zu drehen. „Stimmt es denn, dass der HSV wieder sparen muss?“, fragt der 62-Jährige und lacht. Natürlich erinnert er sich noch gut, wie Ex-Vorstandschef Bernd Hoffmann ihm 20 Millionen Euro für neue Spieler in Aussicht stellte, ehe Hoffmann dann, noch vor Arnesens erstem Arbeitstag, beurlaubt wurde. „Carl Jarchow war dann bei mir in London und sagte mir, dass ich erst einmal zehn bis 15 Millionen Euro einzunehmen hatte.“

Arnesens Lieblingsgeschichte

Vergangenheit. Genauso wie die geballte Kritik, er habe ja nur Jugendspieler vom FC Chelsea geholt. Dass fast alle seine Verpflichtungen im Nachhinein bei anderen Clubs zu Volltreffern wurden, interessiere ja heute keinen mehr. Gö­khan Töre etwa. Für nahezu nichts verpflichtet, aber für sechs Millionen Euro verkauft. Oder Jacopo Sala. Für 100.000 Euro gekommen, später innerhalb Italiens für 2,6 Millionen transferiert. Und natürlich Jeffrey Bruma. Ausgeliehen für 500.000 Euro, später für 11,5 Millionen Euro vom VfL Wolfsburg gekauft.

Arnesens Lieblingsgeschichte von früher? Seine Gespräche mit Investor Klaus-Michael Kühne. „Er wollte unbedingt einen Zehner“, sagt Arnesen, der dem Schweizer schließlich einen Zehner vorschlug: Oscar. Zehn Millionen Euro hätte der HSV für 80 Prozent der Transferrechte an den Brasilianer zahlen müssen. Doch Kühne (und seine Frau) hätten unbedingt Rafael van der Vaart (siehe rechts) zurück nach Hamburg holen wollen. Das Ende der Geschichte: Van der Vaart kam dann tatsächlich für 13,5 Millionen Euro zurück – und wurde zur teuersten Rückholaktion aller Zeiten. Und Oscar? Ging kurze Zeit später für 20 Millionen Euro zum FC Chelsea. Und fünf Jahre später für 60 Millionen Euro zu SIPG nach China. Arnesens Kapitel Hamburg war schließlich 2013 beendet. „Ich mochte die Aufsichtsräte, aber nicht alle Aufsichtsräte mochten mich“, sagt der Däne – und muss schon wieder lachen.

„Vincent ist ein cleverer Junge“

Arnesen ging. Für einen Monat zu Metalist Charkow in die Ukraine. Dann brach der Krieg aus – und der vierfache Papa und der achtfache Opa Frank zog weiter. Erst nach Griechenland zu PAOK Saloniki (als Sportdirektor), dann in die Niederlande zum PSV Eindhoven (als Aufsichtsrat) und schließlich im vergangenen Januar zum RSC Anderlecht (als Technischer Direktor). „Ich bin gut rumgekommen“, sagt Arnesen.

Nun also Belgien. Anderlecht. Traditionsclub. Rekordmeister. Und seit Neu­es­tem: Vincent-Kompany-Verein. „Kompany ist das spannendste Fußballprojekt Europas“, schwärmt Arnesen, der gemeinsam mit Präsident Marc Coucke den früheren Anderlecht- und HSV-Profi von Manchester City zurück in die Heimat holte. Nicht als Spieler, sondern als Spieler-Trainer.

Eine ähnliche Konstellation habe es in den 90er-Jahren auch schon in England gegeben, sagt Arnesen. Ruud Gullit bei Chelsea. Oder auch Gianluca Vialli. „Vincent ist ein richtig guter und vor allem cleverer Junge“, sagt Arnesen. „Und ich bin mir sicher, dass er eines der größten Trainertalente überhaupt ist.“ Offiziell sei Simon Davies Cheftrainer und Kompany Spieler-Manager. „Aber Vincent hat natürlich immer das letzte Wort.“

Anderlechts Tests waren durchwachsen

Am Freitagnachmittag reisten Kompany und Anderlecht an, stiegen im Grand Elysée an der Rothenbaumchaussee ab. Am Abend traf sich der 33 Jahre alte Immer-noch-Kapitän der belgischen Nationalmannschaft mit Ex-Kollege Rafael van der Vaart, ehe es an diesem Sonnabend erstmals seit seinem Wechsel 2008 nach England für ihn zurück ins Volksparkstadion geht. „Ich werde auch zum ersten Mal nach meiner Beurlaubung im Stadion sein“, sagt Arnesen, der zwar immer mal wieder mit Ehefrau Kate in Hamburg ist. Aber bislang eben nie im Stadion war.

„Natürlich freut sich auch Vincent sehr auf das Spiel gegen den HSV“, sagt Arnesen. Anderlechts bisherige Tests waren durchwachsen: 0:2 gegen Alkmaar, 2:1 gegen Benfica, 2:5 gegen Ajax und vor wenigen Tagen auch noch 0:1 gegen Kreta. „Bei Anderlecht hat man immer Druck, das ist so ähnlich wie in Hamburg“, sagt Arnesen. Erstmals seit mehr als 50 Jahren habe RSC in der vergangenen Saison Europa verpasst – „und trotzdem müssen wir als Ziel die Meisterschaft ausgeben. Der HSV kann in der Zweiten Liga ja auch nicht sagen, dass sie irgendwo oben mitspielen wollen“, sagt Arnesen. „Der HSV muss aufsteigen, denn der HSV gehört in die Bundesliga.“

Noch gespannter als auf die HSV-Saison sei er aber vor allem auf die Kompany-Saison. „Er ist unglaublich fleißig, macht fünf Meetings am Tag, bereitet alles und jeden vor“, lobpreist der frühere HSV-Sportchef den früheren HSV-Abwehrchef. Kompany lasse bevorzugt 4-3-3 oder 3-4-3 spielen, habe sich besonders von Pep Guardiola bei Manchester City beeinflussen lassen. „Wenn er in Anderlecht seinen Weg geht, dann wird er sicherlich auch irgendwann seinen Weg bei City oder Barcelona als Trainer machen“, glaubt Arnesen.

Nach einer Dreiviertelstunde ist genug geplauscht. „Meine Kate wartet“, sagt Arnesen – und verabschiedet sich freundlich. „Bis morgen Nachmittag im Stadion.“