Hamburg. Königstransfer Kinsombi fällt wochenlang aus. Hinzu kommen weitere Baustellen beim HSV, der den Kader runderneuert.
48 Tage ist es her, dass Bernd Hoffmann im Volksparkstadion zu einer denkwürdigen Presserunde bat. Das Sportsystem sei komplett kollabiert, sagte der Vorstandschef zwei Tage nach dem 1:4 in Paderborn, das auch letzte Aufstiegsträume wie eine Seifenblase zerstörte. Eine knappe halbe Stunde suchte Hoffmann nach Gründen und kündigte an: „Wir müssen jeden einzelnen Stein umdrehen.“
Knapp sieben Wochen nach dem Rundumschlag sitzt Jonas Boldt nur wenige Meter vom Tatort entfernt an seinem Schreibtisch – und pustet einmal durch. Natürlich sei es eine ungewöhnliche Situation, dass beim HSV Trainer und Sportchef nun neu seien, sagt Boldt, der exakt zehn Tage nach der Hoffmann-Pressekonferenz verpflichtet wurde. Das Steineumdrehen war damit aber noch nicht abgeschlossen – es hat gerade erst begonnen.
„In der Theorie ist es am besten, wenn man gar kein Personal austauschen muss. Aber in der Praxis waren wir uns hier alle einig, dass dieser Umbruch absolut notwendig ist. Und ich kann auch sagen: er ist noch nicht abgeschlossen“, sagt der Ex-Leverkusener.
Transfers: Nur zwei Zweitligisten fleißiger als der HSV
Obwohl das diesjährige Sommer-Transferfenster erst seit diesem Montag offiziell geöffnet ist, hat der HSV bereits jetzt mehr Neuzugänge verpflichtet als im kompletten Sommer 2018. „Natürlich freut sich ein Trainer, wenn ein Kader früh steht“, sagt Boldt. „Aber eine Saison entscheidet sich auch nicht an den ersten drei Spieltagen.“
Mit neun feststehenden Zugängen liegt der HSV nur hinter Aufsteiger Wiesbaden (11) und Kiel (10) auf einem Relegationsplatz in Sachen Transferaktivitäten. Die Aufstiegskonkurrenten Stuttgart (7), Hannover (4), Nürnberg (3) oder St. Pauli (3) hielten sich dagegen noch dezent zurück.
Boldt hat Preisvorstellung bei van Drongelen
Boldt will auch zeitnah weitere Transfers anschieben – muss aber zunächst ver- statt einkaufen. Im Fall von Topseller Douglas Santos hofft er auf eine zeitnahe Entscheidung. Zenit St. Petersburg bietet nach Abendblatt-Informationen zwölf Millionen Euro Ablöse plus einen erfolgsabhängigen Nachschlag von bis zu drei Millionen Euro.
Länger dürften sich Gespräche mit und über den vom FC Augsburg umworbenen Rick van Drongelen hinziehen. „Ich weiß, dass der Spieler einen Markt hat. Ich weiß, dass er für die Bundesliga interessant ist“, sagt Boldt. „Aber ich weiß auch, dass der Spieler uns mit seinen Qualitäten helfen kann und wir deshalb gewisse Preisvorstellungen haben.“ Dem Vernehmen nach soll diese Preisvorstellung bei acht Millionen Euro liegen.
HSV-Kandidat Letschert schon mal suspendiert
Der Poker ist also eröffnet. Dabei sind die Personalien van Drongelen und Santos vor allem deshalb von zentraler Bedeutung, weil Boldt erst nach abgeschlossenen Deals weiter investieren darf. Sollte van Drongelen wirklich wechseln, hätte ein Ersatz in der Innenverteidigung Priorität. Laut niederländischen Medien soll es ein Interesse an Timo Letschert (26) geben. Der Abwehrmann war zuletzt von Sassuolo an den FC Utrecht verliehen, war in der vergangenen Woche sogar bereits in Hamburg.
Eine schnelle Lösung mit dem Hitzkopf, der von seinem Ex-Club nach einem Ausraster in der Kabine schon mal suspendiert wurde, ist aber unwahrscheinlich. Immerhin: Der Kaugummi-Transfer von Abwehrmann Ewerton, der für zwei Millionen Euro aus Nürnberg kommt, ist endgültig perfekt. „Er wird unsere Abwehr weiter stabilisieren“, sagt Boldt, der aber einschränkt, dass der Neuzugang wegen Leistenproblemen erst in zwei bis drei Wochen so richtig einsteigt.
Neben der Abwehr fahndet der Sportchef auch im defensiven Mittelfeld. Hier wurde David Kinsombi zwar als Königstransfer schon vor Monaten verpflichtet. Doch dass der 23-Jährige nach seinem ausgeheilten Schienbeinbruch anfällig ist, zeigte der Test gegen Buchholz. Nach nicht einmal 90 Sekunden musste er mit Oberschenkelproblemen vom Platz. Die bittere Diagnose folgte am Montag: Muskelfaserriss. Die voraussichtliche Pause: mindestens drei Wochen. Und die traurige Erkenntnis vor dem Saisonstart: eine Baustelle mehr.
Die HSV-Transfers 2019/20:
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