Hamburg. Verteidiger Leibold trainiert erstmals mit – und soll nun Santos ersetzen. Der Brasilianer steht vor einem Wechsel nach Russland.
Es passierte am Ende der abgelaufenen Woche, als sich die beiden im Volkspark über den Weg liefen. Hier Tim Leipold (25), Linksverteidiger, aktuellster Neuzugang des HSV. Dort Douglas Santos (25), Linksverteidiger, aktuellster So-gut-wie-sicher-HSV-Abgang. „Der Douglas ist ein superfeiner Kerl“, sagte Leipold. „Schade, dass er den Verein verlässt – aus menschlicher und aus fußballerischer Sicht.“
Ganz so schade war es aus der leiboldschen Sicht in Wahrheit aber natürlich nicht, dass Santos den HSV voraussichtlich in Richtung des Champions-League-Teilnehmers St. Petersburg verlässt. Denn auch das gehört zur Wahrheit, der sich nun abzeichnende Wechsel des Brasilianers nach Russland hat den Transfer Leibolds erst ermöglicht. Und obwohl eine endgültige Einigung zwischen allen Parteien erst Anfang dieser Woche erwartet wird, wurde Santos bereits vom Trainingsbetrieb und vom Testspiel in Buchholz (s. Bericht l.) bis auf Weiteres freigestellt.
„Es ergibt ja keinen Sinn, wenn wir die Aussicht auf einen hohen Transfererlös haben, ihn hier einer Gefahr auszusetzen“, sagte Trainer Dieter Hecking bereits am Sonnabend. „Es bewegt sich in die richtige Richtung. Wenn eine gewisse Summe erreicht ist, sind wir gesprächsbereit.“
Zenit bietet bis zu 15 Millionen für Santos
Und diese gewisse Summe scheint bereits erreicht. Nach Abendblatt-Informationen soll der russische Meister bereit sein, zwölf Millionen Euro plus erfolgsabhängige Bonuszahlungen in Höhe von drei Millionen für Santos auszugeben. Viel Geld, von dem bereits ein Teil vorausschauend reinvestiert wurde: in Santos-Nachfolger Leibold.
1,8 Millionen Euro festgeschriebene Ablöse hat der HSV für den Süddeutschen ausgegeben, der nun langfristig den Südamerikaner auf der linken Abwehrseite ersetzen soll. Leibold unterschrieb einen Vierjahresvertrag – und erklärte seine Entscheidung nach seinem ersten Mannschaftstraining am Sonntag sehr ausführlich. „Ein Telefonat mit Trainer Hecking war für mich ausschlaggebend“, sagte der gebürtige Schwabe.
Demnach habe der neue HSV-Coach Leibold vor gut einer Woche am Telefon von dem Projekt HSV überzeugt. „Es war kein langes Gespräch, kurz und knackig“, sagte der Ex-Nürnberger. „Er war einfach ehrlich zu mir.“ Das Telefonat sorgte letztendlich auch dafür, dass Leibold in diesem Sommer nun erstmals das Gefühl habe, „dass hier wirklich ein Umbruch stattfindet. In den vergangenen Jahren war es ja schwierig, irgendetwas Positives mit dem HSV zu verbinden.“
Zenit baggert seit einem Jahr an Santos
Von dieser Erkenntnis könnte Santos wahrscheinlich ein langes Lied singen. 2016 war der frischgebackene Olympiasieger mit großen Hoffnungen und Zielen zum HSV gewechselt – und musste nach dem letzten Spieltag der vergangenen Saison einräumen, dass sich seine Wünsche und Träume mit dem HSV nicht erfüllten. „Ich wollte mit diesem Club viel mehr erreichen“, hatte er nach dem Spiel gegen Duisburg gesagt. „Ich wollte diesem Club so gerne etwas geben. Aber es hat nicht gereicht.“
Nun will Santos also einen Neustart im „Venedig des Nordens“ starten. Schon nach der vergangenen Saison war St. Petersburg am Brasilianer interessiert, wollte aber die vom HSV (noch sehr viel höhere) Ablöseforderung nicht erfüllen.
Dabei haben Brasilianer in der alten Zarenstadt eine lange Tradition. So holte St. Petersburg einst (in Dietmar Beiersdorfers Amtszeit) Nationalstürmer Hulk für 40 Millionen Euro aus Porto, im aktuellen Kader steht zudem Mittelfeldmann Hernani unter Vertrag. Bevor Santos sich aber auf den Weg zum Medizincheck nach Russland macht, wartet der Linksverteidiger noch eine endgültige Einigung aller Parteien ab.
Leibold widerspricht Vorwürfen aus Nürnberg
Die Warterei hat Nachfolger Leibold längst hinter sich – genauso wie ein paar böse Kommentare einiger Fans aus Nürnberg. Die haben ihrem einstigen Liebling krummgenommen, dass er sich direkt nach dem Abstieg zum Club bekannte, nun aber doch gewechselt ist.
„Ich habe damals in einem Fan-Podcast gesagt, dass man nach einem Abstieg nicht direkt die Flucht ergreift. Sondern, dass man sich erst einmal in Ruhe mit seinem Berater und seiner Familie überlegt, wie es weitergeht“, erklärt Leibold. „Aus dem Kontext wurde dann aber nur das Flucht-Zitat weiterverbreitet. Aber mein Gott ...“
Dabei waren die Fans nicht die Einzigen, die auf einen Verbleib des einstigen U-20-Nationalspielers gehofft hatten. Als sich Mitte der vergangenen Woche der Transfer nach Hamburg abzeichnete, versuchte eine ganze Reihe von Nürnbergern, ihren zweifelnden Kollegen von einem Wechsel per Dauerbeschallung über WhatsApp abzuhalten. „Ich habe in vier Jahren mit dem Club viel erlebt. Über einen langen Zeitraum habe ich mit denselben Jungs zusammen gespielt, die dann sogar zu Freunden wurden“, sagt Leipold, der zugibt: „Es war dann in der vergangenen Woche alles ziemlich emotional.“
HSV: Ewerton-Transfer hakt noch
Immerhin: Ganz alleine kommt Leibold ja nicht nach Hamburg. Privat begleiten den Nürnberger Neuzugang Freundin Laura und der gemeinsame Labrador – und beruflich bekommt Leibold Unterstützung durch den Club-Kollegen Ewerton. „Ich weiß nicht, wo er gerade steckt. Mal sehen, ob das dann in den kommenden Tagen klappt“, sagt Leibold, der natürlich auch die tagelange Hängepartie um seinen Abwehrkollegen mitbekommen hat.
Noch immer hakt der schon als perfekt eingestufte Transfer an einer Einigung zwischen Nürnberg und Sporting Lissabon. Aber sollten sich die beiden Clubs tatsächlich Anfang dieser Woche endlich einigen, dürfen sich die HSV-Fans laut Leibold auf eine echte Verstärkung freuen. „Er ist ein Fels in der Brandung.“ Und natürlich auch noch: „Ein superfeiner Kerl.“