Hamburg. Der 100-Tage-Präsident spricht über die sportliche Krise, den Holtby-Streik und den Coup mit Investor Kühne.

Großartig feiern wollte Marcell Jansen am Wochenende nicht. Auf den Tag 100 Tage war der 33-Jährige am Sonntag als Vereinspräsident des HSV e.­ V. im Amt, doch das enttäuschende 0:2 in Berlin hatte Jansen den Jubiläumstag dann doch vermiest. „Was mich sehr nachdenklich macht, ist nicht die alleinige 0:2-Niederlage in Berlin, sondern der Fakt, dass wir insgesamt in der Rückrunde natürlich hätten erfolgreicher sein müssen“, sagt der Jubilar am Tag danach im Gespräch mit dem Abendblatt

Jansen, blaues Sakko, Jeanshemd, HSV-Pin am Revier, sitzt im Café Isabella in der Alten Oberpostdirektion und legt seine Stirn in Falten. „Unsere jungen Spieler machen es richtig gut, aber unsere Führungsspieler werden aktuell ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht. Da stimme ich Ralf Becker definitiv zu“, sagt der HSV-Präsident, den besonders das Verhalten seines früheren Teamkollegen Lewis Holtby ärgert. „Kein Spieler darf sich wichtiger nehmen als den Verein. Holtby hatte über die Saison genügend Chancen, sich zu zeigen. Er war Kapitän unter Wolf, hatte genügend Spielminuten.“ Sein Fazit: „Die Führungsspieler sind jetzt in besonderem Maße gefragt! Oder man muss den Weg frei machen, wenn die Leistung nicht reicht. Das alleine entscheidet der Trainer.“

Mit dem Herz noch auf dem Platz

Vier Jahre ist Jansen nun schon kein Fußballprofi mehr. Doch gerade in der jetzigen Situation merkt man dem 100-Tage-Präsidenten an, dass er mit dem Herz noch immer auf dem Platz ist. „Ich sehe immer noch die große Chance, mit dieser Mannschaft aufzusteigen mit zwei Heimspielen und einem direkten Duell gegen Paderborn.“, sagt er. „Man muss das Herz jetzt in die Hand nehmen.“

Sein HSV-Herz hat der gebürtige Mönchengladbacher vor gut drei Monaten in ganz neuer Funktion noch einmal in die Hand genommen. Mit 799 zu 489 Stimmen gewann Jansen die Wahl zum Präsidenten deutlich vor Herausforderer Ralph Hartmann – und ist auch 101 Tage später noch immer glücklich über seine Entscheidung. Mit seinen Vizepräsidenten Thomas Schulz und Moritz Schaefer bilde er ein gutes Team – und auch die Zusammenarbeit im Aufsichtsrat mit dem Vorsitzenden Max-Arnold Köttgen würde reibungslos funktionieren. Allerdings: „Man kann in acht Monaten nicht alles wieder gerade biegen, was zuvor in acht Jahren schiefgelaufen ist.“

Kühne hat nicht gezögert

Stolz ist Jansen darauf, dass der HSV in der vergangenen Woche den Millionendeal mit Klaus-Michael Kühne verkünden konnte, an dem auch er gewerkelt hatte. „Ohne die Vereinbarung mit Herrn Kühne und die erfolgreich platzierte Anleihe hätten wir ganz andere Herausforderungen. Besonders die Einigung mit Herrn Kühne war für mich persönlich das wichtigste Projekt der ersten 100 Tage im Amt“, sagt er. „Die Einigung mit Herrn Kühne war der wichtigste Vertrag der vergangenen zehn Jahre.“

Bilder von der Niederlage in Berlin:

Der Untergang: HSV verliert bei Union Berlin

Bengalisches Feuer vor dem Spiel - kein Feuer beim HSV.
Bengalisches Feuer vor dem Spiel - kein Feuer beim HSV. © WITTERS | TimGroothuis
Josha Vagnoman (HSV) liegt vor Berlins Trainer Urs Fischer
Josha Vagnoman (HSV) liegt vor Berlins Trainer Urs Fischer © WITTERS | TimGroothuis
Ratlos: Trainer Hannes Wolf (HSV)
Ratlos: Trainer Hannes Wolf (HSV) © WITTERS | TimGroothuis
Julian Ryerson und Josha Vagnoman
Julian Ryerson und Josha Vagnoman © WITTERS | TimGroothuis
Pyro, nein danke?
Pyro, nein danke? © Bongarts/Getty Images | Boris Streubel
Berlins Christopher Trimmel (r) kämpft gegen Josha Vagnoman vom Hamburger SV um den Ball.
Berlins Christopher Trimmel (r) kämpft gegen Josha Vagnoman vom Hamburger SV um den Ball. © dpa | Andreas Gora
Grischa Proemel hier mit Khaled Narey.
Grischa Proemel hier mit Khaled Narey. © Bongarts/Getty Images | Boris Streubel
Auch Aaron Hunt war außer Form.
Auch Aaron Hunt war außer Form. © dpa | Andreas Gora
Bakery Jatta (HSV) vergab eine große Chance .
Bakery Jatta (HSV) vergab eine große Chance . © WITTERS | TimGroothuis
Leo Lacroix
Leo Lacroix © Bongarts/Getty Images | Boris Streubel
Getümmel: Hee-Chan Hwang wurde eingewechselt, blieb aber farblos.
Getümmel: Hee-Chan Hwang wurde eingewechselt, blieb aber farblos. © WITTERS | TimGroothuis
Choreographie im Stadion an der Alten Försterei Berlin
Choreographie im Stadion an der Alten Försterei Berlin © WITTERS | TimGroothuis
Bakery Jatta und Ken Reichel
Bakery Jatta und Ken Reichel © Bongarts/Getty Images | Boris Streubel
Wegweisend? Pierre-Michel Lasogga (HSV)
Wegweisend? Pierre-Michel Lasogga (HSV) © WITTERS | TimGroothuis
Trainer Hannes Wolf und Sportdirektor Ralf Becker (HSV)
Trainer Hannes Wolf und Sportdirektor Ralf Becker (HSV) © WITTERS | TimGroothuis
Berkay Özcan und Julian Ryerson
Berkay Özcan und Julian Ryerson © Witters
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Zur Erinnerung: Der HSV und Kühne hatten sich in der vergangenen Woche darauf geeinigt, dass sämtliche Darlehen und bilanziellen Eventualverbindlichkeiten mit einer Einmalzahlung von etwas mehr als sechs Millionen Euro abgegolten seien. Doch damit nicht genug. So verrät Jansen dem Abendblatt, dass Kühne finanziell noch einmal nachgelegt hat: Für 1887 Euro hat der Investor eine lebenslange Mitgliedschaft erworben. „Als ich ihm von der Möglichkeit der lebenslangen Mitgliedschaft im e. V. berichtete, war er sofort begeistert. Er hat da keine Sekunde gezögert und identifiziert sich total damit.“

Gute Gespräche

Auch Kühne schien von den Gesprächen mit Jansen angetan: „Herr Jansen ist ein Teamplayer und großer Hoffnungsträger, wenn es darum geht, langfristige Stabilität in die Strukturen zu bekommen“, lobte der Milliardär.

Gefeiert hat Jansen am Sonntag dann übrigens doch noch: nicht seine 100 Tage im Amt. Sondern den 60. Geburtstag von Papa Michael.