Berlin. Der Fanliebling darf nie wieder für Hamburg ran. Nun haben er und sein Berater reagiert. Griff Becker den Mitspielern vor?
Ralf Becker stand die Frustration ins Gesicht geschrieben. Nachdem der Sportvorstand rund vier Minuten vor den Medienvertretern über „fehlende Typen“ beim HSV referiert hatte, führte kein Weg an einer Frage über den erfahrenen Lewis Holtby vorbei, der in puncto Einsatz- und Kampfbereitschaft ein Vorbild sein will.
Doch an dieser These gibt es nun arge Zweifel. „Er hat dem Trainer nach dem Abschlusstraining gesagt, dass er nicht mitfahren möchte“, sagte Becker. Holtby soll sich demnach geweigert haben, dem Kader beim Spiel gegen Berlin (0:2) als Reservist anzugehören, weshalb er für den Rest der Saison suspendiert wurde.
Da der Verein bereits bekannt gegeben hat, den im Sommer auslaufenden Vertrag des Mittelfeldspielers nicht verlängern zu wollen, wird der 28-Jährige nach 138 Pflichtspielen in viereinhalb Jahren nie wieder für den HSV zum Einsatz kommen. „Das hat keinen Sinn“, sagte der offensichtlich enttäuschte Becker. Auch am Training der Profis darf Holtby nicht mehr teilnehmen.
Beschwerde über Red Bull Salzburg
Es war nicht der einzige Vorfall, über den Becker klagte. Der Sportchef beschwerte sich auch über Red Bull Salzburg, weil der Club während des HSV-Spiels bekannt gab, dass Leihspieler Hee-chan Hwang zum Saisonende definitiv nach Österreich zurückkehren werde. „Das war ein sehr komischer Zeitpunkt“, sagte Becker, ehe er sich wieder dem Thema Holtby widmete.
Wie konnte es nur so weit kommen? Der Fanliebling nutzte in der Vergangenheit jede Gelegenheit, um sich symbolträchtig auf die Raute auf seiner Brust zu klopfen. Nach dem Abstieg im Sommer wurde sein Vertrag mit viel Tamtam und einem emotionalen Video, bei dem sich Holtby und Dino Hermann umarmten, um ein Jahr verlängert. Doch die Saison lief weder für den HSV noch für den Ex-Nationalspieler zufriedenstellend.
Holtby zeigt sich reumütig
Unter Trainer Hannes Wolf verlor Holtby in der Rückrunde seinen Stammplatz nach schwachen Leistungen. Als der Vizekapitän nach dem Abschlusstraining am Sonnabend wusste, dass er erneut nicht der Startelf angehört, zog er persönliche Konsequenzen. „Nach einer halben Stunde hat er seine Meinung revidiert“, sagte Becker, für den es nach Absprache mit Trainer Hannes Wolf aber kein Zurück mehr gab. „Wenn so etwas einmal ausgesprochen ist, kriegst du es nicht mehr gedreht“, sagte der HSV-Coach.
Am späten Sonntagabend meldete sich Holtby dann via Instagram zu Wort. Er habe sich nach dem Abschlusstraining am Sonnabend eine "Kurzschlussreaktion" hinreißen lassen.
"Die Gäule sind mit mir durchgegangen"
"Aufgrund einiger Enttäuschungen in den letzten Wochen und dem unbedingten Willen den Aufstieg zu erreichen und der Mannschaft bzw. dem HSV helfen zu wollen, sind die Gäule im wahrsten Sinne des Wortes mit mir durchgegangen", schrieb Holtby.
"Die Reaktion war emotional, geschah im Affekt und war absolut nicht in Ordnung – das habe ich nach einer kalten Dusche wenige Minuten nach dem Training eingesehen und umgehend die Entscheidung gegenüber dem Trainer revidiert." Nach Abendblatt-Informationen wartete Holtby nach dem Duschen auf Wolf, der zum Zeitpunkt der inneren Umkehr rund um den Volkspark joggte.
"Leider wurde mir die Tür nicht mehr aufgemacht, was ich mir aber unbedingt gewünscht hätte", schrieb Holtby. "Ich werde die Entscheidung des Vereins akzeptieren müssen."
Holtbys Berater kritisiert den HSV
Gestützt hatte Becker seine Entscheidung zuvor nach eigener Aussage auch auf Rückmeldungen der Spieler. "Die Mannschaft sieht es auch so, dass man sich so nicht verhält", sagte der Sportchef. "Es ist nicht kollegial. Wir können nur gemeinsam unsere Ziele erreichen.“
In Schutz genommen wurde Holtby indes allerdings konträr zu dieser Aussage nicht nur von einigen Mannschaftskollegen, sondern auch selbstredend auch von seinem Berater. "Niemand ist frei von Fehlern", sagte Marcus Noack am Montag dem Abendblatt. "Die letzten Wochen waren sehr emotional und Lewis hat eine falsche Reaktion gezeigt. Diese hat er aber wenige Minuten danach eingesehen und gerade gerückt."
In seinen fünf HSV-Jahren habe sich sein Mandant "nie etwas zu Schulden kommen" und "sich auch nie hängen lassen, so anspruchsvoll die Momente auch waren", sagte Noack. "Er hat in einer schwierigen Situation Flagge gezeigt und hatte eine Vision, die ihn dazu bewegt hat zu bleiben, trotz durchaus interessanter Möglichkeiten, die sich im vergangenen Sommer aufgetan haben."
Kritik äußerte Noack an den Umständen, den Vorfall publik zu machen. "Mein Wunsch wäre gewesen, man hätte das Ganze ohne oder mit weniger medialer Begleitung gelöst", sagte der Spielerberater. "Den gewählten Weg finde ich schade." Holtby lasse er Professionalität auf keinen Fall absprechen: "Sein ganzer Ansporn war es, den HSV wieder in die erste Bundesliga zu führen."