Hamburg. Statistiken offenbaren die Probleme des HSV in der Offensive. Trainer Wolf muss diese im letzten Saisondrittel lösen.
Die Bedeutung des Begriffs „He lücht“ kennen vermutlich nur alteingesessene Hamburger. In der Hafen- und Seemannssprache ist der Ausdruck dagegen geläufig. Man versteht darunter einen Touristen- oder Barkassenführer, der seine Geschichten gerne mit Anekdoten, Übertreibungen und kleineren Unwahrheiten schmückt. „He lücht“ kommt demnach aus dem Plattdeutschen und bedeutet im Hochdeutschen so viel wie: Er lügt.
In HSV-Kreisen ist HeLuecht dagegen besser bekannt als Blogger. Regelmäßig schreibt der 59-Jährige über
den Hamburger Zweitligisten. Dass HeLuecht, der im echten Leben Jörg Lambrich heißt, in seinem HSV-Blog zu Übertreibungen oder Unwahrheiten neigt, ist nicht bekannt. Im Gegenteil. Lambrich gilt in der Fanszene als kritischer Beobachter des sportlichen und politischen Treibens im Volkspark. Erst in dieser Woche hat er sich ausgiebig mit dem Zustand der Mannschaft beschäftigt. Und die unbequeme Wahrheit über das Hamburger Sturmtief veröffentlicht.
Dass der HSV mit dem Toreschießen in dieser Zweitligasaison Probleme hat, ist jedem bekannt, der die Tabelle lesen kann. 31 geschossene Treffer sind die wenigsten aller Teams aus der oberen Tabellenhälfte. Dass der HSV aber auch große Probleme hat, sich Großchancen zu erspielen und diese effektiv zu nutzen, konnten die Leser von HeLuecht in dieser Woche im Detail erfahren. Lambrich hat auf verschiedenen Webseiten Daten gesammelt und eine ausführliche Statistik zu den Aufstiegskandidaten errechnet. Das Ergebnis: Keiner dieser Clubs ist torungefährlicher als der HSV.
Offensivproblem ist kein neues Phänomen
HeLuecht alias Lambrich ist häufiger auch zu hören in den vielen Podcasts, die es mittlerweile über den Club im Internet zu finden gibt. „Wenn ich über den HSV spreche, habe ich gerne auch ein paar Zahlen zur Hand“, sagt Lambrich. Und diese Zahlen bestätigen den Eindruck, den er von den Hamburger Spielen gewonnen hat. „Die Ergebnisse sind signifikant, kommen für mich aber nicht überraschend. Das Offensivproblem ist kein neues Phänomen und zieht sich durch die vergangenen Jahre“, sagt Lambrich, der dem HSV seit mehreren Jahrzehnten verbunden ist, sich selbst aber nicht als Fan bezeichnet.
Lambrichs Statistiken offenbaren, dass die größte Schwäche in dieser Saison in der Chancenverwertung liegt. Nur 36,2 Prozent der Großchancen kann der HSV verwerten. 10,06 Schüsse benötigen die Hamburger im Schnitt für einen Torerfolg. In beiden Wertungen sind die anderen sechs Aufstiegsanwärter deutlich stärker. Das weiß natürlich auch Trainer Hannes Wolf. Insbesondere bei der jüngsten 1:2-Niederlage in Regensburg verpasste der HSV durch die schwache Chancenauswertung eine frühzeitige Entscheidung, gab das Spiel am Ende völlig unnötig aus der Hand.
„Wir müssen weiter daran arbeiten, dass wir mehr Tore schießen und mehr Torgefahr erzeugen. Das ist über die gesamte Saison ein Thema“, sagt Wolf. „Insgesamt haben wir zuletzt aus unserem Ballbesitz zu wenig gemacht.“ Was in den Wertungen von HeLuecht nicht aufgeführt ist: Der HSV führt die Statistiken mit dem Ball deutlich an. Die Hamburger haben mit Abstand die meisten Ballkontakte der Liga (16.044) – vor Köln (15.234). Sie spielen die meisten Pässe der Liga (10.812) – vor Köln (10.142). Und sie haben die beste Passquote der Liga (84,92 Prozent) – natürlich vor Köln (83,74).
Blogger HeLuecht glaubt an den Aufstieg
Doch im letzten Drittel des Feldes gelingt es den Hamburgern zu selten, aus dem Ballbesitz Großchancen zu kreieren. Cheftrainer Wolf muss dieses Problem im letzten Drittel der Saison lösen. Noch elf Spiele stehen in der Zweiten Liga auf dem Plan. Der HSV will seinen Aufstiegsplatz mit allen Mitteln verteidigen. Dafür braucht er mehr Torgefahr. Neben Pierre-Michel Lasogga fehlt dem HSV ein Angreifer, der regelmäßig und zuverlässig trifft. Stürmer Nummer zwei, Hee-chan Hwang, hat in 16 Saisonspielen erst zwei Tore erzielt. Stürmer Nummer drei, Fiete Arp, traf in 14 Einsätzen noch gar nicht. Stürmer Nummer vier, Manuel Wintzheimer, kam erst zu einem Kurzeinsatz.
Blogger HeLuecht glaubt dennoch, dass der HSV am Ende den Aufstieg schaffen wird. „Mit diesem Kader muss man einfach aufsteigen. Wenn es nicht klappt, hätte man einiges falsch gemacht“, sagt der gebürtige Barmbeker, der heute in Eidelstedt lebt und seit 2014 nicht nur von den Profis, sondern auch regelmäßig und ausführlich vom Nachwuchs des HSV berichtet.
Einst wurde Jörg Lambrich von seinem Vater mit in den Volkspark genommen. Heute schaut er sich die Spiele am liebsten auf der Leinwand an, um sich das beste Bild zu machen. Und um dann in seinem Blog die Geschichten so präzise wie möglich zu erzählen. Ohne Übertreibungen und kleinere Unwahrheiten.
Der 24. Spieltag im Überblick: Holstein Kiel – Union Berlin, Duisburg – Magdeburg (Freitag, 18.30 Uhr); Sandhausen – Aue, Heidenheim – Regensburg, Paderborn – St. Pauli (Sonnabend, 13 Uhr); Bielefeld – Darmstadt, Ingolstadt – Köln, Dresden – Bochum (Sonntag, 13.30 Uhr); HSV – Fürth (Montag, 20.30 Uhr)