Regensburg. Hamburgs Sportvorstand findet deutliche Worte für den Auftritt in der Oberpfalz. Becker verspürt keine Panik, “aber Druck“.
Die Analyse von Hannes Wolf dauerte handgestoppte zwei Minuten. Mit leeren Augen saß der HSV-Trainer am Sonntagnachmittag im Medienraum des SSV Jahn Regensburg und versuchte zu erklären, warum seine Mannschaft mit leeren Händen dastand. Und immer wieder fiel dieses eine Wort: „Bitter“ – gleich dreimal innerhalb von 120 Sekunden. „Ein bitterer Nachmittag“ sei das gewesen, so Wolf. Und noch einmal. „Ganz bitter.“
Wolf sprach rund eine Stunde danach über diesen einen entscheidenden Moment in der 69. Spielminute. Vasilije Janjicic stand schon an der Ersatzbank bereit, um den gelbverwarntem Orel Mangala zu ersetzen. Zu diesem Zeitpunkt führte der HSV in der mit 15.000 Zuschauern ausverkauften Continental Arena verdient mit 1:0 durch das Tor von David Bates (16.).
Die Statistik
Mit Gelb-Rot vom Platz
Doch dann passierte das, was Wolf wohl noch etwas länger beschäftigen dürfte. Mangala blockt einen Schuss von Maximilian Thalhammer mit dem Arm. Vergrößerung der Körperoberfläche, wie es im Schiedsrichterwesen heißt. Und Schiedsrichter Felix Zwayer stellt den Hamburger mit Gelb-Rot vom Platz. Eine harte Entscheidung. Mangala hatte allerdings Glück, dass er kurz nach der Pause nach einem Foul an Hamadi Al Ghaddioui nicht schon vom Platz musste.
Die HSV-Profis in der Einzelkritik
Mangalas Platzverweis 20 Minuten später sollte dann die Wende einleiten. Nur fünf Minuten danach schoss Sargis Adamyan das 1:1 für Regensburg. Als Marco Grüttner weitere sieben Minuten später das 2:1 nachlegte, war der HSV geschlagen. Und Wolf wusste, warum. „Im Nachhinein habe ich da einen Fehler gemacht“, sagte der Hamburger Cheftrainer und meinte ebenjenen Moment des geplanten Wechsels vor der Gelb-Roten Karte für Mangala. „Wir wollten es in dem Moment machen. Das war einen Tick zu spät.“ In der Nachspielzeit sah zu allem Überfluss auch noch der eingewechselte Janjicic nach einer Notbremse die Rote Karte.
Die Höhepunkte
Kein guter Start ins Jahr 2019
Wolf und der HSV hatten ein Spiel verloren, das sie nie und nimmer hätten verlieren dürfen. Was den Trainer besonders ärgerte: Es war schon die dritte Auswärtsniederlage im vierten Spiel der Rückrunde. Die Bewertung des Jahresauftaktes werde vom Regensburg-Spiel abhängen, hatte Wolf vorm Spiel gesagt. Und nun? „Das ist kein guter Start ins Jahr 2019. Da müssen wir nicht drumherumreden“, sagte Wolf, der in der Rückrundentabelle mit dem HSV nun schon auf den zwölften Rang gerutscht ist.
Dabei hätte es ein guter Auftakt werden können. Und es hätte diesen einen entscheidenden Moment gar nicht geben müssen, wenn Pierre-Michel Lasogga in der 25. Minute zwei entscheidende Meter weiter nach rechts gezielt hätte. Nach einem Konter hatte Hee-Chan Hwang den Ball von links quergelegt. Zehn Meter vor dem Tor musste Lasogga nur noch in das leere Tor einschieben. Doch der Torjäger traf den Ball nicht richtig. Und eben auch nicht das leere Tor. Mit ähnlich leeren Augen wie sein Trainer sprach der Stürmer hinterher über seinen Fehlschuss. „Der Ball hoppelt ein bisschen. Ich treffe ihn dann mit der Hacke. Aber das darf keine Ausrede sein“, sagte Lasogga über die große Chance, die das Spiel früh hätte entscheiden können.
Kaum Chancen für Regensburg
Zu diesem Zeitpunkt hatte der HSV die Partie unter Kontrolle. Bates erzielte mit seinem ersten Tor für den HSV überhaupt die verdiente Führung, als er einen abgewehrten Hwang-Schuss nach Freistoßflanke von Douglas Santos aus kurzer Distanz über die Linie drückte. Regensburg spielte sichtbar limitiert, versuchte mit langen Bällen Unruhe und Chaos zu stiften, so wie es Wolf vor der Begegnung erwartet hatte.
Der HSV war darauf gut eingestellt. Bis eben zu jenem Moment, als Mangala vom Platz gestellt wurde. In einer Phase, in der die Hamburger Probleme hatten, sich zu befreien. Chancen erspielte sich Regensburg aber so gut wie keine. Sargis Adamyan, der bei der 0:5-Hinspielblamage des HSV im Volkspark einen Hattrick erzielte, war kaum zu sehen. Doch dann schlug der HSV-Schreck wieder zu. „Wir haben komplett den Faden verloren“, sagte Lasogga. Und nach dem zweiten Jahn-Tor durch Grüttner auch das Spiel.
Beckers mahnende Worte
Ralf Becker benötigte hinterher ein paar Minuten, um sich im Kabinentrakt zu sammeln. Als der Sportvorstand zu sich gefunden hatte, fand er deutliche Worte für den Auftritt seiner Mannschaft. „Manchmal hat man das Gefühl, dass der eine oder andere meint, es läuft schon. Aber so läuft es nicht“, sagte Becker. Damit meinte der 48-Jährige die immer wieder auftretenden Konzentrationsfehler. „Das müssen wir schleunigst abstellen. Wir müssen uns auswärts wieder anders präsentieren.“
In der Hinrunde war der HSV noch die beste Auswärtsmannschaft, hatte dagegen Probleme zu Hause. In der Rückrunde ist es genau andersherum. In zwei Heimspielen holte der HSV sechs Punkte, auswärts dagegen nur einen Zähler in vier Spielen. Die Spitze der Liga ist nun wieder enger zusammengerückt.
Aufstiegspanik?
Am Mittwoch können die Hamburger erstmals seit Anfang November die Tabellenführung verlieren, wenn der 1. FC Köln sein Nachholspiel bei Erzgebirge Aue gewinnt. Zudem warten auf den HSV mit St. Pauli, Bochum, Köln, Union Berlin und Paderborn noch richtig schwere Auswärtsaufgaben. Bekommt die Mannschaft Aufstiegspanik? „Panik nicht, aber Druck“, sagte Becker. „Wir müssen jetzt wieder liefern.“
Elf Spiele verbleiben noch. Macht der HSV so weiter, wie er es in der Rückrunde auswärts tut, droht er das große Ziel des Wiederaufstiegs zu verfehlen. Die gute Nachricht: Bis zum 19. Mai stehen noch sechs Heimspiele auf dem Programm. Allesamt gegen Mannschaften aus der unteren Tabellenhälfte. Den Anfang macht die Partie gegen Fürth am nächsten Montag. Die Augen von Hannes Wolf füllten sich wieder ein bisschen mit Leben, als er zum Abschluss seiner Analyse und des völlig verkorksten Sonntags sagte: „Wir wollen vor unseren Fans, in unserem Stadion, unbedingt wieder gewinnen.“