Hamburg. Auch 40 Tage nach der Mitgliederversammlung ist der neue AG-Aufsichtsrat noch immer nicht vollständig. Ein Blick hinter die Kulissen.

Manch einer mag sich vielleicht fragen, wie und wo eigentlich über die große und kleine Politik des HSV gesprochen wird. Gibt es ein geheimes Hinterzimmer, in dem über Investor Klaus-Michael Kühne und dessen Darlehen debattiert wird? Hat HSV-Präsident Marcell Jansen eine WhatsApp-Gruppe „Entscheider“ eingerichtet, in der Aufsichtsräte und Vorstände Vereinspolitikklatsch austauschen wie andere YouTube-Videos? Oder trifft man sich monatlich bei einem zünftigen Herrengedeck zum Rettet-den-HSV-Stammtisch?

Die ganze Wahrheit wird wahrscheinlich nie jemand herausbekommen. Zur halben Wahrheit gehört, dass es in dem Hinterzimmer, in dem sich HSV-Vorstand Bernd Hoffmann und Aufsichtsratschef Max-Arnold Köttgen am Sonntag getroffen haben, zwar kein Herrengedeck, aber immerhin eine sehr ansehnliche Großbildleinwand gegeben hat. Das passte auch deswegen ganz hervorragend, weil man so ganz nebenbei auch den Auftritt der HSV-Fußballer in Regensburg verfolgen konnte. Wohlgemerkt: verfolgen, nicht genießen.

Mindestens genauso mysteriös wie das „Wie?“ und das „Wo?“ sind in Bezug auf die HSV-Politik aber vor allem das „Warum?“ und das „Was?“. Warum dauert es so lange, bis man nach der Mitgliederversammlung vom 19. Januar endlich einen neuen und vor allem kompletten Aufsichtsrat präsentieren kann? Und was sind die unterschiedlichen Interessen, um die es in den Hinterzimmern – ob mit oder ohne Großbildleinwand – geht?

Warten auf eine Antwort der Handelskammer

Tatsächlich sind mit diesem Donnerstag bereits rekordverdächtige 40 Tage vergangen, seitdem einerseits Jansen auf der Mitgliederversammlung als Vereinspräsident gewählt wurde. Und seitdem andererseits lediglich ein sechsköpfiger Interims-Aufsichtsrat über das Wohl und Wehe des HSV entscheidet.

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Wie das Abendblatt erfuhr, wird sich an diesem Zustand in absehbarer Zeit auch nichts ändern. So wartet man derzeit noch immer auf eine Antwort durch die Handelskammer Hamburg. Diese, so heißt es, müsse den Antrag des HSV-Präsidiums durch die Eintragung in das Handelsregister bestätigen, dass zukünftig „der Präsident als Mitglied in den Aufsichtsrat der HSV Fußball AG entsendet“ werde.

Komplexe Situation

Die konkrete Folge: Der ursprünglich in der Hauptversammlung gewählte AG-Aufsichtsrat Jansen würde zurücktreten und im gleichen Moment als in der Mitgliederversammlung gewählte Vereinspräsident in das Kontrollgremium entsendet. Vizepräsident Thomas Schulz, ursprünglich für Jansen-Vorgänger Bernd Hoffmann in den Aufsichtsrat interimistisch gerückt, müsste sein Amt zunächst ruhen lassen.

HSV-Investor Klaus-Michael Kühne (r.) wünscht sich Marketingexperte Markus Frömming in den Aufsichtsrat.
HSV-Investor Klaus-Michael Kühne (r.) wünscht sich Marketingexperte Markus Frömming in den Aufsichtsrat. © Pressefoto Frömming/Witters

Doch keine Sorge, es wird noch komplizierter: Denn nun müsste das HSV-Präsidium (Jansen, Schulz und Moritz Schaefer) dem Beirat Kandidaten für den letzten freien Platz im Aufsichtsrat vorschlagen. Und obwohl der neue Beirat erst in der kommenden Woche bekannt gegeben wird, sind dem Fünfergremium nach Abendblatt-Informationen zwei Kandidaten vorgeschlagen worden: erneut Vizepräsident Schulz. Und Markus Frömming, ein Marketingexperte, den sich Investor Kühne als Vertrauensmann im Aufsichtsrat wünscht.

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    Und spätestens an dieser Stelle nähert man sich auch der Beantwortung der Frage, was denn die unterschiedlichen Interessen aus den Hinterzimmern sind. So ist es ein offenes Geheimnis, dass Frömming, geschäftsführender Gesellschafter der Hamburger Agentur Brands Alive, nur dann als Kühne-Vertrauensmann in den AG-Aufsichtsrat berufen werden soll, sofern sich der Investor mit dem HSV über das Namensrecht am Stadion und alle noch offenen Millionen-Darlehen einigt. Ein Deal, der innerhalb des HSV durchaus umstritten ist.

    Baldige Lösung ist nicht in Sicht

    So betont der frühere HSV-Vizepräsident Ralph Hartmann, der nach der verlorenen Wahl als Präsident trotzdem noch Ambitionen als Aufsichtsrat hegt („Ich würde mich in jedem Fall gerne weiterhin ehrenamtlich einbringen, wenn dies gewünscht und als sinnvoll erachtet wird. Das bezieht sich natürlich auch auf den Aufsichtsrat“), dass Frömming nicht der erste Kühne-Mann im Kontrollgremium wäre. „Mit Herrn Köttgen ist bereits die Position des Vorsitzenden des Aufsichtsrats mit einem sogenannten Kühne-Vertreter besetzt worden“, sagt Hartmann.

    Doch damit nicht genug: Denn anders als bislang immer angenommen, ist derzeit nicht angedacht, im Falle einer Kühne-Einigung den Aufsichtsrat durch die nächste Hauptversammlung auf sieben Mitglieder aufzustocken. Das wahrscheinliche Gedankenmodell: Sofern der Beirat zustimmt, rücken Schulz und Frömming in das Kontrollgremium, wodurch einer der bisherigen Räte (Köttgen, Andreas Peters, Felix Goedhart, Michael Krall) sein Amt zur Verfügung stellen müsste. Damit wäre der HSV e. V. doppelt im Sechsergremium vertreten – was erneut Hartmann auf den Plan ruft: „Ich bin der Meinung, dass dies nicht im Sinne der Satzung und damit der Mitglieder ist, denn hiernach ist lediglich vorgesehen, dass der Präsident den e.V. im Aufsichtsrat vertritt.“

    Eine baldige Lösung ist aber weder in Sicht noch erwünscht. Selbst wenn der HSV-Vorstand zur Klärung der Aufsichtsratsbesetzung umgehend eine Hauptversammlung einberiefe, sobald die Eintragung in das Handelsregister vorliegt, müsste man laut Satzung noch einmal 30 weitere Tage warten. Im Klartext: Die endgültige Besetzung des künftigen Aufsichtsrats steht frühestens im April fest. Viel Zeit also, um einerseits in Hinterzimmern mit Kühne an einer – derzeit mal wieder sehr wackeligen – Einigung im Millionenpoker zu feilen. Und um andererseits den HSV auf Großbildleinwand zu verfolgen.

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