Der 13. Trainer des HSV binnen zehn Jahren ist auch der jüngste. Wie tickt Wolf? Wer und was hat ihn geprägt? Eine Annäherung.

Es war irgendwo in den Wolken über dem hessischen Sachsenhausen, als für Zweitligatrainer Hannes Wolf die Bundesliga am vergangenen Wochenende plötzlich zum Greifen nah war. Der Flugkapitän der Maschine LH1175 aus Alicante hatte gerade die Wetterbedingungen am Zielflughafen Frankfurt durchgegeben, als er in mehr als 1000 Metern Höhe für „die HSV-Gäste an Bord“ auch noch einen besonderen Service anbot: die Bundesligaergebnisse vom Nachmittag. HSV-Trainer Wolf hörte nach dem einwöchigen Trainingslager in La Manga aufmerksam zu, verzog dabei keine Miene und schien sich kurze Zeit später eher darüber zu freuen, wieder gut und sicher gelandet zu sein.

„Die Bundesliga steht noch in den Sternen“, relativiert Wolf gern – und lag damit vor allem am vergangenen Wochenende gar nicht mal so falsch.

Am kommenden Mittwoch startet der HSV nun hochoffiziell das Projekt Wiederaufstieg mit dem Auftaktspiel gegen den SV Sandhausen. Projektleiter ist Hannes Wolf, der einen Tag nach dem Spiel gegen Sandhausen 100 Tage im Amt ist. Doch auch nach dreieinhalb Monaten beim HSV – für einen Hamburger Trainer eine halbe Ewigkeit – fragen sich viele noch immer: Wer ist eigentlich dieser Hannes Wolf?

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    Wolf fiel Becker bei der Nachwuchs-EM auf

    Es ist knapp fünf Jahre her, als sich auch Ralf Becker diese Frage stellte. Als Chefscout des VfB Stuttgart war der heutige Sportvorstand des HSV im Mai 2014 zur U-17-Europameisterschaft nach Malta geflogen, um die größten Talente Europas zu beobachten. Schon damals ging es bei kontinentalen Jugendmeisterschaften wie auf dem Basar zu. Die Szene traf sich und diskutierte die neueste „Ware“. Auf den Tribünen wimmelte es nur so von Sportdirektoren, Scouts und Beratern. Nur Trainer suchte man hier vergeblich. Normalerweise. „Hannes war damals U-17-Trainer von Borussia Dortmund – und so viele Jugendtrainer traf man bei diesen Turnieren nicht“, erinnert sich Becker noch gut an sein erstes Tête-à-Tête mit Wolf. „Viele Jugendtrainer sind stark auf ihre Mannschaft fokussiert, konzentrieren sich darauf, den einen oder anderen Jugendspieler zum Profi zu formen. Aber Hannes reichte das nicht.“

    Auf dem Trainingsplatz zeigt Trainer Wolf präzise, was er von den Spielern will. Der Gesichtsausdruck ist dabei indes nie verbissen.
    Auf dem Trainingsplatz zeigt Trainer Wolf präzise, was er von den Spielern will. Der Gesichtsausdruck ist dabei indes nie verbissen. © Witters/Montage: HA

    Becker sitzt in der Hotellobby des Las Lomas Village im spanischen La Manga und denkt angestrengt nach. „Hannes wollte sich nicht nur auf seinen Dortmunder Kosmos konzentrieren, sondern er wollte einen größeren Überblick bekommen.“

    Genau das war es auch, was Becker so imponierte – und weshalb er mit dem damals noch unbekannten Trainertalent Telefonnummern austauschte. „Hannes hat eine klare Vorstellung von Fußball. Die bringt er auch seinen Jungs rüber“, sagt Becker, der Wolf dreieinhalb Jahre nach ihrem ersten Treffen – erfolglos – zu Holstein Kiel lotsen wollte und ihn dann – erfolgreich – viereinhalb Jahre nach dem Kennenlernen zum HSV holte. „Hannes arbeitet gern mit jungen Spielern, die man entwickeln kann und denen er seine Vorstellung von Fußball rüberbringen will. Das heißt aber nicht, dass er jeden Laufweg vorgibt.“

    Heißt es nicht?

    Weggefährte kennt viele Geschichten über Wolf

    Im Dortmunder Süden, wo Wolf aufgewachsen ist, kennt man auch andere Geschichten. Zum Beispiel diese hier: Ein Champions-League-Abend vor zwölf Jahren, Manchester United gegen den AC Mailand, Halbfinalrückspiel. Ein echter TV-Fußballfeiertag. ManU hatte im Hinspiel mit 3:2 vorgelegt, aber Mailand sollte im Rückspiel 3:0 siegen – und später dann auch die Champions League gewinnen. Und Wolf? Der damalige Sportstudent der Ruhr-Universität Bochum schaute sich das Spiel mit Kumpels an, nahm die Partie auf DVD auf und analysierte nach dem Schlusspfiff bis tief in die Nacht, ob das vorentscheidende Tor zum 1:0 durch Kaká bereits nach elf Minuten nicht besser zu verteidigen gewesen wäre.

    Miguel Moreira muss lachen, als er von der Geschichte hört. Wahrscheinlich gibt es niemanden, der so viele Geschichten über Wolf kennt wie er. Moreira ist Wolfs ehemaliger Co-Trainer beim VfB Stuttgart und beim BVB. Er ist Wolfs bester Freund, früherer WG-Partner und einstiger Sturmpartner beim Amateurclub ASC 09 aus Dortmund-Aplerbeck. Und in dieser Woche ist er: Wolfs Dreitagebesucher in Hamburg.

    „Wir haben uns schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen“, sagt Moreira, der direkt am Anfang des Gesprächs etwas klarzustellen hat: Er sei nicht in Hamburg zu Besuch, weil er hier der neue Co-Trainer werden wolle. „Wir wollen ganz einfach eine gute Zeit zusammen haben, was essen gehen und ein echtes WG-Revival feiern.“

    "Wir haben uns selbstkritisch überprüft"

    In der Dortmunder Innenstadt haben die beiden Freunde, die sich bereits aus ihrer gemeinsamen Jugend bei Rot-Weiß Barop kennen, ein paar Jahre zusammen in einer Wohngemeinschaft gewohnt. „Wir brauchten keinen Koch- und keinen Putzplan“, sagt Moreira. „Der Hannes ist ein unkomplizierter Typ. Als Spielertrainer in Aplerbeck. Und genauso als Profitrainer. Ihm war immer wichtig, dass er sich durch das Geschäft nicht verändert. Wir haben uns auch selbstkritisch überprüft, ob wir in der Stuttgarter oder in der BVB-Zeit anders geworden sind.“

    Wenn man Wolfs ungewöhnlichen Karriereweg besser verstehen will, dann muss man sich vor allem über seine Zeit vor dem Profifußball erkundigen. Zum Beispiel bei der SG Eintracht Ergste, wo Wolf 2006 als Spielertrainer tätig war. Die erhoffte Profikarriere hatte der talentierte Offensivallrounder da schon wegen mehrerer Verletzungen und eines Schubs Pfeifferschen Drüsenfiebers abhaken müssen. So war er mit 23 Jahren Spielertrainer in der Kreisklasse B – als Heiner Brune auf ihn aufmerksam wurde. Der Vereinsvorsitzende vom ASC 09, damals Bezirksliga, hatte von diesem jungen Burschen gehört, der Tore wie am Fließband schießen und eigentlich viel zu gut für den Kreisklassenclub sein sollte. Als Brune den Fast-Profi schließlich eines Abends heimlich beim Training beobachten will, überrascht ihn nicht der Stürmer Wolf. Sondern der Trainer Wolf. „Es war unglaublich, was er für ein Training gemacht hat“, berichtet Brune später der „Stuttgarter Zeitung“. „Und das in der B-Klasse, wo es nur um eine Kiste Bier geht.“

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    Die große Stunde im schmucklosen Autohaus

    Der Rest dieser Episode ist schnell erzählt: Wolf wird mit 25 nicht nur die neue Sturmhoffnung von ASC, sondern vor allem der neue Spielertrainer. „Mit Hannes hat bei uns eine neue Zeitrechnung begonnen“, sagt Brune später.

    Eine Zeitrechnung, die sich irgendwann sogar bis zum großen BVB herumsprach. Das war am 22. Januar 2009. In einem schmucklosen Autohaus, das nur 600 Meter vom großen Signal-Iduna-Park entfernt liegt, findet an jenem Abend vor ziemlich genau zehn Jahren Dortmunds jährliche Sportgala statt. Und dieser Abend dürfte in Wolfs ewiger Tabelle seiner wichtigsten Abende uneinholbar auf Platz eins liegen. Grund Nummer eins: Wolf wird zum „Sportler des Jahres“ ausgezeichnet, sein Team zur „Mannschaft des Jahres“. Grund Nummer zwei: Wolf lernt die Handballerin Julia Kunze kennen, die Liebe seines Lebens, die später seine Ehefrau und die Mutter seiner beiden Töchter wird. Und Grund Nummer drei: Wolf lernt Jürgen Klopp kennen, den damaligen Trainer von Borussia Dortmund, Wolfs zweite Liebe seines Lebens.

    Klopp ließ sich Wolfs Nummer geben

    Den großen Erfolg des Abends kann man auch an zwei Handynummern festmachen: Die eine, die von Julia Kunze, bekommt Wolf. Die andere, die von Hannes Wolf, bekommt Jürgen Klopp. Es ist zwar nicht bekannt, wie lange Wolf brauchte, um sich nach der Gala bei Julia zu melden. Der heutige Liverpool-Coach Klopp jedenfalls brauchte gerade mal zwei Wochen, um beim damaligen Coach vom ASC 09 anzurufen. Und es funkte: beim späteren Ehepaar Wolf – und bei den späteren Trainerkollegen. Wolf wechselte tatsächlich kurze Zeit später in den BVB-Nachwuchs – und schaut fortan bei jeder möglichen Trainingseinheit der Profis Klopp über die Schulter. In einem normalen Märchen könnte man an dieser Stelle getrost ein „Happy End“ setzen.

    Jugend-Coach Hannes Wolf (r.) 2012 mit seinem Trainer-Idol Jürgen Klopp bei Borussia Dortmund.
    Jugend-Coach Hannes Wolf (r.) 2012 mit seinem Trainer-Idol Jürgen Klopp bei Borussia Dortmund. © Imago

    Doch in Wolfs Fußballmärchen war das nicht das Ende, sondern erst der Anfang. Natürlich wieder in Dortmund, diesmal im Stadtteil Brackel. Im Nachwuchsleistungszentrum der Borussia.

    Wer nun den Namen Hannes Wolf bei Wikipedia nachschlägt, der findet unter der Rubrik Trainer-Erfolge Beachtliches: Deutscher B-Jugendmeister 2014 und 2015, Deutscher A-Jugendmeister 2016. Dreimal in Folge Deutscher Jugendmeister, das hat kein Trainer jemals zuvor geschafft.

    Wolf ging parallel noch auf Torejagd

    Doch Wolf selbst kann der Wikipediasierung seiner Erfolge nicht viel abgewinnen. Spricht man ihn auf seine drei Dortmunder Nachwuchsmeisterschaften an, wird er nicht müde zu betonen, dass er vor seiner ersten Meisterschaft auch drei Jahre mit seiner Mannschaft Zeit gehabt habe. Es klingt fast zu banal, um wahr zu sein: Aber Wolf hat sich in Dortmund ganz einfach die Zeit genommen, sich Zeit zu nehmen. Er nutzt die Möglichkeit, von Klopp zu lernen. Später stehen ihm auch die Türen bei dessen Nachfolger Thomas Tuchel offen. Der heute 37-jährige Wolf saugt alles in sich auf, vergisst dabei aber auch nicht sich selbst.

    So ließ sich Wolf von Sportdirektor Michael Zorc zusichern, dass er an spielfreien Tagen auch weiterhin selbst noch auf Torejagd gehen durfte. 2014 etwa schoss er den VfL Kemminghausen mit zwei Toren in der Relegation gegen den SG Massen in die Bezirksliga. „Ich entspanne vom Fußball, indem ich Fußball spiele“, sagte der damalige BVB-U-17-Trainer. Er war anders als die anderen Jungtrainer, wollte aber partout nicht anders sein.

    Pulisic, Bruun Larsen und Mangala entdeckt

    Zurück in La Manga. „Hannes hatte eine der besten Jugendmannschaften in Deutschland. Aber er wollte wissen, wie gut seine Jungs im internationalen Vergleich sind. Das hat mich damals sehr beeindruckt“, sagt HSV-Sportchef Ralf Becker, der Wolf nach der U-17-Europameisterschaft in Malta immer wieder bei hochkarätigen Jugendturnieren über den Weg lief.

    Mittlerweile ist es kurz vor 20 Uhr. Beim Italiener Luigi ist es noch ruhig, als Wolf das Restaurant auf der weitläufigen Hotelanlage in La Manga betritt. Er grüßt freundlich, lächelt. Der HSV-Trainer bestellt sich ein Glas Rotwein und zählt wie aus der Pistole geschossen sämtliche internationalen Jugendturniere auf, bei denen er als BVB-Nachwuchscoach spionieren durfte. Es sei eine fantastische Zeit gewesen, sagt er. So habe er auch Dortmunds 64-Millionen-Euro-Mann Christian Pulisic oder den Dänen Jacob Bruun Larsen entdecken können. Und einen gewissen Orel Mangala.

    Mangala: "Ich weiß nicht, wie er es macht"

    „Das erste Mal habe ich Hannes Wolf 2015 getroffen“, sagt Mangala und lässt sich tief in seinen Sessel in der Lobby des Las Lomas Village sinken. „Er war bei der U-17-Weltmeisterschaft in Chile und hat da meine Spiele mit Belgien live vor Ort verfolgt. Welcher Jugendtrainer macht so etwas?“ Mangalas Frage ist eine rhetorische. Wenn es unter Spielern einen Hannes-Wolf-Fanclub gäbe, dann hätte Mangala gute Chancen, zum Präsidenten gewählt zu werden. Wolf holte Mangala nach Dortmund, er war sein erster Profitrainer in Stuttgart, und nun arbeiten beide in Hamburg zusammen. „Mir hat von Anfang an seine Art gefallen“, schwärmt der Belgier. „Hannes Wolf war selbst gerade mal 34 Jahre alt – und er wusste ganz genau, wie man mit jungen Spielern zu reden hatte. Ich weiß nicht, wie er es macht, aber er macht einen Spieler besser.“

    Kurz nach der U-17-WM in Chile lud Wolf den damals 17 Jahre alten Mangala nach Dortmund ein – und überzeugte ihn, erstmals seine Heimat Brüssel zu verlassen. „Hannes Wolf war mein wichtigster Trainer für meine bisherige Entwicklung“, sagt Mangala. „Er ist ein Perfektionist. Auf dem Trainingsplatz erwartet er, dass man jeden einzelnen Pass genau ausführt. Fußstellung, Druck, alles muss optimal sein. Jedes Detail.“

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    Der Anfang vom Ende im Sportstudio

    Doch immer perfekt wäre wohl zu perfekt, um wahr zu sein. 2016 holt der Bundesliga-Absteiger VfB Stuttgart den Trainerüberflieger, um mit ihm zurück in die Bundesliga aufzusteigen. Und zunächst geht auch alles nach Plan. Wolf darf mit einem ähnlich jungen Rudel wie nun in Hamburg das Projekt Wiederaufstieg angehen, wird Zweitligameister und schlägt als Aufsteiger im November die echte Liebe Borussia Dortmund. „Aber dann kamen ein paar Wochen, da hat der Fußball seine andere Seite gezeigt“, erinnert sich Wolf. Ein unglückliches Unentschieden in Hannover, eine knappe Niederlage in Bremen und ein verschossener Elfmeter in der 93. Minute gegen Bayern München. „Und dann reichen acht Wochen, um die ganze Sache kippen zu lassen“, sagt Wolf.

    Aufstieg mit dem VfB Stuttgart 2018: Trainer Hannes Wolf herzt Stürmer Takuma Asano.
    Aufstieg mit dem VfB Stuttgart 2018: Trainer Hannes Wolf herzt Stürmer Takuma Asano. © Witters

    Doch Wolfs Aus als Trainer wird nicht auf dem Platz, sondern im TV-Studio entschieden. Der 20. Januar vor ziemlich genau einem Jahr. Später Sonnabend, kurz vor Mitternacht. Wolf, Bluejeans, braunes Sakko, weißes Shirt, sitzt nichts ahnend im ZDF-„Sportstudio“, als ein Film von VfB-Chef Michael Reschke eingespielt wird. Dort sagt der Vorstand: „Wir müssen in der Woche über spielerische und taktische Alternativen sprechen.“ Ein Affront. Es ist der Anfang vom Ende. „Dieser Satz war nicht mehr einzufangen“, sagt Wolf später – und soll recht behalten. Eine Woche später wird er entlassen.

    „Mir war immer bewusst, dass das so passieren kann“, sagt Wolf. Er packt seine sieben Sachen – und zieht zurück nach Dortmund. Der Trainer a. D. pustet durch, nutzt die Zeit, bildet sich weiter. Er liest Bücher über Management, Persönlichkeitsentwicklung und Psychologie. Im Sommer besucht er Klopp und den FC Liverpool im Trainingslager am Genfer See, im Herbst schnürt er wieder selbst die Fußballschuhe. „In der Halle, bei Ergste, meinem alten Verein“, sagt Wolf. „Die haben eine dritte Mannschaft. Zweimal die Woche Training. Da geht es einfach nur um Fußball.“

    Der HSV rief im Griechenlandurlaub an

    Doch nur Fußball war Wolf irgendwann auch zu langweilig. Als sein alter Bekannter Becker ihn im Griechenlandurlaub anrief und ihm anbot, Nachfolger von Christian Titz beim HSV zu werden, soll Wolf nicht lange gezögert haben. Drei Wörter („Ich mach es“), dann war die Einigung perfekt.

    Etwas mehr als zwölf Wochen nach dem folgenreichen Telefonat steht Hannes Wolf auf dem gepflegten Trainingsplatz von La Manga und ist unzufrieden. Es ist kurz vor 11 Uhr. Am Platzrand haben sich ein paar mitgereiste HSV-Fans die Bänke so hingeschoben, dass sie direkt auf den Rasen gucken könnten. Allerdings sitzen sie mit dem Rücken zum Training. Es wird Bier getrunken. Viel Bier. Doch die trinkfesten Anhänger stören Wolf kein bisschen. Seine eigene Mannschaft stört. „Wir machen das jetzt so lange, bis es klappt“, ruft Wolf so laut, dass sich sogar die Hamburger Biercombo kurz umdreht.

    „Coach Wolf zeigt seine Zähne“, titelt die „Hamburger Morgenpost“ am nächsten Tag. Neun Journalisten aus Hamburg sind in Spanien dabei, zudem noch drei Dutzend Fans. Als das Training am Vormittag nach seinem Wutausbruch beendet ist, kommt Wolf lächelnd auf die Reporter zu. „Ich habe mitbekommen, dass ihr denkt, dass ich unzufrieden bin. Bin ich aber gar nicht. Ehrlich nicht. Anders als in Hamburg hört ihr hier nur jedes Wort. Aber glaubt mir mal, so bin ich eigentlich immer.“

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    Wolf verzichtet auf einen Medienberater

    Es gab Trainer – und die werden beim HSV auch immer noch bezahlt –, die nach so einem Vorfall den Aufenthaltsbereich der Journalisten und Fans eng mit Hütchen abgesteckt haben. Doch Wolf findet derartige Folklore eher lustig. Mittlerweile kennt er das Geschäft, er spielt es mit – aber er nimmt es nicht zu ernst.

    Anders als die meisten seiner unzähligen Vorgänger hat Wolf auch keinen eigenen Medienberater. Interviews lässt er den HSV-Pressesprecher Till Müller autorisieren, guckt lediglich noch einmal kurz drüber. Meistens hat er nur eine Änderung: Aus dem Wort „ich“ macht er gerne das Wort „wir“.

    Ein Treffen mit HSV-Legende Uwe Seeler gehört für jeden neuen Trainer, wie auch Hannes Wolf, dazu.
    Ein Treffen mit HSV-Legende Uwe Seeler gehört für jeden neuen Trainer, wie auch Hannes Wolf, dazu. © Witters

    Als der DFB ihn als Trainer des Jahres 2017 ausgezeichnet hatte, sagte er bei der Ehrung: „Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang aber auch, dass ein Trainer niemals allein erfolgreich sein kann. Das geht nur im Team.“

    Wenn man so will, dann ist sein Trainerteam beim HSV ein typisches Wolf-Team. Es ist komplett anders und völlig normal zugleich.

    Ungewöhnliche Übernahme der Co-Trainer

    Weil Kumpel Moreira nach dem kurzen Engagement in Stuttgart und der Geburt seines zweiten Kindes nicht erneut umziehen wollte, machte Wolf zu Beginn seiner HSV-Zeit das, was sonst kein Trainer macht: Er übernahm einfach die Co-Trainer des entlassenen Vorgängers Titz. „Das ist sicher nicht alltäglich“, sagt Assistent André Kilian, der genau wie Maik Goebbels mit Titz eng befreundet ist. „Das war eine besondere Situation, weil ich auch nicht damit gerechnet hatte. Natürlich war das zunächst ein bedrückendes Gefühl“, gibt Kilian offen zu. Doch das Experiment klappte: „Wir hatten von Anfang an eine gute gemeinsame Basis.“

    Es ist spät geworden. Während Kilian und Goebbels mit Cheftrainer Wolf eine Trainingseinheit noch nachbereiten, freut sich Moreira schon auf einen netten Abend mit seinem früheren WG-Partner. „Es wird wahrscheinlich ziemlich unspektakulär“, relativiert Moreira.

    Für das Spektakuläre hat Hannes Wolf in der Rückrunde ja auch noch genug Zeit. Sein ganz simpler Auftrag: die Bundesliga-Sterne vom Himmel zu holen.