Hamburg. Der HSV will erneut 17,5 Millionen Euro einsammeln. Der Unterschied zu 2012: Die Rahmendaten haben sich extrem verändert.
Der Montag nach der HSV-Mitgliederversammlung war hoch offiziell der deprimierendste Tag des Jahres. Das hatte aber weniger mit der Versammlung und den Ergebnissen zu tun als eher mit der Tatsache, dass gestern der sogenannte Blue Monday war. In Kurzform: Mithilfe einer Formel, die mit der Jahreszeit, dem Wetter und den guten Vorsätzen zu tun hat, wird jedes Jahr der Tag errechnet, an dem die Menschen angeblich die schlechteste Laune haben.
Nur im Fall von Bernd Hoffmann stimmte diese Berechnung so gar nicht. Der Clubchef konnte sich zwei Tage nach der Versammlung vor Gratulanten nicht retten. Grund Nummer eins: Hoffmann gilt als inoffizieller Gewinner der Versammlung. Nummer zwei: Der Clubchef hatte gestern Geburtstag. Und daraus folgend Grund Nummer drei: Es gab Zitronenkuchen.
Über sein Lieblingsgebäck hinaus formulierte der HSV-Chef bereits zwei Tage vor seinem 56. Ehrentag einen besonderen Geburtstagswunsch: „Wir wollen den Weg gemeinsam mit unseren Fans beschreiten“, sagte Hoffmann, als er zur neuen HSV-Anleihe befragt wurde. Start dieser Fananleihe ist im Februar, das geplante Emissionsvolumen liegt erneut bei 17,5 Millionen Euro. „Wir können schon jetzt so viel sagen, dass unsere Anleihe dank einer Verzinsung von sechs Prozent eine attraktive Investitionsmöglichkeit auch für Privatpersonen ist“, sagte Hoffmann. „Unsere Fans haben die Chance, aktiv die Zukunft des HSV zu stärken.“
Der größte Unterschied zur Jubiläumsanleihe
Also auf ein Neues. Bereits 2012 legte der HSV die sogennannte Jubiläumsanleihe auf, die ebenfalls einen Umfang von 17,5 Millionen Euro hatte. Damals wurde die Investitionsmöglichkeit den Fans schmackhaft gemacht, indem man den Anhängern im Wertpapierprospekt explizit versprach, dass durch die Millionen der neue HSV-Campus gebaut werden sollte. Ex-Vorstand Joachim Hilke sprach von „dem strategischen Schlüsselprojekt der Gegenwart“.
Im Nachhinein muss man sagen: Es war der wohl größte Betrug der jüngeren HSV-Vergangenheit. Statt für die HSV-Zukunft wurde das Geld zum Stopfen von Liquiditätslöchern benutzt, den Campus musste man sich nachträglich von Gönner Alexander Otto schenken lassen. Diesmal reden die HSV-Chefs dagegen gar nicht erst um den heißen Brei herum. „Die HSV-Anleihe dient zur Rückzahlung der Jubiläums-Anleihe“, sagte Finanzvorstand Frank Wettstein, und weiter: „Einziger Unterschied: Wir werden sie im Laufe der Jahre ablösen.“
So ganz stimmt diese Aussage allerdings nicht. Tatsächlich gibt es noch einen gewichtigeren Unterschied zwischen den Anleihen von 2012 und 2019: das Risiko. Vor sieben Jahren war der HSV ein gut aufgestellter Bundesligaclub, der noch zwei Jahre zuvor das Europa-League-Halbfinale erreicht und bis dahin fast ausschließlich schwarze Zahlen geschrieben hatte. Im Hier und Jetzt ist vom damaligen Branchengiganten nur noch die Hülle übrig.
Der HSV spielt mittlerweile in der Zweiten Liga, hat Finanzverbindlichkeiten von 85,4 Millionen Euro und zudem acht Jahre in Folge negative Jahresabschlüsse präsentiert. Der neunte mit einem zweistelligen Millionenminus soll laut Wettstein im laufenden Jahr dazukommen. Die Branchenzeitschrift „Finance“ kam deswegen zum Schluss, dass es kein gutes Zeichen sei, dass der finanziell angeschlagene Dino nun erneut seine Fans zur Kasse bittet, um umzuschulden.
Das rät ein Finanzexperte
Das sieht Fabian Kirchmann, Vorstand der IR.on AG, Beratungsgesellschaft für Investor Relations und Finanzkommunikation, anders. „Fananleihen sind ein probates Mittel zur Finanzierung von Profi-Sportvereinen. Wichtig ist, dass die Volumina und die Konditionen die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Clubs berücksichtigen und dass die Anleihe Teil eines soliden Finanzierungskonzepts ist, das im Einklang mit den sportlichen Zielen und Möglichkeiten des Clubs steht“, sagt der Finanzexperte, der auch Schalke 04 bei drei Anleiheemissionen beriet.
Bei der Bewertung der neuen HSV-Anleihe will Kirchmann allerdings noch ein wenig abwarten. „Zur Beurteilung der Risiken und der Angemessenheit der Verzinsung sollte man warten, bis der Wertpapierprospekt und die genauen Eckdaten der Anleiheemission verfügbar sind“, sagt er.
Aber: „Trotz des Abstiegs in die Zweite Liga, was natürlich die Ertragskraft des Clubs schwächt, haben sich die Attraktivität der Branche und deren Umsatzpotenziale weiter gesteigert. Und in der anhaltenden Niedrigzinsphase sind sechs Prozent Verzinsung attraktiv. Ob sie risikoadäquat sind, muss jeder Anleger nach Prüfung aller Konditionen der Anleiheemission für sich entscheiden.“
Hamburger Finanzexperte bewertet neue Anleihe kritisch
Ein wenig kritischer bewertet Sönke Niefünd, Leiter der Vermögensverwaltung der Hamburger Otto M. Schröder Bank AG, das Chancen-Risiko-Verhältnis der neuen HSV-Anleihe. Im Vergleich zur Jubiläumsanleihe hätten sich die Rahmendaten verschlechtert, daher müsste der Kupon der neuen Anleihe eigentlich höher sein, so Niefünd (lesen Sie hier das komplette Interview).
„Der deutlich über dem Kapitalmarktniveau angebotene Zinssatz verdeutlicht, dass bei dieser Anlage ein erhöhtes Risiko eingegangen wird“, sagt der Finanzexperte, der im Fall der neuen HSV-Anleihe eine klare Forderung hat: mehr Transparenz. „Die Geschäftszahlen müssten häufiger veröffentlicht werden, also in Form von Quartalszahlen. Zudem muss die Bilanz insgesamt transparenter werden. Eine Besicherung könnte auch helfen, damit Anleger gegen einen Totalverlust geschützt sind.“
Über dieses Worst-Case-Szenario kann man aber nur an einem Tag im Jahr philosophieren: am Blue Monday.