Kiel. Die Serie des neuen Trainers Hannes Wolf ist gerissen: Die Hamburger können die Kölner Steilvorlage nicht nutzen und verlieren 1:3.

Die Chance auf entspannte Weihnachten war lange nicht mehr so groß wie in diesem Jahr. Nach der Steilvorlage des 1. FC Köln, der am Freitag zu Hause gegen Bochum 2:3 verloren hatte, wollte der HSV seine Tabellenführung in der Zweiten Liga ausbauen und auf vier Punkte davonziehen. Doch es sollte alles anders kommen als geplant. Nach einer katastrophalen ersten Halbzeit ging die Mannschaft von Trainer Hannes Wolf mit 1:3 bei Holstein Kiel baden. Es ist ein herber Dämpfer kurz vor Weihnachten, von dem es sich in der 13-tägigen Pause nun zu erholen gilt.

Dann müssen die Verantwortlichen auch analysieren, wie es zu diesem schwachen Auftritt nach den so erfolgreichen Wochen mit 22 von 24 möglichen Punkten – der Bilanz vor diesem Spiel – kommen konnte. Vor allem die sonstigen Leistungsträger Douglas Santos, Orel Mangala und Aaron Hunt spielten in Kiel weit unter ihrer Normalform. Dennoch ändert diese Niederlage nichts an der Gesamtbilanz der ersten Zweitligasaison der Clubhistorie. Und die fällt positiv aus. Die Hamburger überwintern auf dem ersten Tabellenplatz und nehmen Kurs auf den direkten Wiederaufstieg.

Hunt lässt sich HSV-Bilanz nicht kaputt reden

"Viele Mannschaften würden gerne den Tabellenplatz mit uns tauschen. Die Niederlage wird uns nicht umhauen. Es ist nichts Dramatisches. Gegen Kiel kann man verlieren", stellte Kapitän Hunt unmittelbar nach dem Abpfiff bei Sky klar. "Es ist aber natürlich schade, dass wir hier so eine erste Halbzeit spielen."

HSV-Coach Wolf wurde in seiner Analyse deutlicher. "Wir haben verdient verloren, das ärgert uns massiv." Mit ein paar Minuten Abstand redete auch Hunt vor den Hamburger Medienvertretern Klartext. „Die erste Halbzeit war wahrscheinlich die schlechteste, seit der neue Trainer hier ist. Wir haben vieles vermissen lassen und eine große Chance verpasst, und abzusetzen.“

Denn der Vorsprung vor der Konkurrenz hätte mit einem Erfolg in Kiel noch größer ausfallen können. Von Beginn an wirkte es so, als wären die Hamburger mit ihren Gedanken gar nicht richtig auf dem Platz. "Wir waren nicht zu 100 Prozent da, haben unser Level heute nicht erreicht", räumte Wolf ein. Kiel setzte seinen berüchtigten Power-Fußball mit dem Anpfiff um – und stellte den HSV damit vor arge Probleme.

HSV verpennt die Anfangsphase komplett

Die Quittung folgte bereits nach sieben Minuten. Der bis zu diesem Spiel so starke Mangala ließ seinen Gegenspieler Schmidt nach einer Freistoßflanke frei zum Kopfball kommen. Torhüter Julian Pollersbeck parierte zunächst exzellent, gegen den Nachschuss von Janni Serra war er aber machtlos. 1:0 für Kiel durch den achten Saisontreffer des U-21-Nationalspielers. Bei keinem seiner bisherigen sieben Tore wurde es ihm so leicht gemacht wie an diesem Sonntag.

Auch nach diesem denkbar ungünstigen Start spielte weiterhin nur der Nordrivale aus Kiel. Nachdem zunächst der gebürtige Hamburger und nach einem Santos-Ausrutscher frei stehende Kingsley Schindler (15.) sowie David Kinsombi (16.) das 2:0 fast schon sträflich ausließen, zeigte letzterer nur wenige Minuten darauf keine Gnade mehr mit dem HSV. Die Defensive der Gäste half beim zweiten Gegentor allerdings kräftig mit. Schindler durfte im Strafraum unbedrängt flanken, Wahl lief van Drongelen im Rücken davon und legte per Kopf auf den zweiten Pfosten quer, wo Kinsombi nur noch die Fußspitze hinhalten musste (18.).

Kinsombi jubelt über das 2:0 von Holstein Kiel. HSV-Keeper Pollersbeck und Abwehrspieler Bates können es im Hintergrund nicht fassen. Der Kieler erzielte einen Doppelpack gegen schwache Hamburger.
Kinsombi jubelt über das 2:0 von Holstein Kiel. HSV-Keeper Pollersbeck und Abwehrspieler Bates können es im Hintergrund nicht fassen. Der Kieler erzielte einen Doppelpack gegen schwache Hamburger. © Cathrin Mueller/Bongarts/Getty Images

Damit war der Katastrophenstart perfekt. In den ersten 20 Minuten gewann Kiel 67,6 Prozent der Zweikämpfe. Und der HSV? Der gab das Zentrum komplett auf. Die Mittelfeldspieler Mangala und Holtby fanden keinen Zugriff zum Spiel. Spielmacher Hunt war gar nicht erst zu sehen. Unter den Profis machte sich Frust in Form von Schuldzuweisungen breit. An der Seitenlinie schüttelte Wolf, der seine erste Niederlage als HSV-Trainer kassierte, nur den Kopf. "Kiel war von Anfang an sehr wach und gierig. Wir sind nur langsam ins Spiel reingekommen", sagte Gotoku Sakai.

Jatta folgt Wehmeyer-Anweisungen

Erst nach einer knappen halben Stunde unternahmen die Hamburger einen ersten Versuch, um den Anschluss herzustellen. Rechtsverteidiger Sakai versuchte es aus der zweiten Reihe – harmlos! „Kiel war von der ersten Minute an wacher. Wir haben sorglos verteidigt“, fasste Clubmanager Bernd Wehmeyer in der Pause bei Sky die schwache erste Halbzeit zusammen. „Wir müssen eine ganze Menge drauflegen und brauchen ein schnelles Anschlusstor“, forderte er.

Gesagt, getan. Denn Bakery Jatta schien Wehmeyer besonders gut zugehört zu haben. Nach einem klasse Pass des bis dahin völlig indisponierten Santos spielte der Gambier sein Tempo aus und überwand Holstein-Keeper Kronholm mit einem Schuss in die kurze Ecke (48.). Der Anschluss war geschafft. Jubel wollte aber nur bei den mitgereisten HSV-Fans und nicht bei den Spielern auf dem Platz aufkommen. Zu schlecht war der erste Durchgang.

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Unmittelbar darauf wäre dem Tabellenführer beinahe der unverdiente, aber sicher gern genommene Ausgleich gelungen. Ein „Storch“ verlängerte Hunts Freistoßflanke ungewollt Richtung Tor und verfehlte dieses nur um gut einen Meter.

Lasogga gibt Comeback nach Verletzung

Auch wenn der HSV sichtbar besser aus der Kabine kam, blieb Kiel weiterhin gefährlich. Ein Freistoß von Mühling aus rund 20 Metern zischte noch knapp am rechten Pfosten vorbei. Kurz darauf klingelte es dann aber erneut im HSV-Gehäuse. Abwehrspieler Schmidt ließ Santos wie eine brasilianische Fahnenstange stehen und legte simpel quer in die Mitte, wo die komplette Hamburger Defensive schlief und Kinsombi mit seinem zweiten Streich vollstrecken ließ (53.).

Einzelkritik: Van Drongelen feierte wohl zu lange

Die schnelle Ernüchterung nach dem mühsam erkämpften Anschlusstreffer. Doch die Hamburger gingen die Partie jetzt mit einer größeren Entschlossenheit an. Ein Aufbäumen nach 55 schwachen Minuten – es sollte zu spät kommen. Denn mehr als ein Narey-Kracher übers Tor (61.) sowie zwei Versuche von Hunt (63. und 83.) brachte der Bundesliga-Absteiger nicht mehr zustande. Auch der eingewechselte Toptorjäger Pierre-Michel Lasogga sorgte bei seinem Comeback nach einem Muskelfaserriss nicht mehr für Torgefahr.

Und so geht der HSV mit einer Niederlage nach zwölf ungeschlagenen Spielen in die Winterpause. Die Bilanz gegen Nordclub Kiel liest sich verheerend: Zwei Spiele, zwei Pleiten – und das bei 1:6 Toren. Eine gute Nachricht findet sich unter dem Weihnachtsbaum der Hamburger zumindest wieder: Gegen Kiel muss der HSV in dieser Saison nicht mehr spielen.

Die Statistik

Kiel: Kiel: Kronholm - Dehm, Schmidt, Wahl, van den Bergh - Karazor - Mühling, Kinsombi (79. Thesker) - Lee (68. Honsak) - Schindler (90.+2 Sander), Serra. - Trainer: Walter

HSV: Pollersbeck - Sakai, Bates, van Drongelen, Santos - Mangala - Narey (77. Lasogga), Hunt, Holtby (68. Vagnoman), Jatta - Hwang (68. Wintzheimer). - Trainer: Wolf

Schiedsrichter: Robert Hartmann (Wangen)

Tore: 1:0 Serra (7.), 2:0 Kinsombi (18.), 2:1 Jatta (48.), 3:1 Kinsombi (53.)

Zuschauer: 10.073 (ausverkauft)

Gelbe Karten: Schindler (2) - Mangala (3)

Torschüsse: 13:18

Ecken: 8:5

Ballbesitz: 46:54 %