Aue/Hamburg. Beim 3:1 in Aue zeigen die Hamburger, dass sie einen Reifeprozess durchlebt haben. Trainer Wolf bleibt ungeschlagen – und bescheiden.

Am späten Sonntagabend hatte Hannes Wolf endlich Gelegenheit, ein bisschen abzuschalten. Die Trainertagung der Deutschen Fußball Liga in Frankfurt hatte er überstanden, auch die ersten zweieinhalb Wochen als HSV-Trainer mit vier Pflichtspielen liegen nun hinter ihm. Zeit, mal ein erstes kleines Fazit seiner bisherigen 19 Tage in seinem neuen Job zu ziehen. „Insgesamt bin ich mit den ersten Wochen beim HSV zufrieden. Das waren vier schöne Spiele“, sagte Wolf nach dem 3:1-Sieg beim FC Erzgebirge Aue, dem vierten Erfolg im vierten Pflichtspiel unter seiner Regie. Kein HSV-Trainer vor ihm schaffte mehr.

Doch Wolf wäre nicht Wolf, wenn er damit ein Gefühl der Zufriedenheit hätte vermitteln wollen. „Natürlich war das ein guter Start. Darüber freuen wir uns. Das heißt aber nicht, dass wir uns jetzt zurücklehnen und tagelang feiern“, sagte der Trainer, der nun mit einer makellosen Bilanz die anstehende Länderspielpause bis zur nächsten Partie gegen Union Berlin am 26. November verbringen kann.

Reifeprüfung bestanden

Was den Hamburger Cheftrainer trotz aller Zurückhaltung und Bodenhaftung besonders gefreut haben dürfte: Seine Mannschaft spielte in Aue so reif wie noch nie in dieser Saison. Fünf Tage nach dem euphorischen Sieg im Topspiel gegen den 1. FC Köln bestand der HSV die als Reifeprüfung ausgemachte Aufgabe in Aue auf bemerkenswert souveräne Art und Weise. „Wir haben heute in größten Teilen sehr erwachsen gespielt und das schwere Spiel angenommen“, sagte Vizekapitän Lewis Holtby. „Das war ein sehr wichtiger Sieg an einem schwierigen Ort.“

Anders als unter Christian Titz scheint der HSV unter Wolf die großen Ausschläge hinter sich gelassen zu haben. Spielte die Mannschaft zum Ligastart gegen Holstein Kiel (0:3) noch zu euphorisch-riskant, gegen Regensburg (0:5) zu naiv oder gegen Bochum und St. Pauli (jeweils 0:0) zu mutlos, ist es dem neuen Trainer gelungen, innerhalb kurzer Zeit die Balance herzustellen.

Im ausverkauften Erzgebirgsstadion spielten die Hamburger vor 16.000 Zuschauern von Beginn an mit einer gefestigten Statik, aus der sie fußballerische Lösungen entwickelten. So wie beim 1:0, als der HSV über vier schnelle Stationen das gesamte Spielfeld überbrückte und Pierre-Michel Lasogga die Vorlage von Khaled Narey nur noch über die Linie drücken musste (21.).

Sehenswerter Schuss aus der Distanz

Anders als zu früheren Zeiten ließ sich der HSV auch durch den schnellen Ausgleich von Clemens Fandrich (23.) nicht von seiner Linie abbringen. Die Wolf-Elf konnte die aufkommende Hektik schnell beruhigen. „Wir sind cool geblieben“, sagte Narey, der das beste Beispiel dafür war, wie man sich von einem Rückschlag nicht erschüttern lässt. Der 24-Jährige vollbrachte das Kunststück, nach einem Lasogga-Kopfball den Ball einen Meter vor dem Tor 180 Grad in die verkehrte Richtung zu befördern (40.). Als der Fehlschütze seinen Fauxpas hinterher am Monitor sah, konnte er es selbst kaum glauben.

Doch statt als Unglücksrabe über sein Missgeschick zu sprechen, konnte sich Narey hinterher in der Rolle als Matchwinner über einen Sieg und ein schönes Tor freuen. In der 63. Minute hatte er einen Fehler der Auer im Spielaufbau ausgenutzt und aus der Distanz sehenswert zum wichtigen 2:1 getroffen. „Zum Glück habe ich noch ein Tor gemacht. Dann kann man die Szene auch besser vergessen“, sagte Narey.

Nachdem Bakery Jatta fünf Minuten später das 3:1 erzielt hatte, spielte der HSV die Partie souverän zu Ende und hätte mit einem besseren Konterspiel noch höher gewinnen können. Gegen die letztlich limitierten Gastgeber reichte aber eine konzentrierte Abwehrarbeit. „Die Stabilität, die wir uns seit dem Regensburg-Spiel erarbeitet haben, ist die Basis“, sagte Holtby. Nun schafft es der HSV auch wieder, das Offensivpotenzial gewinnbringend einzusetzen. „Wir wissen, dass wir mit unserer Gewalt vorne immer ein Tor machen können“, so Holtby.

Angesprochen dürfte sich vor allem Lasogga fühlen. Der Stürmer traf im vierten Wolf-Spiel zum vierten Mal und hat damit großen Anteil an der erfolgreichen Verteidigung der Tabellenführung. „Jetzt wollen wir auch bis zum Ende da bleiben“, frohlockte der Torjäger. Sportvorstand Ralf Becker formulierte es zum Ende des Wochenendes bei NDR 90,3 deutlich hanseatischer. „Gefeiert wird, wenn es etwas zu feiern gibt.“ Worte, aus denen man interpretieren könnte, dass der HSV tatsächlich auf dem Weg ist, erwachsen zu werden.