Neuer Trainer unterschreibt bis 2020. Ralf Becker erklärt Christian Titz' Entlassung und nimmt sich Fiete Arp zur Brust.

Torkrise und zu wenig Punkte aus den ersten zehn Zweitligaspielen: Der HSV hat sich am Dienstag von Trainer Christian Titz getrennt. Das gab der Verein am Mittag bekannt. Nachfolger wird Hannes Wolf, der zuletzt den VfB Stuttgart betreute. Der 37-Jährige wurde am Nachmittag im Volkspark vorgestellt.

"Nach dem letzten Spiel ist mir eines klar geworden: Wir mussten jetzt eine Entscheidung treffen, wie es weitergehen soll. Und diese haben wir dann gestern getroffen", sagte Sportvorstand Ralf Becker bei einer Pressekonferenz. Ihm sei klar, dass er mit der Freistellung des Fanlieblings Titz "keinen Beliebtheitspreis" einheimse. Aber er sei überzeugt, dass in der bisherigen Konstellation die Saisonziele gefährdet seien. Deshalb sei er am Montag bei Vorstandschef Bernd Hoffmann vorstellig geworden und habe ihm vorgeschlagen, sich von Titz zu trennen.

Der 47-Jährige wurde am Dienstagvormittag von Hoffmann und Becker über die Entscheidung informiert. Titz habe sie "absolut professionell" aufgenommen, sagte Becker: "Es gab da nichts Böses im Umgang."

Hannes Wolf unterschreibt Vertrag bis 2020

Titz' Nachfolger Wolf erhält einen Vertrag bis 2020. Er übernimmt Titz' bisherige Assistenten: "Ich bin überzeugt, dass wir schnell eine gemeinsame Ebene finden." Er wolle bei der Mannschaft darum werben, sich auf die neue Situation einzulassen und mit ihm den Weg zu gehen.

Wolf hatte bei seiner ersten Profistation den in die Zweite Liga abgestiegenen VfB Stuttgart 2017 wieder in die Bundesliga geführt. Im vergangenen Januar wurde er beurlaubt. Trotz der Trennung wurde Wolf vom Deutschen Fußball-Bund im März als „Trainer des Jahres“ ausgezeichnet. Damit wurde vor allem seine Arbeit im Nachwuchsbereich gewürdigt.

Das ist der neue HSV-Trainer Hannes Wolf

Geboren

15. April 1981 in Bochum

Trainerstationen

Co-Trainer Borussia Dortmund II (07/2009–06/2010)U19 Borussia Dortmund (07/2010–02/2011)Borussia Dortmund II (02/2011–06/2011)U17 Borussia Dortmund (07/2011–06/2015)U19 Borussia Dortmund (07/2015–09/2016)VfB Stuttgart (09/2016–01/2018)

Erfolge

Bundesliga-Aufstieg mit dem VfB Stuttgart 2017Deutscher U-17-Meister 2014 und 2015Deutscher U-19-Meister 2016

Auszeichnung

DFB-Trainer des Jahres 2017

1/4

Wolf sei für ihn stets ein "Topkandidat für den HSV" gewesen, sagte Becker: "Er ist eines der größten Trainertalente in Deutschland und weiß, wie man aufsteigt." Zudem stehe er mit seinen Erfolgen im Jugendbereich von Borussia Dortmund für den Weg des HSV.

Wolf erklärt Aufstiegstugenden

Wolf wird am Mittwochvormittag erstmals das Training leiten. Sein Debüt als HSV-Trainer folgt bereits am Freitag im Spiel beim Aufsteiger 1. FC Magdeburg (18.30 Uhr/Sky). Worauf es im Kampf um den Aufstieg ankommt, davon hat Wolf eine klare Vorstellung: "Die Zweite Liga hat eine unglaubliche Intensität. Du schaffst es nur, wenn du das zu 100 Prozent annimmst und in jedem Training lebst."

Der HSV weist als Tabellenfünfter zwar nur zwei Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Köln auf und nur einen auf den zweiten Aufstiegsplatz, doch ist die Nervosität nach den vielen torlosen Spielen beim Absteiger offenbar weiter gewachsen. Weder der zu Saisonbeginn starke Joker Pierre-Michel Lasogga noch Jung-Star Fiete Arp (18) trafen. Zum zuletzt trostlosen 0:0 gegen den VfL Bochum kam am Montagabend noch hinzu, dass selbst der in der Zweiten Liga nicht gerade als Aufstiegsfavorit gehandelte FC St. Pauli (1:0-Sieg in Duisburg) am HSV vorbeizog.

"Wir sind angesichts der Spielweise mit den 18 Punkten gut bedient", sagte Becker. Ziel müsse sein, die Leistung zu stabilisieren: "Ich will das Grundgefühl haben, dass wir auf dem richtigen Weg sind und sich hier etwas entwickelt."

Titz, der eine starke Lobby in der Mannschaft hat und Talent Arp sowie Lewis Holtby und andere Führungsspieler hinter sich weiß, hatte offenbar das Vertrauen von Sportvorstand Becker und Hoffmann verloren. Seine Amtszeit währte nur 226 Tage.

Titz-Rauswurf weitere Personalrochade von Hoffmann

Hoffmann, der sich vom Aufsichtsrat selbst auf den Chefposten hatte hieven lassen, hat mit der Titz-Entlassung personell alles einmal auf links gedreht. Er hatte den früheren Vorstandsvorsitzenden Heribert Bruchhagen, Sportchef Jens Todt, Nachwuchschef Bernhard Peters und nun auch Titz aus dem Amt gehoben.

Titz war im März vom Nachwuchstrainer zum Chefcoach befördert worden. Trotz eines starken Schlussspurts hatte er den erstmaligen Abstieg aus der Bundesliga nicht verhindern können. Mit einer stark veränderten Mannschaft strebt der HSV den sofortigen Wiederaufstieg an. Doch vor allem in den Heimspielen enttäuschten die Rothosen zuletzt und rutschten auf den fünften Tabellenplatz ab. Titz geriet in den vergangenen Wochen mehr und mehr in die Kritik.

Supporters-Chef spottet über HSV-Vorstand

Zuletzt äußerten die früheren Trainer Felix Magath und Joe Zinnbauer öffentlich Zweifel an der Spielweise des HSV. Titz selbst nahm sie noch am Montag gegen die Kritik in Schutz: Sein am Ballbesitz orientierter Spielstil mit einem offensiven Torwart werde sich "auf lange Sicht durchsetzen". Diese Zeit bekam er aber nicht mehr.

Auch in den Hamburger Medien hatte es massive Kritik an Titz gegeben. Bei vielen Fans genoss der Trainer ("Big Titz") allerdings weiterhin Vertrauen und Wertschätzung – was sich auch daran erkennen ließ, dass im Volksparkstadion trotz der dürftigen Leistungen nur vereinzelt Pfiffe zu hören waren. Timo Horn, Chef der HSV Supporters, spottete bei Twitter über die Entscheidung der HSV-Führung.

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Viele Anhänger verknüpften mit Titz bis zuletzt die Hoffnung auf einen besseren, attraktiveren HSV-Fußball, wie es ihn am Volkspark seit Jahren nicht mehr gegeben hat. Diese Hoffnung erhielt zuletzt allerdings keine Nahrung mehr, auch die Siege kamen nicht mehr überzeugend zustande. Offenbar hatten die gegnerischen Mannschaften sich inzwischen auf die Spielweise eingestellt. Tiefpunkt war die 0:5-Heimniederlage vor genau einem Monat gegen Regensburg.

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Umfrage zur Entlassung von HSV-Trainer Christian Titz

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    Becker nimmt sich Arp zur Brust

    So reagierte Fiete Arp zuerst auf die Entlassung seines Förderers Christian Titz
    So reagierte Fiete Arp zuerst auf die Entlassung seines Förderers Christian Titz © Instagram/Fiete Arp

    Auch die Spieler scheint die Entlassung von Christian Titz überrascht und durchaus verärgert zu haben. Das legt zumindest der Kommentar nahe, den Fiete Arp bei Instagram hinterlassen, inzwischen aber wieder entfernt hat. In einer zweiten sogenannten Instagram-Story erklärte Arp wenig später, wie die erste zu verstehen sei: "Da es anscheinend manche schon wieder nicht begreifen und ein Riesenfass aufmachen wollen: Das war an keinen anderen gerichtet als Christian Titz." Er habe damit keine Entscheidung kommentieren oder kritisieren wollen, sondern nur seine Gefühle über das Ende der Zusammenarbeit zum Ausdruck gebracht.

    Allerdings gehört offenbar auch Sportvorstand Becker zu jenen, die die erste Nachricht nicht begreifen wollten. "Fiete ist ein junger Mann, aber so eine Meinungsäußerung geht natürlich nicht", sagte Becker. Man werde diese Sache intern besprechen.

    Titz hatte Arp (18) und andere Jungprofis schon im Nachwuchsbereich erfolgreich betreut. Erst vergangene Woche hatte der Trainer seinen vielleicht wichtigsten Fürsprecher beim HSV verloren, als sich der Club von Nachwuchschef Peters trennte.

    19. HSV-Trainer binnen zehn Jahren

    Wolf ist innerhalb nur eines Jahrzehnts bereits der 19. Coach des HSV. Nur Wolfs früherer Club VfB Stuttgart und Arminia Bielefeld haben in diesem Zeitraum so viele Trainer verschlissen. Vier davon erhalten aktuell vom HSV ein Gehalt.

    Die HSV-Trainer der vergangenen zehn Jahre

    1. Huub Stevens

    2. Februar 2007 bis 30. Juni 2008

    2. Martin Jol

    1. Juli 2008 bis 26. Mai 2009

    3. Bruno Labbadia

    1. Juli 2009 bis 26. April 2010

    4. Ricardo Moniz

    26. April 2010 bis 23. Mai 2010

    5. Armin Veh

    24. Mai 2010 bis 13. März 2011

    6. Michael Oenning

    13. März 2011 bis 19. September 2011

    7. Rodolfo Cardoso

    19. September 2011 bis 10. Oktober 2011

    8. Frank Arnesen

    10. Oktober 2011 bis 16. Oktober 2011

    9. Thorsten Fink

    17. Oktober 2011 bis 17. September 2013

    10. Rodolfo Cardoso

    17. September 2013 bis 24. September 2013

    11. Bert van Marwijk

    25. September 2013 bis 15. Februar 2014

    12. Mirko Slomka

    16. Februar 2014 bis 15. September 2014

    13. Joe Zinnbauer

    16. September 2014 bis 22. März 2015

    14. Peter Knäbel

    23. März 2015 bis 14. April 2015

    15. Bruno Labbadia

    15. April 2015 bis 25. September 2016

    16. Markus Gisdol

    25. September 2016 bis 21. Januar 2018

    17. Bernd Hollerbach

    22. Januar bis 12. März 2018

    18. Christian Titz

    12. März bis 23. Oktober 2018

    19. Hannes Wolf

    23. Oktober 2018 bis 17. Mai 2019

    20. Dieter Hecking

    29. Mai 2019 bis 30. Juni 2020

    21. Daniel Thioune

    6. Juli 2020 bis 3. Mai 2021

    22. Horst Hrubesch

    3. bis 23. Mai 2021

    23. Tim Walter

    25. Mai 2021 zunächst bis 30. Juni 2023

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    Der letzte Trainer, der nacheinander in mehr als 100 Pflichtspielen des HSV an der Seitenlinie stand, war Thomas Doll, wie die Statistiker von Opta Deutschland errechnet haben. Der frühere Starspieler war von Oktober 2004 bis Februar 2007 für die Profis verantwortlich.

    Wolf ("Hier hört sich das Willkommen ja fast wie eine Drohung an") schreckt das nicht: "Das Feuer ist zu 100 Prozent da. Meine Motivation, wieder einzusteigen, war riesengroß. Der HSV ist natürlich eine Riesenherausforderung, aber ich stelle mich ihr gern."