Hamburg. Nach der Trennung vom Nachwuchschef verzichtet Sportvorstand Becker auf eine Nachfolgelösung. Die neuen Hierarchien.
Die wichtigsten Trainer des HSV waren am Dienstagnachmittag bei den Profis vereint. U-17-Trainer Pit Reimers unterstützte Chefcoach Christian Titz. U-21-Trainer Steffen Weiß schaute auf dem Platz vorbei. Und auch U-19-Trainer Daniel Petrowsky verfolgte die Einheit. Nur ihr gemeinsamer Förderer fehlte: Bernhard Peters, der Direktor Sport und Nachwuchschef, hatte sich einen Tag zuvor mit dem Vorstand des HSV auf eine Vertragsauflösung geeinigt. Nach vier Jahren ist das Kapitel Peters beim HSV beendet.
Wer am Tag danach die Frage diskutierte, welche Verdienste der streitbare Funktionär im Volkspark hinterlassen hat, konnte die Antwort am Nachmittags auf dem Trainingsplatz finden. Vier Trainer, die Peters in seinen vier Jahren maßgeblich ausgebildet hat und die wiederum dazu beigetragen haben, dass der HSV in Fußball-Deutschland wieder mit einer erfolgreichen Nachwuchsarbeit verbunden wurde. Und die heute in einem Nachwuchsleistungszentrum arbeiten, das der 58-Jährige nach seinem Amtsantritt 2014 umplante und dafür sorgte, dass der HSV-Campus ein Ort für Fußball-Entwicklung anstelle von Fußball-Marketing wurde.
Becker sieht den HSV gut aufgestellt
Welche Erfolge darüber hinaus in der HSV-Jugend auf die Arbeit des früheren Hockey-Bundestrainers zurückzuführen sind, darüber gibt es auch innerhalb des Clubs geteilte Meinungen. Wie aber geht es jetzt weiter im Nachwuchs des Hamburger Zweitligisten? Klar ist schon jetzt: Die Position von Peters wird es beim HSV in dieser Form nicht mehr geben. Der ehemalige Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer hatte Peters 2014 nach der Ausgliederung eingestellt, um Entwicklungsprozesse beim HSV anzuschieben und einheitliche und übergeordnete Leitlinien und Strukturen im Nachwuchs zu schaffen.
Die Gesamtverantwortung für den HSV-Nachwuchs trägt seit diesem Sommer der neue Sportvorstand Ralf Becker. In der Hierarchie unter ihm ist Dieter Gudel als Leiter des Nachwuchsleistungszentrums verantwortlich für alle finanziellen und organisatorischen Fragen. Eine Ebene tiefer sind Sebastian Harms (U 16 bis U 19), Florian Graudegus (U 12 bis U 15), Lukas Rösel (Grundlagenbereich) sowie Benjamin Scherner (Nachwuchschefscout) für die sportlichen Belange der HSV-Jugend zuständig. Damit sieht Sportvorstand Becker den Club gut aufgestellt.
Letzter großer Transfererlös vor drei Jahren
Wie es perspektivisch mit dem Budget für den Nachwuchs aussieht, hängt auch davon ab, ob dem HSV der direkte Wiederaufstieg in die Bundesliga gelingt. Mit einem Etat von mehr als acht Millionen Euro pro Jahr gehört der Zweitligist noch immer zur Spitzengruppe aller Bundesligisten. Zum Vergleich: vor Beiersdorfer und Peters lag der Jahresetat im Nachwuchs zwischen vier und fünf Millionen Euro.
Den letzten großen Transfererlös mit einem Eigengewächs erzielte der HSV mit Jonathan Tah (2015 für 7,5 Millionen Euro zu Bayer Leverkusen) vor drei Jahren. Trotzdem wollte Peters in diesem Sommer die Investitionen noch einmal erhöhen. Vorstand Ralf Becker lehnte ab. Spätestens seitdem ging zwischen den beiden gar nichts mehr. Zuvor hatte Peters bereits die Anordnung Beckers ignoriert, sein Büro von der Geschäftsstelle in den Nachwuchs zu verlegen.
Peters schickt seine Anwälte vor
Bereits im Mai hatte Peters mit einem Abendblatt-Interview einen clubinternen Machtkampf angezettelt, indem er sich selbst als Kandidaten für den Posten des Sportvorstands ins Spiel brachte. Nach dem Aus von Clubchef Heribert Bruchhagen, Sportchef Jens Todt und Trainer Bernd Hollerbach versuchte Peters, den Aufschwung unter dem von ihm geförderten Trainer Christian Titz für die eigene Position zu nutzen. Ein Vorstoß, mit dem sich Peters selbst ins Abseits manövrierte.
„Ich bedauere die Trennung, weil ich sehr gern für den HSV gearbeitet habe“, ließ sich Peters in einer vom Club und seinen Anwälten verfassten Mitteilung zitieren. Für das Abendblatt war Peters am Dienstag nicht erreichbar. Hätte er seine Worte selbst gewählt, dürften die Aussagen in jedem Fall deutlicher ausgefallen sein.