Hamburg. Der Sportchef sieht bei Heimspielen einen Riesenvorteil – doch der HSV rätselt über die Torflaute im Volkspark.
Die Partie war erst wenige Minuten vorbei, da suchte Lewis Holtby nach Lösungsansätzen. 0:0 hatte der HSV soeben gegen den VfL Bochum gespielt. Es war das dritte Heimspiel in Folge ohne eigenes Tor. Erneut hatten es die Hamburger nicht geschafft, einen kompakten Gegner so zu bespielen, dass die nötige Torgefahr erzeugt wird. Doch so richtige Lösungswege fielen dem Vizekapitän nicht ein. „Bin ich Psychologe?“, fragte Holtby in die Runde.
Es wäre auch verwunderlich, wenn Holtby wenige Minuten nach dem Spiel die Lösungswege erklärt hätte, die seine Mannschaft in den 90 Minuten zuvor nicht gefunden hatte. 18:11 Torschüsse hatte die Statistik für den HSV ausgewiesen. An eine hundertprozentige Chance konnte sich hinterher aber niemand erinnern. Was daran lag, dass es auch keine gab. Bereits im vierten von sechs Heimspielen blieb der HSV torlos.
Titz kämpft gegen Chancenarmut an
In der Tabelle rutschte der Bundesliga-Absteiger auf den vierten Rang und könnte heute noch vom FC St. Pauli überholt werden. Sportvorstand Ralf Becker macht sich Sorgen. „Ohne Heimstärke werden wir unser Ziel nicht erreichen“, sagte Becker am Sonntagnachmittag nach der erneuten Nullnummer vor 51.953 Zuschauern.
Dabei hatte Trainer Christian Titz in der Länderspielpause daran gearbeitet, die Schwäche im Offensivspiel zu lösen. Mit Tatsuya Ito, Khaled Narey und Hee-chan Hwang stellte er eine Sturmreihe auf, die Tempo und Tiefenlaufwege versprach. Und tatsächlich begann der HSV gegen Bochum druckvoll, ohne aber zwingend zum Abschluss zu kommen. Die besten Chancen im ersten Durchgang besaß der VfL. Lukas Hinterseer scheiterte zweimal knapp (28./29.).
Kommentar: Wieder torlos: So laufen die HSV-Fans weg
Der HSV dagegen versuchte es immer wieder aus der Distanz. Auch in der zweiten Halbzeit wurden die Hamburger nur mit Fernschüssen gefährlich, während Bochums Robbie Kruse nach einem Schnittstellenpass des früheren HSV-Profis Robert Tesche eine Großchance vergab (48.). Der HSV fand keine Lücken, auch nicht nach der Einwechslung von Stürmer Pierre-Michel Lasogga. „Wir tun uns schwer, Woche für Woche das Bollwerk aufzubrechen“, sagte Kapitän Aaron Hunt.
Sportchef Becker lobt die HSV-Fans
Dass der HSV mit dem Potenzial seines Angriffs im eigenen Stadion keine klaren Torchancen herausspielt, sollte zu denken geben. Alleine die Offensivabteilung des HSV verfügt über einen höheren Gesamtmarktwert als manch ein Verein in der Zweiten Liga für die gesamte Mannschaft. Auch Trainer Titz tut sich mit Erklärungen schwer: „Was uns fehlt, ist mal ein frühes Tor. Das würde es uns einfacher machen.“
Auch ein spätes Tor würde dem HSV durchaus gut tun. „Wir müssen uns etwas einfallen lassen, um unsere Heimspiele anders zu gestalten“, sagte Sportchef Becker. Der 48-Jährige sieht nicht nur das große Ziel Aufstieg in Gefahr, sondern auch den Zuspruch der Zuschauer: „Wir hatten heute wieder mehr als 50.000 Zuschauer da, die uns super unterstützt haben. Die sind wahnsinnig geduldig und haben bis zum Schluss alles gegeben. Irgendwann müssen wir den Bock umstoßen“, so Becker.
Eine passende Möglichkeit dafür wären die Geißböcke aus Köln. Der Spitzenreiter kommt in zwei Wochen zum Topspiel in den Volkspark. Möglicherweise tut sich der HSV gegen die offensivstarken Kölner leichter, Räume zu finden, um Torchancen zu erzwingen. So wie es auch auswärts besser klappt. Im Volkspark haben sich die Mannschaften darauf eingestellt, dem HSV das Spiel zu überlassen. Der Fan will, dass wir jeden Ball nach vorne spielen und Powerfußball zeigen“, sagte Stürmer Narey. „Das wollen wir auch, aber es ist nicht einfach, die Gegner zu bespielen, die es defensiv gut machen.“
Becker: Müssen unseren Riesenvorteil nutzen
Die Sehnsucht nach einem Heimsieg und vor allem einem Heimtor wächst beim HSV von Woche zu Woche. Den letzten Torjubel im Volkspark gab es am fünften Spieltag gegen Heidenheim. „Natürlich wollen wir alle mal wieder die Tormusik hören“, sagte Torhüter Julian Pollersbeck. Zumindest gab es erneut auch keine Tore der Gegner durchzusagen. Gegen Bochum spielte der HSV zum sechsten Mal in dieser Saison zu null – so häufig wie keine andere Mannschaft in der Zweiten Liga. Die Innenverteidiger David Bates und Rick van Drongelen haben sich gefunden.
Einzelkritik: Nur Jatta brachte etwas Schwung
Jetzt ist es für den HSV an der Zeit, sich auch offensiv zu finden – insbesondere in den Heimspielen. Das fordert auch der Sportvorstand. „Wir haben mit unseren Heimspielen einen Riesenvorteil gegenüber anderen Clubs. Da müssen wir auch mal mit dem Siegen anfangen, um die Fans weiter mitzunehmen.“
Auch Holtby hofft, dass die Zuschauer sich nicht abwenden. „Natürlich tun mir die Fans leid. Aber es geht weiter.“ Am Ende fand der Hobby-Psychologe schließlich auch noch einen einfachen Lösungsansatz. „Wir müssen die Schüsse wieder auf das Tor kriegen, dann machen wir auch wieder Tore. Fertig aus, Mickey Mouse.“