Nach einem Grusel-Kick fällt der HSV von den Aufstiegsrängen. Titz bekommt erneut Gegenwind von einem Ex-Trainer zu spüren.

Hamburg. Die Vorgabe war klar: die mäßige Heimbilanz sollte gegen den VfL Bochum verbessert werden. Doch daraus wurde nichts. Der HSV trennt sich nach einem Spiel auf überschaubarem Niveau mit 0:0 gegen den direkten Konkurrenten. Es ist ein Rückschlag im Kampf um den Wiederaufstieg. Nach dem dritten tor- und sieglosen Auftritt im Volksparkstadion in Folge fallen die Hamburger (18 Punkte) in der Tabelle von den Aufstiegsrängen auf Platz vier zurück. Mit einem Sieg beim Vorletzten Duisburg könnte nun sogar Stadtrivale FC St. Pauli (16) am HSV vorbeiziehen.

"Es ist enttäuschend, wir wollten das Spiel unbedingt gewinnen", sagte ein sichtbar geknickter Khaled Narey. "Wir haben oftmals die falsche Entscheidung getroffen", ergänzte sein Trainer Christian Titz. "Ich sehe klaren Verbesserungsbedarf. Wir müssen zu Hause auch mal in Führung gehen. Viele Chancen habe ich aber nicht gesehen." Deutlich optimistischer klang trotz des gruseligen Fußballspiels Mitspieler Orel Mangala. "Wir müssen den Kopf oben halten und weiter an uns glauben", sagte der Belgier.

Zinnbauer kritisiert Trainer Titz

Zu allem Überfluss bekam Titz erneut von einem seiner Vorgänger Gegenwind zu spüren. Nach Felix Magath beim Darmstadt-Spiel („Es ist ja gerade die Zeit der Märchenerzähler. Titz ist ein Mann, der gut erzählen kann. Man bekam ja das Gefühl, als ob Pep Guardiola dreimal am Tag bei Titz anrufen würde.") war es diesmal Joe Zinnbauer, der sich im Fernsehen zu Titz’ viel diskutierter Spielweise äußern sollte. „Ich halte nicht viel von Titz‘ System. Es ist geradlinig, schnell zu durchschauen, und im letzten Drittel fehlen die Ideen“, sagte Zinnbauer, der in der Saison 2014/15 Cheftrainer der Hamburger war, nach 24 Spielen und einem Punkteschnitt von 1,0 aber wieder entlassen wurde.

Über seinen Nach-Nach-Nach-Nach-Nachfolger sagt der momentan arbeitslose Zinnbauer nun: „Wenn er das Gefühl hat, so spielen zu wollen, ist das sein Recht. Aber er muss am Ende auch den Kopf dafür hinhalten. Vielleicht wäre für das heutige Spiel Lasogga geeigneter, aber ich habe auch die Trainingswoche nicht gesehen. Das muss jeder Trainer selber wissen.“

Kritik, die der HSV nicht unkommentiert lassen wollte. Nach dem Spiel pflichtete Sportvorstand Ralf Becker seinem Trainer bei. "Gerade ehemalige Trainer sollten sich vielleicht ein bisschen zurückhalten mit Vorschlägen. Jeder weiß, wie schwer der Job ist und dass alle bemüht sind, das Beste zu machen", sagte Becker über Zinnbauer: "Wir haben alle nichts davon, wenn die Trainer sich untereinander kritisieren, was vielleicht besser wäre."

Bochum startete tief stehend

Genug gesagt. Als das Spiel angepfiffen wurde, sorgten nur die mitgereisten Bochumer Fans im Gästeblock für ein Feuerwerk. Durch das Abbrennen von Pyrotechnik wurde das Spielfeld in den ersten Minuten vernebelt. Dass die Sicht nach etwa zehn Minuten wieder aufklarte, war nicht unbedingt vom Vorteil für die 51.953 Zuschauer.

Der HSV war zwar um Spielkontrolle bemüht, tat sich aber schwer gegen einen zunächst sehr tief stehenden VfL. Mehr als drei harmlose Abschlüsse von Narey (6.), der in der Spitze den Vorzug vor Pierre-Michel Lasogga und Fiete Arp erhielt, Lewis Holtby (10.) und Rechtsaußen Hee-Chan Hwang (22.), der immer wieder mit Narey die Positionen tauschte, brachten die favorisierten Hanseaten in der Anfangsphase nicht zustande. "Wir tun uns schwer, klare Torchancen zu erarbeiten. Das müssen wir verbessern", sagte Sportchef Becker.

Pollersbeck von Hinterseer überlupft

Nach knapp 20 Minuten wurden die Gäste mutiger und hatten durch Stoßstürmer Lukas Hinterseer die erste hochkarätige Torchance. Der 1,92 Meter groß gewachsene Österreicher wurde bei einer Flanke von den beiden Innenverteidigern David Bates und Rick van Drongelen sträflich freigelassen. So musste Rechtsverteidiger Gotoku Sakai ins ungleiche Luftduell mit Hinterseer, der seinen Kopfball nicht platzieren konnte (28.).

Wenige Sekunden später hätte Bochums Torjäger dann aber die Führung für die Gäste erzielen müssen, als Mangala den Ball als letzter Mann an der Mittellinie vertändelte. Hinterseer sah, dass HSV-Keeper Julian Pollersbeck wie gewohnt weit vor seinem Tor stand und versuchte es mit einem Kunstschuss aus knapp 40 Metern – zielte aber erneut daneben (29.).

Einzelkritik: Nur Jatta brachte etwas Schwung

In der Folge ergriffen die Hamburger in Person von Tatsuya Ito und Aaron Hunt wieder mehr Initiative und versuchten es aus allen Lagen. Zunächst verpasste Ito mit einer verunglückten Flanke den Torwinkel um wenige Zentimeter (37.). Genauso erging es Hunt mit seine Direktabnahme von der Strafraumkante (40.). Dann wieder der kleine Japaner, der nach einem starken Solo nur einen harmlosen Abschluss aufs Tor brachte (42.). Und kurz vor dem Seitenwechsel lenkte VfL-Schlussmann Riemann einen abgefälschten Distanzschuss von Hunt über die Latte (45.).

Zinnbauer legt in der Pause nach

Während die HSV-Spieler in der Halbzeitpause den taktischen Anweisungen von Trainer Titz lauschten, legte Zinnbauer im Sky-Studio nach. Nach zwei unglücklichen Aktionen im Aufbau konnte der 48-Jährige dem offensiven Torwartspiel von Pollersbeck nichts abgewinnen.

„Dadurch brauchst du als Gegner eigentlich nur hinten drin stehen, abwarten und beim Fehlpass dazwischen gehen, um in Führung zu gehen“, gab Zinnbauer seine vermeintliche Entschlüsselungstaktik gegen diese Spielweise preis.

Grusel-Kick im zweiten Durchgang

Zurück auf dem Rasen wurde das Spiel zum Leidwesen der Zuschauer nicht besser, sondern sogar noch schlechter. Die beste Chance des Spiels vergab Bochums Angreifer Robbie Kruse kurz nach dem Wiederanpfiff. Der Australier profitierte davon, dass Sakai und Bates offensichtlich mit ihren Gedanken noch in der Kabine waren. Kruse tauchte frei vor Pollersbeck auf, schob die Kugel aber rechts am Pfosten vorbei (48.).

Als auf der Gegenseite auch Itos (53.) Versuch scheiterte und es dem HSV weiterhin an Ideen gegen das Bochumer Abwehrbollwerk fehlte, brachte Titz Torjäger Lasogga und Mittelfeldstratege Vasilije Janjicic für Ito und den unter seinen Möglichkeiten spielenden Hunt (63.). Weniger Minuten später durfte auch Flügelflitzer Bakery Jatta (71./ kam für Hwang) sein Saisondebüt geben. Das lobte immerhin sogar Chefkritiker Zinnbauer: "Christian hat alles versucht und auch gut gewechselt."

An der Spielweise änderten die personellen Veränderungen aber nichts. Die Titz-Elf entwickelte weiterhin kaum Torgefahr, auf den Rängen waren vereinzelt Pfiffe zu hören. Kurz vor Schluss versuchte es dann noch einmal Narey – wieder nichts (88.). "Wir müssen uns vor allem im letzten Drittel verbessern, um gefährlicher zu werden“, analysierte Sakai. Und so musste die Mannschaft am Ende froh sein, dass keiner der Bochumer Konter zu einem Gegentor führte.

Dennoch ist das 0:0 unter dem Strich zu wenig für die Aufstiegsambitionen des HSV. Schon in fünf Tagen bei Aufsteiger Magdeburg (Freitag, 18.30 Uhr) haben die Hanseaten die Möglichkeit, es besser zu machen – und ihr deutlich besseres Auswärtsgesicht zu zeigen. Das Schlusswort des Trainers: "Wir werden der Mannschaft intensiv aufzeigen, was sie verbessern muss – vor allem in der Strafraumbesetzung", sagte Titz bei Sky.

Die Statistik

HSV: Pollersbeck - Sakai, Bates, van Drongelen, Santos - Mangala - Hunt (63. Janjicic), Holtby - Narey, Hwang (71. Jatta), Ito (64. Lasogga). - Trainer: Titz

Bochum: Riemann - Celozzi, Gyamerah, Hoogland, Soares - Losilla, Tesche (69. Sebastian Maier) - Robbie Kruse, Lee, Weilandt (79. Sam) - Hinterseer. - Trainer: Dutt

Schiedsrichter: Christof Günsch (Berlin)

Tor: Fehlanzeige

Zuschauer: 51.953

Gelbe Karten: Narey - Hoogland (3), Lee (3)

Torschüsse: 18:11

Ecken: 6:1

Ballbesitz: 55:45 %