Hamburg. Maik Goebbels ist mehr als nur ein Co-Trainer. Der Belgier soll im Team neue Reize setzen – auf und außerhalb des Platzes.
Es gibt diese Momente, in denen Maik Goebbels die Sinnfrage stellt. Es sind die Momente, in denen man einfach nicht mehr kann. Das Ziel erscheint weit entfernt. Die Kraft ist weg. Die Müdigkeit wird immer größer. Momente, wie etwa in der 80. Minute eines Fußballspiels. Oder auf der Wanderung auf einen 6000 Meter hohen Berg. Zwei völlig verschiedene Momente, die doch eine ähnliche Facette verbindet. Maik Goebbels vereint beide Facetten. Der Fußballer und Fußballtrainer auf der einen Seite. Der Abenteurer und Bergsteiger auf der anderen. Und in beiden Rollen geht es Goebbels in den schwierigen Momenten immer um die Frage: Warum mache ich das hier eigentlich? Seine Antwort: „Erfolg kommt aus dem Herzen.“
Maik Goebbels weiß, wie man aufsteigt. Nicht nur auf den Kilimandscharo, die Zugspitze oder das Matterhorn, die er erklommen hat, sondern auch im Sport. Auch deshalb hat ihn Christian Titz vor drei Monaten angerufen und ihn gefragt, ob er es sich vorstellen kann, als Co-Trainer beim HSV zu arbeiten.
Vor neun Jahren hatten sie sich das erste Mal kennen gelernt, als Goebbels in seiner Heimat Belgien bei AS Eupen in der dritten Liga spielte. Neun Jahre lang hielten sie Kontakt. Nun gab es die Möglichkeit, zusammen im Profifußball zu arbeiten. Trotzdem musste Goebbels überlegen. Eigentlich hatte sich der 42-Jährige aus dem Fußball zurückgezogen und sich als Unternehmer mit einem Fitnessstudio im ostbelgischen St. Vith selbstständig gemacht. Doch dann kam der Abenteurer in ihm durch. Und Goebbels wagte den HSV.
Goebbels organisiert Verträge für Spieler
„Ich will mein Freidenkertum und meine Erfahrungen aus den verschiedenen Bereichen einbringen, um den Spielern andere Perspektiven aufzuzeigen, um damit Entwicklungen anzustoßen“, sagt Goebbels drei Monate nach seinem ersten Tag beim HSV im Gespräch mit dem Abendblatt über seine Arbeit in Hamburg. Natürlich ist Goebbels vor allem Fußballtrainer. Trainingsumsetzung, Spieltagsanalyse, Unterstützung der Videoanalysten oder Spielersatztraining stehen in seinem Aufgabenprofil. Doch Goebbels ist mehr als nur ein Co-Trainer.
Seine Erfahrungen, die er in den vergangenen Jahren als Personal Coach, Trekking-Tourguide oder in den Bereichen Ernährung und Fitness machte, soll er auch beim HSV einbringen. Neben Trainingsformen und Spielideen will Goebbels neue Prozesse innerhalb der Mannschaft implementieren. „Es geht darum, aus der Komfortzone auszubrechen und Gewohnheiten aufzubrechen“, sagt er.
Vor zwei Wochen hat Goebbels etwa den ersten von verschiedenen Impulsvorträgen beim HSV initiiert. Der Sportwissenschaftler Jens Freese referierte vor der Mannschaft über das Thema Ernährung. Monatliche Vorträge zu Themen wie Stress, Schlaf oder mentale Strategien sollen folgen.
Spieler mögen Goebbels' Ideen
In der Mannschaft kommen die neuen Ideen gut an, wenngleich Veränderungen immer auch zu Stirnrunzeln führen. Goebbels weiß das. „Wenn Du Veränderungen anstoßen willst, musst du die Menschen für die Veränderungen sensibilisieren. Es bringt nichts, einfach nur Vorschriften zu machen.“ Goebbels’ Credo: „Wirkliche Veränderung kommt immer von innen heraus. Es gibt im Leben immer zwei Richtungen. Stillstand gibt es nicht.“
HSV spielt Beachvolleyball und trifft in die Tonne:
HSV spielt Beachvolleyball und trifft in die Tonne
Auch in Goebbels Fußballlaufbahn gab es keinen Stillstand. Lange Zeit arbeitete er wie verrückt an seiner Trainerkarriere, erwarb die Uefa-A-Lizenz, hospitierte bei Julian Nagelsmann oder Dieter Hecking. Später verrückte seine Perspektive. Goebbels blickte über den Tellerrand des Trainergeschäfts hinaus.
Es sind seine Erfahrungen in anderen Bereichen, die ihn für Christian Titz wertvoll machen. „Ich bin zu 100 Prozent angekommen beim HSV“, sagt Goebbels. „So eine Aufgabe kann man sich vorher natürlich nicht in all ihren Facetten vorstellen. Aber ich habe mittlerweile verstanden, warum Christian Titz mich geholt hat.“
HSV-Job bringt Schwierigkeiten mit
Dass er beim HSV nur für eine Saison unterschrieben hat, obwohl Sportvorstand Ralf Becker ihm einen Zweijahresvertrag anbot, hat mit Goebbels Freidenkertum zu tun. Die jüngste Trainerdiskussion dürfte ihn in dem Gedanken bestätigt haben, wie schnell das Abenteuer beim HSV auch wieder vorbei sein kann. „Man muss immer liefern. Wenn man keinen Erfolg hat, kommen die Kritiker. Wenn wir Erfolg haben, geht das Abenteuer weiter.“
Und Goebbels will, dass das Abenteuer HSV noch möglichst lange weitergeht. Auch wenn die Zeit mit seiner Familie darunter leidet. Seine Frau und seine Kinder, ein und drei Jahre alt, wohnen in Belgien. Am Donnerstag nach der Arbeit nutzt der Co-Trainer die drei freien Tage und fährt 600 Kilometer mit dem Auto nach St. Vith. „Das Abenteuer beim HSV erschwert derzeit schon mein Familienleben“, sagt er. „Diesen Preis zahle ich aber gerne, um das Abenteuer beim HSV zu leben.“
Goebbels will Veränderungen bringen
Goebbels will dabei in erster Linie Fußballtrainer sein. Er ist kein Mentalcoach, kein Ernährungsberater, kein Erlebnispädagoge. Aber er will seine Spieler dazu bewegen, sich neuen Wegen zu öffnen. Dabei können und sollen sie auch Fehler machen. „Das Springen gehört zum Wachstum dazu. Es ist wichtig im Leben und im Sport, Fehler zu machen. Das versuchen wir auch unseren Spielern beizubringen.“
So ist der Co-Trainer auch zum HSV gekommen. Die kurze Phase der Bedenkzeit war schnell vorbei, als Goebbels sich vorgestellte, wie er im Alter auf die verpasste Chance zurückblicken könnte. Dann begann sein neues Abenteuer. Das Kindliche, das Abenteuerliche“, sagt Goebbels, „das ist es, wofür es sich lohnt zu leben.“