Hamburg. Leidenschaft auf den Rängen, Langeweile auf dem Rasen: Das Jubiläumsduell bietet kaum Aufreger. Lewis Holtby lässt Dampf ab.

Wäre dieses 100. Pflichtspielderby, das erste in der 2. Bundesliga, zwischen dem HSV und dem FC St. Pauli auch nur annähernd so leidenschaftlich gewesen, wie vorher darüber diskutiert worden war, es wäre sicher ein denkwürdiges Spiel geworden. Doch die Emotionen auf den stimmungsvollen Rängen übertrugen sich an diesem Sonntag nicht auf den Rasen des Volksparkstadions. Am Ende stand das angemessene Ergebnis auf der Anzeigetafel: 0:0. Der inoffizielle Titel des Stadtmeisters ist damit vakant – verdient hätte ihn auch keiner.

Unterschiedlich allerdings fielen die Reaktionen aus. „Die Enttäuschung überwiegt“, sagte HSV-Trainer Christian Titz, dessen Mannschaft zum dritten Mal nacheinander ohne Torerfolg blieb und es verpasste, die 0:1-Schmach aus dem bis dato letzten Duell in der Bundesliga-Saison 2010/11 vergessen zu machen: "Vorn ist es uns schwergefallen, gerade beim Spiel in die Tiefe. Wir brauchen ein Tor, um mehr Leichtigkeit zu bekommen." Sein St.-Pauli-Kollege Markus Kauczinski war nach dem dritten Spiel ohne Niederlage zufrieden: „Es ist okay. Insgesamt war das von meiner Mannschaft eine gute Leistung.“

Die Statistik

HSV

Pollersbeck - Sakai, Bates, van Drongelen, Santos - Janjicic, Mangala - Hwang (65. Narey), Holtby, Hunt (53. Ito) - Arp (72. Lasogga). - Trainer: Titz

FC St. Pauli

Himmelmann - Dudziak, Ziereis, Avevor, Buballa - Flum (83. Zehir), Knoll - Sahin, Buchtmann, Möller Daehli (76. Neudecker)- Diamantakos (73. Veerman). - Trainer: Kauczinski

Schiedsrichter

Schiedsrichter: Markus Schmidt (Stuttgart)

Zuschauer

57.000 (ausverkauft)

Gelbe Karten

Arp, Janjicic (4) - Sahin (2), Flum (4), Buchtmann (3)

Erweiterte Statistik

Torschüsse: 7:11Ecken: 6:2Ballbesitz: 65:35 %Zweikämpfe: 107:113

1/6

Der HSV, bei dem im Angriff Fiete Arp und Hee-Chan Hwang den Vorzug vor Pierre-Michel Lasogga und Khaled Narey erhielten, war von Anfang an um Spielkontrolle bemüht, doch es fehlten die Ideen im Angriff. Und so war es fast klar, dass die erste gute Chance aus einer Standardsituation resultieren würde, doch David Bates‘ Kopfball nach einer Ecke von Douglas Santos wurde noch entscheidend abgefälscht und ging knapp am Tor vorbei (25. Minute).

Die zweite gute Kopfchance entstand immerhin aus dem Spiel heraus: Gotoku Sakai fand im Strafraum Arp, der den Ball allerdings nicht richtig erwischte. Da waren allerdings schon fast 40 Minuten gespielt.

Hwang vergibt die beste HSV-Chance

Und St. Pauli? Nach dem guten Kopfball von Johannes Flum, den HSV-Torwart Julian Pollersbeck parieren konnte (7. Minute), verlegte sich der Kiezclub auf die Sicherung des eigenen Tores, was gut gelang. Erst gegen Ende der Halbzeit traute sich die Mannschaft von Trainer Markus Kauczinski wieder vors HSV-Tor, doch die Schüsse von Mats Møller Dæhli (43.) und Dimitrios Diamantakos waren nicht mehr als Versuche. So ging es torlos in die Pause.

In der zweiten Halbzeit schien beim HSV die Verunsicherung aus zwei Spielen ohne Torerfolg allmählich zu weichen, doch auf die großen Aufreger mussten die 72.000 Stadionzuschauer – 57.000 am Ort des Geschehens, 15.000 beim Public Viewing am Millerntor – weiterhin warten. Die nächste gute Torchance hatten sogar die Gäste, doch Diamantakos brachte bei seinem Kopfball keinen Druck hinter den Ball (59.). HSV-Trainer Titz hatte da bereits Tatsuya Ito für den abermals uninspierierten Kapitän Aaron Hunt ins Spiel gebracht (53.).

Wenig später hatte Hee-Chan Hwang die Führung für den HSV auf dem Fuß. Nach starkem Zuspiel von Orel Mangala wurde ein Pass des Südkoreaners geblockt, Hwangs Nachschuss ging knapp am St.-Pauli-Tor vorbei (61.). Dann war für Hwang auch schon Schluss, für ihn kam Narey ins Spiel (65.).

Drei St. Paulianer können zum Derby-Star werden

Die Emotionen hochkochen ließ allerdings erst ein überflüssiges Foul von St. Paulis Christopher Buchtmann an Vasilije Janjicic. Buchtmann sah ebenso Gelb wie Arp, der sich zu nachdrücklich beschwert hatte (68.). Der Sturm-Youngster, der exakt ein Jahr zuvor beim Nordderby gegen Werder Bremen sein Profidebüt erlebt hatte, war möglicherweise übermotiviert und musste nach 72 Minuten Lasogga Platz machen.

Auch St. Pauli tauschte nun seinen Stürmer, für Diamantakos kam Henk Veerman. Bei den Siegen in Ingolstadt und gegen Paderborn hatte Kauczinski jeweils den Matchwinner eingewechselt. Diesmal nicht. Allerdings hätten Marvin Knoll mit seinem Schuss, Cenk Sahin mit seinem Heber oder auch Christopher Avevor mit seinem Kopfball gut und gern noch Derby-Stars werden können.

Holtby lässt Dampf ab

Doch so blieb es beim 0:0. Und der Erkenntnis, dass dieses Jubiläumsduell wird keinen prominenten Platz in der Geschichte des Stadtderbys beanspruchen wird. Immerhin: Rund um das Spiel blieb es weitgehend friedlich – und das maue Spiel dürfte seinen Teil zur Beruhigung beigetragen haben.

Gut nur, dass es im Frühjahr ein Rückspiel gibt und dieser enttäuschende Eindruck nicht für weitere sieben Jahre in Erinnerung bleiben muss. St. Pauli kann seine Serie von drei Spielen ohne Niederlage am kommenden Sonntag gegen Sandhausen ausbauen. Zunächst aber muss der HSV am Freitag in Darmstadt nach drei Spielen ohne Sieg auf Besserung aus sein.

Vizekapitän Lewis Holtby redete sich nach dem Spiel seinen Frust von der Seele: "Ich bin sehr enttäuscht, vor allem von den letzten 15 Minuten", sagte der frühere Nationalspieler: "Wir waren die dominantere Mannschaft, aber nach vorne fehlt uns momentan etwas. Wir müssen jetzt in Ruhe weiterarbeiten. Aber das ist schwer, wenn von außen immer wieder Negatives kommt.“