Hamburg. Trotz der desaströsen Heimniederlage will der HSV-Trainer an seiner Idee festhalten – und steht unter Beobachtung.
Die Stimme war beschlagen, als Christian Titz am Montagvormittag in das Mikrofon des PK-Raums sprach. Der Trainer des HSV wirkte angespannt am Tag nach der heftigen 0:5-Heimniederlage gegen Jahn Regensburg. Die Freundlichkeit, die Titz in den vergangenen Monaten ausgestrahlt hatte, wich Ernsthaftigkeit. Seine Antworten fielen kurz aus. Die öffentlichen Reaktionen, die die peinliche Pleite ausgelöst hatten, nagten sichtbar an dem erfolgsverwöhnten Trainer. „Wenn du zu Hause so hoch verlierst und im Defensivverbund einen so unzureichenden Eindruck hinterlassen hast, ist ja klar, dass wir die Dinge angehen und nicht zur Normalität übergehen“, sagte Titz.
Entgegen der Gewohnheit hatte der Chefcoach am Tag nach dem Spiel ein Mannschaftstraining angesetzt und das geplante Aquajogging gestrichen. Stattdessen wurde die Fehlerliste aus dem Regensburg-Spiel in einer Videoanalyse aufgearbeitet. „Heute hat der Schwerpunkt darauf gelegen, dass wir den Spielern aufzeigen, dass es so nicht geht, wie wir verteidigt haben.“ Titz sprach von einer „klaren Analyse“.
Hunt: „Wir dürfen nicht blauäugig sein“
Erstmals seit seiner Amtsübernahme im März spürt der Fußballlehrer den Gegenwind, der einem HSV-Trainer fast schon traditionell zur Herbstzeit entgegen bläst. Und das in einer selbst für Hamburger Verhältnisse erstaunlichen Geschwindigkeit. Keine vier Tage war es her, dass der Trainer nach dem 1:0-Sieg in Dresden und der Tabellenführung vom Boulevard als „Goldfinger“ („Morgenpost“) gefeiert wurde. „In der 2. Liga sind wir die Bayern“, schrieb die „Bild“. Vier Tage später sprach selbiges Blatt vom „tiefsten Tiefpunkt der Vereinsgeschichte“.
Dass sich die Bewertung der HSV-Auftritte derart schnell gedreht hatte, lag aber nicht nur an dem Tiefschlag gegen Regensburg. Vielmehr nutzten die kleinen Bayern wie schon Holstein Kiel beim 3:0-Sieg am ersten Spieltag im Volkspark die Unzulänglichkeiten, die das HSV-System auch schon bei den Siegen gegen Bielefeld, Heidenheim und Dresden offenbart hatte. Nun erwischte es den Club erneut in aller Heftigkeit. „Wir dürfen nicht blauäugig sein“, mahnte Kapitän Aaron Hunt zur Kurskorrektur.
Nachlässigkeiten bei Standards
Nach dem Auftakt gegen Kiel hatte der Trainer an seiner Spielidee festgehalten. Und nun? Was tun, Herr Titz? „Ich werde eines sicherlich nicht tun: Ich werde meine Spieler nicht durchs Dorf jagen.“ Seine Analyse hatte ergeben, dass die Gegentore nicht aufgrund der riskanten Grundausrichtung zustande kamen. Nachlässigkeiten bei Standards und individualtaktische Fehler hätten zur Niederlage geführt.
Blamage gegen Regensburg:
Die HSV-Bilder der Blamage gegen Regensburg
Zum wiederholten Male wurde gegen Regensburg aber auch deutlich, dass die zentralen Verteidiger um Rick van Drongelen, David Bates und Léo Lacroix große Probleme mit der Umsetzung der Spielidee haben. „Wir wussten, dass das nach den Verletzungen (Gideon Jung, Kyriakos Papadopoulos, d. Red) nicht einfach wird“, sagte Titz. Trotzdem will der Coach an seiner Grundausrichtung festhalten. „Ich glaube, dass wir gute Möglichkeiten haben, die nächsten beiden Spiele wieder anders aufzutreten“, sagte er vor den Partien am Donnerstag (20.30 Uhr) bei Greuther Fürth und am Sonntag (13.30 Uhr) gegen den FC St. Pauli.
Defensive Grundstabilität ist wichtig
Für Titz wird es nun darauf ankommen, eine Formation zu finden, die trotz einer offensiven Spielidee eine defensive Grundstabilität aufweisen kann. Der Trainer weiß, dass er in der Chefetage genau beobachtet wird. Dass sich Titz nach sechs Spieltagen noch immer in der Experimentierphase befindet, stößt im Vorstand nur auf geringes Verständnis. Dass auch innerhalb der Mannschaft Veränderungswünsche bestehen, hatte Hunt mit seinen Aussagen zum Ausdruck gebracht. „So steigen wir nicht auf“, sagte der Kapitän.
Hunts Worte erinnerten ein wenig an das Interview von Mats Hummels nach dem 0:1 der deutschen Nationalmannschaft bei der WM gegen Mexiko. Hummels hatte öffentlich das Spielsystem und die defensive Anfälligkeit der DFB-Elf angeprangert. Die Probleme des HSV erinnern in der Tat – natürlich auf einer ganz anderen Ebene – an die Nationalelf bei der WM. Viel Ballbesitz, wenig Tempo, schwache Zweikampfführung und eine hohe Konteranfälligkeit. Bereits am Montag arbeitete das Team des HSV an diesen Defiziten.
Hamburg ist nicht Stuttgart
Wie die Hamburger mit der Aufarbeitung der Niederlage umgehen sollten, könnten sie auch beim VfB Stuttgart erfragen. Vor zwei Jahren erlebten die Schwaben als Schwergewicht der Zweiten Liga eine ähnliche Situation. 1:2 verlor der VfB im Herbst gegen Heidenheim, dann 0:5 in Dresden, wenige Wochen später 0:3 in Würzburg. Doch der VfB blieb ruhig, der junge Trainer Hannes Wolf zog die richtigen Schlüsse. Am Ende der Saison stieg Stuttgart souverän wieder auf.
Doch Hamburg ist eben nicht Stuttgart. „Ich bin mir bewusst, dass ich bei einem Verein arbeite, bei dem vieles in Extremen bewertet wird“, sagte Titz am Montag. Das Schöne am Fußball ist, und auch das ist Titz bewusst, dass mit einem Spiel die Stimmung schnell wieder drehen kann. Auch das hat der HSV selbst in dieser Saison schon mehrfach erfahren.
Angreifer Hee-Chan Hwang hat gegen Regensburg eine Innenbanddehnung im Knie erlitten. Sein Einsatz in Fürth ist unsicher.