Hamburg. Die Mannschaft von Trainer Christian Titz blamiert sich und steht nun vor dem Spiel in Fürth vor dem ersten Charaktertest der Saison.

Der Gesichtsausdruck von Christian Titz sprach Bände, als der Schlusspfiff ertönte. Mit versteinerter Miene klatschte der HSV-Coach seine Co-Trainer, Betreuer und Spieler ab und stapfte nach dem blamablen 0:5 (0:3) gegen Jahn Regensburg in die Katakomben. Mit einem Sieg hätten die Hamburger die Tabellenführung zurückerobern können. Doch nach den schwächsten 90 Minuten in dieser Saison wäre diese auch nicht verdient gewesen. Gegen Greuther Fürth am Donnerstag steht der erste Charaktertest der noch jungen Saison bevor. Immerhin: Nach den Pfiffen wurde die Mannschaft mit "HSV"-Sprechchören in die Kabine geschickt. "Wir haben einen gebrauchten Tag erwischt", rang Kapitän Aaron Hunt um Worte: "Wir müssen ehrlich sein. Die letzten Wochen haben wir auch nicht gut verteidigt. Heute haben wir alles abbekommen", sagte der Routinier. "Wir werden jetzt nicht alles über den Haufen werfen. Aber wir müssen dem Gegner auch mal weh tun. Vielleicht spielen wir zu brav."

Angesichts der englischen Woche setzte Trainer Titz auch gegen die Überraschungsmannschaft der Vorsaison auf Rotation. Gleich auf sieben Positionen veränderte der 48-Jährige die Startformation im Vergleich zum 1:0-Sieg in Dresden am vergangenen Dienstag. Léo Lacroix ersetzte den formschwachen David Bates, der es nicht einmal in den Kader schaffte, in der Innenverteidigung.

Auch Matti Steinmann, Orel Mangala sowie die zuletzt angeschlagenen Lewis Holtby und Tatsuya Ito kehrten in die erste Elf zurück. Aaron Hunt, der in Dresden noch im offensiven Mittelfeld agierte, rückte in die Sturmspitze. Dafür musste Pierre-Michel Lasogga trotz seiner fünf Saisontore weichen. Auch Toptalent Fiete Arp musste sich mit einem Platz auf der Bank begnügen. „Wir wollten Spieler auf dem Platz haben, die 90 Minuten Tempo gehen können. Es waren keine leichten Entscheidungen. Pierre und Fiete sind gut drauf“, erklärte Titz.

Titz hat die Partie gegen Regensburg vercoacht

Nach dem peinlichen Auftritt gegen Regensburg muss man konstatieren, dass sich der HSV-Trainer zum ersten Mal in dieser Saison vercoacht hat. Der mal wieder neu zusammengestellten Mannschaft fehlten jegliche Automatismen. Dabei fehlte den Hamburgern auch bei den erfolgreichen Partien zuletzt die Stabilität. Ein Vorwurf, mit dem sich Titz auseinandersetzen muss. "Jede Mannschaft wechselt, wenn man viele Spiele hat. Jeder von uns hat den Anspruch zu spielen", nahm Kapitän Hunt seinen Trainer in Schutz.

Wie schon in den vergangenen Spielen hatte das Titz-Team viel Ballbesitz, allein die Genauigkeit im Passspiel fehlte. Regensburg verteidigte clever und profitierte in der elften Minuten von einem kapitalen Schnitzer von Julian Pollersbeck. Nach einem Rückpass versuchte der Torhüter Sargis Adamyan auszudribbeln und vertändelte den Ball.

Regensburgs Stürmer hatte keine Mühe, das Spielgerät ins leere Tor zu schieben. Der frühe Schock im Volkspark, von dem sich die Gastgeber zunächst nicht. Im Gegenteil: Adamyan bestrafte mit seinem zweiten Streich (23.) den desolaten Auftritt des HSV. Sein Schuss von der rechten Strafraumkante wurde von Lacroix unhaltbar abgefälscht. Die 44.716 Fans quittierten die Leistung mit einem gellenden Pfeifkonzert.

Regensburgs Adamyan schlägt den HSV im Alleingang

Ein Hallo-Wach-Signal war aber auch die berechtigte Reaktion des Publikums nicht. Der HSV tat sich gegen die gut eingestellten und körperlich hart spielenden Gäste schwer. Erst in der 27. Minute hatten die Hamburger die erste Torchance. Orel Mangalas Schuss aus 14 Metern ging knapp am langen Pfosten vorbei. Am Gesamtbild änderte sich wenig. Der HSV rannte an, ohne jedoch zwingend zu werden.

Das sah auch Trainer Titz so. Für den indisponierten Matti Steinmann kam in der 32. Minute Khaled Narey. Und der stand kaum auf dem Platz, da sah der Offensivspieler den dritten Streich der Regensburger. Erneut der überragende Adamyan traf aus kurzer Distanz. Das Defensivverhalten war einer Zweitliga-Spitzenmannschaft unwürdig. "Die schwache Zweikampfquote und die vielen individuellen Fehler haben heute wesentlich zum hohen Ergebnis beigetragen", erklärte Titz niedergeschlagen und ergänzte: "Wir geben den Jungs jetzt eine Nacht, um sich über das heutige Spiel Gedanken zu machen, bevor wir ab morgen in die intensive Aufarbeitung gehen."

Hunt verschießt lässig einen Foulelfmeter

Das konnte man auch über die Ausführung des Foulelfmeters von Aaron Hunt in der 41. Minute sagen. Der bis dahin katastrophale Stürmer schaffte das Kunststück, dass Torhüter Philipp Pentke den zweifelhaften Strafstoß sogar festhalten konnte. Es war der Höhepunkt in einem Festival der Unzulänglichkeiten. "Ich wollte ihn ausgucken", gestand der Schütze offen ein. "Der war einfach nicht gut geschossen."

Auch nach der Pause änderte sich daran nichts. Der HSV, bei dem Lasogga für den schwachen Holtby eingewechselt wurde, enttäuschte auf ganzer Linie. Nachdem Adamyan kurz nach dem Seitenwechsel noch den Pfosten traf und somit seinen vierten Treffer knapp verpasste, sorgte Regensburgs Marcel Correia (53.) nach einer Alibi-Abwehraktion von Hunt für das 0:4. Und als wäre die Demütigung noch nicht groß genug gewesen, legte Jann George in der 75. Minute noch das fünfte Tor obendrauf. "Wir laden die Stürmer zum Toreschießen gegen uns ein. Das ist ja kein einmaliges Problem. So etwas wie heute hätte auch schon gegen Heidenheim und Dresden passieren können", mahnte Hunt. "Die Ergebnisse stimmten zuletzt, hatten aber auch viel Glück."

HSV-Kapitän kritisiert Pfiffe der Fans bei seiner Auswechslung

Viele Fans haben das schon nicht mehr miterlebt. Sie hatten sich schon auf den Weg nach Hause gemacht. Die verbliebenden Anhänger flohen in Galgenhumor und sangen inbrünstig „Mein Hamburg liebe ich sehr“. Vor allem bei der Auswechslung des indiskutablen Hunt gab es dann aber auch noch einmal besonders laute Pfiffe im Volkspark. Vielleicht galten Teile der Pfiffe auch Trainer Titz, der nicht Fan-Liebling Arp sondern Vasilije Janjicic brachte. "Was soll ich dazu sagen? Es ist immer einfach sich einen auszupicken. Das interessiert mich nicht", erklärte Hunt.

Es war eine Randnotiz in einem Spiel, das noch lange in bitterer Erinnerung bleiben wird.