Hamburg. Nach seiner Einwechslung trifft der Stürmer gegen Heidenheim binnen neun Minuten dreimal. Einen Stammplatz garantiert ihm das nicht.
Als Pierre-Michel Lasogga am Sonntagvormittag in voller Montur mit seinen HSV-Kollegen durch den Volkspark radelte, ließen die Sprüche nicht lange auf sich warten. „Der Jung ist gut in Tritt“, sagte ein Fan, der sich diebisch über sein Wortspiel freute. Ein anderer ließ Lasogga am Tag nach dem 3:2 gegen Heidenheim im blauen HSV-Outfit und silberfarbenen Helm vorbeifahren, ehe er ein lautes „Vollgas voraus“ hinterherrief. Und ein dritter empfahl, beim 30-Minuten-Radler dringend die Dopingprobe zu nehmen: „Was der macht, ist doch nicht mehr normal.“
Nun ist zwar nicht bekannt, mit welchen Spitzengeschwindigkeiten Lasogga am Sonntagvormittag auf der Tour de Hambourg durch den Volkspark radelte. Alles andere als normal war aber vor allem, was der Fußballer Lasogga am Tag zuvor direkt nebenan im Stadion zustande gebracht hatte.
Fall für das Buch der Rekorde
In Kurzform: erst eingewechselt, dann Tor Nummer eins in der 74., Tor Nummer zwei in der 80. und Tor Nummer drei in der 83. Minute geschossen. Und wer nun dachte, dass so ein Neun-Minuten-Hattrick nicht nur ein Fall für die Dopingfahnder, sondern auch für das HSV-Buch der Rekorde ist, der wurde schnell eines Besseren belehrt. Fünf Jahre ist es her, als beim 5:0 des HSV in Nürnberg handgestoppte 7:22 Minuten für einen Hattrick benötigt wurden. Der Torschütze damals: Pierre-Michel Lasogga.
„Auf dem Platz kommt einem das überraschenderweise gar nicht so vor“, sagte nun der Torschütze von heute oder besser: vom Sonnabend. „Damals in Nürnberg war es genauso. Mir kam es so vor, als hätte es 30 Minuten gedauert. Es ist aber schön, wenn man so schnell hintereinander drei Tore schießt.“
Allzu viel Zeit hatte der 26 Jahre alte Stürmer im Spiel gegen Heidenheim auch gar nicht, da Lasogga – wieder einmal – nur von der Bank kam. „Natürlich ist man nicht glücklich darüber. Kein Spieler ist glücklich, wenn er nicht auf dem Platz steht“, gab Lasogga nach der Partie ehrlich zu, sagte aber auch: „Der Trainer sitzt immer am längeren Hebel und entscheidet, wer spielt. Er wird sich sicherlich seine Gedanken machen.“
Titz lobt sich selbst
Die hatte sich Trainer Christian Titz bereits vor der Partie gemacht. Die Spielidee sei gewesen, referierte der Coach, dass sein Team die Heidenheimer müde spielen sollte, ehe Strafraumstürmer Lasogga mit all seiner Wucht reinkäme. „Für diesen Spieltag war das die richtige Entscheidung“, lobte sich Titz. Und für die kommenden? „Da kann es wieder anders aussehen.“
Es folgte, was folgen musste: die klassische Einerseits-andererseits-Diskussion. Einerseits hatte Lasogga in seinem 45-Minuten-Einsatz gegen Heidenheim beste Argumente für einen Platz in der Startelf im Nachholspiel gegen Dynamo Dresden am Dienstag (18.30 Uhr/Sky) gesammelt: „Dass das Argumente für einen Platz in der Startelf sind, ist glaube ich gar keine Frage“, sagte der dreifache Lasogga. Doch andererseits ist Titz’ Plan, Lasoggas Stärken gegen müde Heidenheimer auszuspielen, auch voll aufgegangen.
„Ich glaube, Pierre weiß auch, dass das keine Entscheidung gegen ihn war, sondern dass es dafür rein taktische Gründe gab“, sagte Aaron Hunt und erklärte: „Auch heute ging es darum, anzulaufen und Pressing zu spielen. Hinten raus hat man dann gesehen, dass der Gegner müde war. Dann ist es für uns unglaublich zu wissen, dass wir einen wie Pierre in der Hinterhand haben, den sie einfach nicht mehr verteidigen können in der Box.“
Petersens Jokergeheimnis
Um Lasogga die Rolle als Edeljoker zumindest ein wenig schmackhaft zu machen, spricht das Trainerteam intern längst vom „Petersen-Plan“. Der Hintergrund: Freiburgs Nils Petersen ist mit 20 Jokertoren Rekord-Einwechselspieler der Bundesliga. „Ich schaue mir oft schon auf der Bank an, wo Lücken im Spiel sind, um sie dann zu nutzen, wenn ich reinkomme“, hat Petersen mal geantwortet, als er gebeten wurde, sein Jokergeheimnis zu erklären.
Zur ganzen Petersen-Geschichte gehört allerdings auch, dass der beste Bundesliga-Joker aller Zeiten mittlerweile unumstrittener Startelfspieler in Freiburg ist – und auch in dieser Rolle zu gefallen weiß. Und genau das ist auch Lasoggas mittelfristiges Ziel. „Ich kann nur sagen, dass ich mich momentan ganz gut fühle und weiß, wo das Tor steht“, sagt der Stürmer, der in den vergangenen drei Pflichtspielen immerhin sieben Treffer erzielte. „Das tut einfach megagut, wenn man vom Platz kommt und jede Woche seine Tore schießt.“
45.000 Euro Siegprämie
Längst ist der Verkaufskandidat Lasogga wieder richtig wertvoll für den HSV – allerdings auch nicht so wertvoll, wie es am Sonntag fälschlicherweise im unkontrollierten Kosmos des Internets die Runde machte. Da hieß es auf einigen fragwürdigen Onlineportalen, dass der Stürmer 45.000 Euro pro Tor und 15.000 Euro pro Punkt kassieren würde, also 180.000 Euro für den 3:2-Sieg gegen Heidenheim verdient hätte. Doch nach Abendblatt-Informationen muss sich der Hobbyradler neben seinem monatlichen Grundgehalt von 200.000 Euro „nur“ mit einer Siegprämie von 45.000 Euro zufriedengeben – 15.000 Euro hätte es bei einem Unentschieden gegeben. Eine zusätzliche Torprämie ist vertraglich nicht festgeschrieben.
Weiter treffen will Lasogga aber auch ohne Prämie – am liebsten schon morgen in Dresden. Dorthin fährt das HSV-Team bereits an diesem Montag. Mit der Bahn. Nicht mit dem Fahrrad.