Hamburg. Die Wuchtbrumme des HSV: Lasogga hat fünf Saisontore erzielt plus zwei im Pokal. Sein Erfolg hat auch mit einer Beleidigung zu tun.

Was ist dieser Pierre-Michel Lasogga bloß für ein Typ? 26 Jahre alt, erinnert auf dem Fußballplatz an Robert de Niro („Wie ein wilder Stier“). Das sieht man dem Stürmer des HSV sofort an. Eine Wuchtbrumme ist er, vornehmlich im gegnerischen Strafraum zu finden, kein Edeltechniker. Einfache, klare Mittel auch in seiner Außendarstellung. „Das ist einfach nur geil. Ich war sauer, dass ich nur auf der Bank war, aber so der Mannschaft zu helfen, ist einfach nur toll.“

Und dann ist da noch seine Mutter Kerstin, die ihn managt. Frauen in diesem testosterongesteuerten Geschäft? Ungewöhnlich, wenn man es taktvoll ausdrücken will. Am Ende ist das alles falsch und eine Anhäufung von Klischees. Die Geschichte hat sich längst gedreht. Pierre-Michel Lasogga hat am Sonnabend mal wieder (!) einen Hattrick für den HSV geschossen. 3:2 gegen Heidenheim.

Lasogga bei Twitter

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Lasogga, Lasogga, Lasogga. Das stand auf der Anzeigetafel. Als hätte nur ein HSV-Profi gespielt. Und er wurde erst eingewechselt. Nicht seine bevorzugte Rolle. „Joker“ nennt man diese Typen. Solche sind etwa der Freiburger Nils Petersen oder Werders Oldie Claudio Pizarro (39). Ein „Joker“ ist ein Trumpf im Ärmel. HSV-Trainer Christian Titz hat ihn gezückt.

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In den vergangenen beiden Krisenjahren hätte niemand beim HSV gedacht, dass da ja so einer schlummert, der jetzt in der ersten Zweitligasaison nach dem tränenreichen Abschied des Vereins aus dem Oberhaus schon fünf Tore erzielt hat, im Pokal zwei. Ausgerechnet mit Lasogga kommt die berechtigte Hoffnung zurück, die Saison in der Zweiten Liga nach dem Tod des „Dinos“ nur als Intermezzo begreifen zu dürfen. So weit ist es noch nicht. Der auch wirtschaftlich notwendige Wiederaufstieg ist noch fern. Aber vielen ist gerade Lasoggas persönlicher Erfolg ein innerer Vorbeimarsch.

HSV-Investor Kühne vernichtete Lasogga verbal

War er es nicht, der den schillernden Unternehmer, HSV-Investor und Hamburger Elbphilharmonie-Mäzen Klaus-Michael Kühne einst zu der Einschätzung „Flop des Jahrhunderts“ brachte? Im „Spiegel“ sagte Kühne vor einem Jahr, als Lasogga sich zum Zweitligisten Leeds United ausliehen ließ: „Der HSV ist ein Phänomen, weil die Luschen immer hier hängen bleiben. Ein gutes Beispiel ist Lasogga, ich weiß gar nicht, ob ich an ihm beteiligt war: Musste der nach einer halben guten Saison mit einem Fünfjahresvertrag und einem Jahresgehalt von über drei Millionen Euro ausgestattet werden? Das war Harakiri, der Flop des Jahrhunderts."

Lasoggas Mutter empörte sich, die Experten schüttelten die Köpfe. Aber dass mal einer außer den üblichen Verdächtigen (Vorstandschef, Sportchef) ihn lautstark verteidigte – Fehlanzeige. Das brennt sich ein bei einem, der den Fußball lebt. Jetzt hat der Stürmer auf seine Weise zurückgeschlagen.

Lasogga hatte bereits 2013 den bis dorthin schnellsten Auswärts-Hattrick der Bundesliga-Geschichte erzielt. Er schoss beim 5:0 in Nürnberg drei Tore binnen acht Minuten. Und jetzt traf er unter anderem auf Vorbereitung von Fiete Arp, dem „Juwel“ des HSV, dem Abiturienten. Aber auch der im Ruhrgebiet verwurzelte Lasogga hat Abitur, spielte in der deutschen U21 und verpasste nur wegen Verletzung sein einziges Länderspiel bei Joachim Löw.

Er wird verlacht für Sprüche wie „Wer auf Mutti hört, macht keine Fehler“. Dabei hat er mehr Tiefgang, als die meisten glauben. Natürlich sagt er zu Recht von sich „Ich bin ein Fußball-Bekloppter“.

Lasoggas bemerkenswertes Interview

In einem bemerkenswerten Abendblatt-Gespräch jedoch mit den Musikern von Revolverheld und Johannes Oerding sagte er glockenklar wie selbstreflexiv: „In meinem Leben gab es einfach keinen Plan B. … Und eines darf man nicht vergessen: Als Fußballer arbeitest du ungefähr 18 Jahre unbezahlt. Auch mit 13 oder 14 gehst du fünfmal in der Woche zum Training. Und mit Mitte 35 ist schon wieder Schluss. Da muss jeder Spieler versuchen, so viel zu verdienen, dass man auch später noch gut davon leben kann.“ In der Verfassung von Sonnabend hat sich Pierre-Michel Lasogga Respekt und sein Gehalt hart verdient.