Hamburg. HSV-Talent Stephan Ambrosius und Bruder Michael wurden auf dem Bolzplatz groß. Jetzt spielen sie gegeneinander. Das wird hart.

Am späten Mittwochnachmittag fuhr Gotoku Sakai gemeinsam mit seinem Bruder Goson nach Wilhelmsburg. Der Rechtsverteidiger des HSV holte dort Michael Ambrosius ab. Anschließend fuhren sie zusammen nach Lüneburg. Beim Regionalligisten LSK Hansa spielen Goson Sakai und Michael Ambrosius seit Kurzem zusammen. Und der prominente Bruder und Ex-HSV-Kapitän Gotoku nutzte den freien Mittwoch, um die beiden zum Training zu fahren.

Auch Michael Ambrosius hat einen prominenten Bruder beim HSV: Abwehrtalent Stephan Ambrosius, den das Abendblatt in seiner ersten Saison als Lizenzspieler im Rahmen des „Projekts Profi“ ein Jahr lang begleitet. Und während Gotoku Sakai am Sonnabend mit den HSV-Profis gegen den FC Heidenheim spielt, wird Stephan Ambrosius am Sonntag voraussichtlich nach Lüneburg fahren. Der 19-Jährige soll dann erneut bei der U21 in der Regionalliga aushelfen – und trifft dann im Spiel beim Lüneburger SK Hansa sowohl auf Gotoku Sakais Bruder Goson als auch auf seinen eigenen Bruder Michael.

Wenige Tage vor dem direkten Duell traf das Abendblatt die beiden Brüder an jenem Ort, an dem ihre Fußball-Karrieren begannen: Wilhelmsburg. Auf dem kleinen Gummiplatz der Nelson-Mandela-Schule an der Neuenfelder Straße lernten Michael und sein jüngerer Bruder Stephan Ambrosius das Fußballspielen. Noch heute wohnen sie zusammen in einem Reihenhaus in dem Viertel. Als sie klein waren, verbrachten sie jeden Tag auf dem Bolzplatz und spielten gegen die großen Jungs aus der Nachbarschaft. „Es war eine geile Zeit“, sagt Michael Ambrosius.

Die Ambrosius-Brüder gelten als kompromisslose Fußballer

Dass die beiden heute mit dem Fußball ihr Geld verdienen, hätten sie damals nie gedacht. „Natürlich hatten wir Träume. Aber wir haben einfach immer nur gespielt“, sagt der ältere Ambrosius-Bruder heute. Der 22-Jährige spielte lange Jahre in der Jugend des FC St. Pauli – zuletzt in der U23. Im Sommer wurde er vereinslos, nun kam er in Lüneburg unter. Der Traum vom Profi ist bei ihm derzeit etwas weiter weg.

Einen Plan B mit einem Studium hat er im Kopf. Im Gegensatz zu seinem Bruder, der seinen Traum vom Fußball-Profi seit diesem Sommer leben kann. „Ich war sehr stolz als Stephan den ersten Profivertrag bekommen hat“, sagt Michael.

"Als Profi willst du immer dabei sein"

Auf seine ersten drei Monate der Saison blickt der HSV-Spieler aber mit gemischten Gefühlen zurück. Bis auf einen Einsatz im DFB-Pokal beim TuS Erndtebrück stand Ambrosius noch nicht im Kader der ersten Mannschaft. Zunächst stoppte ihn eine Knieverletzung, dann kam mit Neuzugang Léo Lacroix ein weiterer Konkurrent auf seiner Position in der Innenverteidigung dazu. „Als Profi willst du immer im Kader der ersten Mannschaft stehen“, sagt Ambrosius, der zuletzt dreimal bei der U21 spielte und das wohl auch Sonntag tut. „Die Spiele in der Regionalliga haben mir auch gut getan, das registriert auch der Trainer. Wichtig ist vor allem, dass ich verletzungsfrei bleibe.“

Eine Knieverletzung machte Ambrosius bereits in der vergangenen Saison zu schaffen, als er den Sprung von den Amateuren zu den Profis schaffte. Kicken auf dem harten Gummiplatz in Wilhelmsburg kommt daher heute nicht mehr infrage. Auch sein Bruder Michael litt schon häufiger an Verletzungen. Was auch an ihrer ähnlichen Spielweise liegt, die sie in Wilhelmsburg erlernten. Beide Verteidiger gelten auf dem Feld als kompromisslos und aggressiv.

Aus dem Bundesligastadion nach Wilhelmsburg

Auf dem kleinen Bolzplatz an der Nelson-Mandela-Schule mussten sie sich früh Respekt verschaffen. Das ist ihnen gelungen. Wenn sie heute am damaligen Treffpunkt vorbeischauen, kommen immer wieder Jungs aus dem Viertel vorbei und begrüßen die beliebten Brüder.

„Stephan hat sich überhaupt nicht verändert, seit er das erste Mal in der Bundesliga gespielt hat“, sagt Michael, der das Debüt des kleinen Bruders am 31. März gegen den VfB Stuttgart zusammen mit den Eltern am Fernseher in Wilhelmsburg verfolgte. Als Stephan vom Spiel zurückkam, sind sie erst einmal im Viertel spazieren gegangen. Der Freundeskreis in der Nachbarschaft ist beiden noch immer sehr wichtig.

Trotzdem werden die Brüder mit ihrer Mutter in der kommenden Woche in das neue Haus nach Bahrenfeld ziehen – wenige Fußminuten vom Volkspark entfernt. Die tägliche Fahrt vom Stadion über die Elbe nach Wilhelmsburg hat Stephan Ambrosius zuletzt viel Zeit gekostet. Der Umzug ist ein weiterer Baustein auf dem Weg zum richtigen Profi. „Ich möchte jetzt den nächsten Schritt machen, damit es zum Alltag wird, dass ich im Profi-Kader stehe. Ich glaube daran, dass ich das in den nächsten Wochen und Monaten schaffen kann“, sagt der Abwehrspieler.

Am Wochenende steht aber zunächst das Spiel in Lüneburg gegen seinen Bruder an. In der Vorsaison begegneten sie beide bereits mit dem HSV und St. Pauli. Am Sonntag kommt es erneut zum direkten Duell. Gut möglich, dass dann auch Gotoku Sakai wieder als Zuschauer und Chauffeur dabei ist.

Lasogga ist wieder voll belastbar

Test 1: Am Mittwochmorgen wurde HSV-Stürmer Pierre-Michel Lasogga am freien Trainingstag intensiv belastet. Ergebnis: Der 26-Jährige ist nach seiner Oberschenkelverhärtung wieder einsatzfähig. Heute soll er genau wie Khaled Narey (bakterielle Entzündung im Finger) wieder mit der Mannschaft trainieren.

Test 2: Neuzugang Hee-Chan Hwang (22) wird heute das erste Mal mit dem HSV trainieren. Erst danach erfolgt im UKE der obligatorische Medizincheck.