Hamburg. Kurioser Vorfall: HSV-Ordner sperren Kinder ein, die Autogramme wollen. Bruchagen erklärt den Fahrplan für die Zweitligalizenz.

Bruchhagen darf eigenen Nachfolger aussuchen

Die Erstligazeit des HSV geht zu Ende. Und mit einem nun kaum noch zu verhindernden Abstieg wäre auch die Zeit von Clubboss Heribert Bruchhagen und Sportchef Jens Todt abgelaufen. „Alles, was für den HSV gut ist, unterstütze ich. Wenn der Aufsichtsrat zu der Überzeugung kommt, dass ein Wechsel auf der Position des Vorstandschefs notwendig ist, stelle ich auch meine Position zur Verfügung“, bekräftigte Bruchhagen, der noch einen Vertrag bis 2019 besitzt, am Sonntag.

Der 69-Jährige würde nicht nur seinen Platz räumen, er dürfe sogar mitentscheiden, wer seinen Posten übernehmen soll. „In meinem Vertrag steht, dass der Aufsichtsrat mich darum bittet, bei der Suche nach meinem Nachfolger mitzuarbeiten.“ Ob sich Präsident und Aufsichtsrats-Vize Bernd Hoffmann, der im Falle des ersten Abstiegs der Clubhistorie tabula rasa plant, darauf einlässt, darf allerdings bezweifelt werden.

Bruchhagen nimmt Todt in Schutz

Bevor eine entsprechende Entscheidung gefällt wird, will Bruchhagen weiterhin alles in seiner Macht stehende tun, um dem HSV zu helfen – das beinhaltet also auch, die Zweitligaplanung voranzutreiben, obwohl er dann wohl gar nicht mehr im Amt wäre. „Alle Verantwortlichen müssen ihren Pflichten nachkommen. Das gilt für Herrn Spors (Kaderplaner; Anm. d. Red.) genauso wie für mich oder Herrn Todt. Wir können uns nicht von Spekulationen beeindrucken lassen.“

Besonders den in die Kritik geratenen Sportchef Jens Todt nahm Bruchhagen, der bei einigen von Todt vorbereiteten Transfers sein Veto aus finanziellen Gründen eingelegt hatte, in Schutz. „Die Verantwortung für das Ganze habe ich, ohne Wenn und Aber. Ich bin schon manchmal erstaunt, zu welchen Schlüssen man kommt, wer verantwortlich dafür ist, wie die Mannschaft zusammengestellt ist. Ich habe die Verantwortung“, sagte der Vorstandsvorsitzende.

Lizenz: Bruchhagen erklärt den Zweitligafahrplan

Das enttäuschende Remis gegen Mainz birgt auch eine Chance. Denn im Gegensatz zu den Vorjahren, als der Klassenerhalt erst in letzte Sekunde gelang, hat der HSV diesmal rechtzeitig Planungssicherheit. Seit Wochen laufen die Planungen für die drohende Zweitligasaison auf Hochtouren. „Es wäre ein Wunder, wenn ich mich damit nicht beschäftigen würde – das gehört zu unseren Aufgaben“, sagte Clubboss Heribert Bruchhagen.

Ihre erste Begegnung im Januar 2017: HSV-Chef Heribert Bruchhagen (l.) und Investor Klaus-Michael Kühne beim Abendblatt-Neujahrsempfang im Hotel Atlantic
Ihre erste Begegnung im Januar 2017: HSV-Chef Heribert Bruchhagen (l.) und Investor Klaus-Michael Kühne beim Abendblatt-Neujahrsempfang im Hotel Atlantic © Marcelo Hernandez

Nach Finanzvorstand Frank Wettstein bekräftigte auch Bruchhagen am Sonntag, dass die Hamburger keine Lizenz-Probleme bekommen werden. „Es ist aber auch klar, dass Transfererlöse notwendig sind, um die Zweitligalizenz zu sichern. Das schreibt man zum 15. März erst einmal in den Antrag rein, dann bekommt man Auflagen und Bedingungen, die sich bis zum Mai hinziehen“, sagte der Vorstandsvorsitzende.

Anders als in den vergangenen Jahren soll Investor Klaus-Michael Kühne bei der Beschaffung der Lizenz diesmal keine gewichtige Rolle spielen. „Unsere Voraussetzung ist, die Lizenz ohne die Hilfe von Herrn Kühne zu beantragen“, sagte Bruchhagen, der sich aber auch ein Hintertürchen offenhält. „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Herr Kühne dem HSV immer zur Seite gestanden hat.“

Bruchhagen will Chaos vermeiden

Auch wenn noch neun Spieltage zu absolvieren sind, setzt sich Bruchhagen angesichts von sieben Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz längst intensiv mit einem möglichen Abstieg auseinander. „Wir sollten jetzt die Restchance suchen, uns aber auch damit abfinden, wenn der Abstieg so weit ist, dass das zum Sport dazugehört. Meine Aufgabe ist es dann auch, dass dieses Szenario nicht allzu chaotisch ablaufen würde.“

Warum hat sich der HSV im Winter nicht verstärkt?

Apropos Kühne (siehe oben): Auch Bruchhagen scheint inzwischen nicht mehr vollständig davon überzeugt zu sein, im Winter nicht noch einmal auf dem Transfermarkt aktiv gewesen zu sein. "Mit der Hypothese, dass uns bei der Verpflichtung eines neuen Stürmers für weitere 15 Millionen Euro der Zweitligafall sowie der daraus resultierende 50-Millionen-Schaden erspart geblieben wäre, wird man ewig leben müssen", sagte der HSV-Chef.

Möglich gewesen wäre ein solcher Transfer nur mit der Unterstützung von Kühne, doch der Milliardär wurde nicht gefragt.

HSV-Ordner sperren Kinder ein

Spätestens nach dem enttäuschenden 0:0 trotz drückender Überlegenheit gegen Mainz 05 scheinen die Nerven beim HSV blank zu liegen. Nach dem Training am Sonntag ist es zu kuriosen Szenen am Volksparkstadion gekommen. Obwohl es im Rahmen des zum Risikospiel erklärten Abstiegsgipfels gegen den direkten Konkurrenten friedlich geblieben war, sperrten Ordner des Sicherheitsdienstes Power am Sonntag einige Hamburger Fans nach der Einheit ein.

Während die Profis den Platz unbehelligt verließen, durften die Anhänger – darunter auch Kinder, die Autogramme und Fotos wollten – den Bereich zwischen Zuschauertribüne und Zaun nicht verlassen. Zumindest Elfmeterfehlschütze Filip Kostic erfüllte die Wünsche der eingesperrten Zuschauer und signierte von den Anhängern mitgebrachte Fanartikel durch den Zaun hindurch.

Vom Verein hieß es später zu dem Vorfall, es habe eine Kommunikationspanne unter den Ordnern gegeben. Denn das Sicherheitspersonal sollte zwar auf den Ernstfall vorbereitet sein. Da die Stimmung unter den Zuschauern auch am Sonntag friedlich geblieben war, gab es jedoch keine Notwendigkeit zu dieser ungewöhnlichen Maßnahme zu greifen.

Slomka kritisiert Kostic

20:5-Torschüsse zählten die Statistiker für den dominierenden HSV gegen Mainz. Für einen Treffer reichte das klare Chancenplus dennoch nicht. Die größte Möglichkeit auf ein erlösendes Tor vergab Flügelflitzer Filip Kostic kläglich per Elfmeter. Sein Schuss erinnerte eher an eine Rückgabe. „Der Wille und die Leidenschaft, die nötig sind, haben sich bei seinem Elfmeter nicht ausgedrückt“, kritisierte der ehemalige HSV-Trainer Mirko Slomka bei „Wontorra – Der Fußballtalk“ auf Sky.

Slomka hätte erwartet, „dass Kostic den Ball nimmt und das Ding unter die Latte haut. Das wäre ein Zeichen für das gesamte Umfeld gewesen und hätte gezeigt: Wir kämpfen um den Klassenerhalt.“ So aber falle alles in sich zusammen.

Hollerbach glaubt noch an das Wunder

Bernd Hollerbach ist der erste HSV-Trainer, der keins seiner ersten sechs Pflichtspiele gewann. Die Hoffnung auf das Wunder Klassenerhalt, hat der Franke aber auch nach dem enttäuschenden 0:0 gegen Mainz nicht aufgegeben. „Wir haben noch neun Spiele. Aufgeben liegt nicht in meiner DNA, wir werden weiter kämpfen. Wenn wir so weitermachen, haben wir noch gute Chancen, die Klasse zu halten.“

Hollerbach weiter: „Gestern war die Enttäuschung groß. In der Analyse einen Tag später haben wir aber festgestellt, dass wir ein richtig gutes Spiel gemacht haben. Wir haben alles reingeworfen, ich kann der Mannschaft nichts vorwerfen. Das Einzige, was gefehlt hat, war ein Tor, aber ansonsten war es ein richtig guter Auftritt. Ich habe die Jungs wieder aufgebaut.“

HSV nullt im Abstiegsendspiel gegen Mainz

Abstiegskampf: HSV-Profi Walace (l.) gegen den Mainzer Suat Serdar
Abstiegskampf: HSV-Profi Walace (l.) gegen den Mainzer Suat Serdar © Witters
Sven Schipplock (im Luftkampf mit Stefan Bell) stand überraschend in der Startelf
Sven Schipplock (im Luftkampf mit Stefan Bell) stand überraschend in der Startelf © Witters
Und in der Anfangsphase hatte der Stürmer sogar seinen ersten Bundesligatreffer im HSV-Trikot auf dem Fuß
Und in der Anfangsphase hatte der Stürmer sogar seinen ersten Bundesligatreffer im HSV-Trikot auf dem Fuß © Witters
Ebenso wie Filip Kostic, der erst an der Latte scheiterte...
Ebenso wie Filip Kostic, der erst an der Latte scheiterte... © Reuters
und anschließend einen Treffer per Videobeweis aberkannt bekam
und anschließend einen Treffer per Videobeweis aberkannt bekam © Witters
Grund war eine Abseitsstellung
Grund war eine Abseitsstellung © Witters
In der 62. Minute scheiterte Kostic dann sogar mit einem Elfmeter am Mainzer Bundesliga-Debütanten Florian Müller
In der 62. Minute scheiterte Kostic dann sogar mit einem Elfmeter am Mainzer Bundesliga-Debütanten Florian Müller © Witters
Der eigentliche Regionalliga-Keeper wuchs über sich hinaus – wie hier im Duell mit Schipplock auch mal hart an der Grenze
Der eigentliche Regionalliga-Keeper wuchs über sich hinaus – wie hier im Duell mit Schipplock auch mal hart an der Grenze © Witters
Auf der anderen Seite hatten Rick van Drongelen und Christian Mathenia die Mainzer Offensive im Griff
Auf der anderen Seite hatten Rick van Drongelen und Christian Mathenia die Mainzer Offensive im Griff © Imago/Jan Hübner
Kurz nach Wiederanpfiff hatte der Niederländer sogar Zeit, nach vorne zu gehen – doch sein Schuss küsste nur die Latte
Kurz nach Wiederanpfiff hatte der Niederländer sogar Zeit, nach vorne zu gehen – doch sein Schuss küsste nur die Latte © Witters
"Danke für nicht – ihr Söldner": Die HSV-Profis verzichteten nach dem Spiel auf den Dank an die Fans © Imago/Michael Schwarz
Auch Bakery Jatta lief im Abstiegs-Endspiel auf
Auch Bakery Jatta lief im Abstiegs-Endspiel auf © Witters
Und der Gambier legte los wie die Feuerwehr
Und der Gambier legte los wie die Feuerwehr © Reuters
Kyriakos Papadopoulos war im Eisschrank Volksparkstadion ebenfalls direkt auf Betriebstemperatur
Kyriakos Papadopoulos war im Eisschrank Volksparkstadion ebenfalls direkt auf Betriebstemperatur © Witters
Für Fiete Arp blieb dagegen nur ein Platz auf der Bank
Für Fiete Arp blieb dagegen nur ein Platz auf der Bank © Witters
Genauso wie auf Mainzer Seite für den Ex-HSVer Nigel de Jong
Genauso wie auf Mainzer Seite für den Ex-HSVer Nigel de Jong © Witters
HSV-Sportchef Jens Todt (l.) und Trainer Bernd Hollerbach setzten kritische Gesichter auf
HSV-Sportchef Jens Todt (l.) und Trainer Bernd Hollerbach setzten kritische Gesichter auf © Witters
"Wir müssen gewinnen, aber danach sind es auch noch neun Spiele", sagte Hollerbach unmittelbar vor der Partie © Witters
Die Miene des Mainzer Trainer Sandro Schwarz wirkte zu Beginn deutlich gelöster
Die Miene des Mainzer Trainer Sandro Schwarz wirkte zu Beginn deutlich gelöster © Witters
HSV-Vorstandschef Heribert Bruchhagen nahm auf der eisigen Tribüne Platz
HSV-Vorstandschef Heribert Bruchhagen nahm auf der eisigen Tribüne Platz © Imago/Jan Hübner
Die Ultras zogen derweil aus Protest gegen die Zaunerhöhungen aus ihrem angestammten Block in den Oberrang
Die Ultras zogen derweil aus Protest gegen die Zaunerhöhungen aus ihrem angestammten Block in den Oberrang © dpa
...mit einer Botschaft an Vereinspräsident Bernd Hoffmann inklusive
...mit einer Botschaft an Vereinspräsident Bernd Hoffmann inklusive © Imago/Jan Hübner
Vorbereitungen für ein Risikospiel: Die Polizei zog schon vor dem Anpfiff des Abstiegs-Endspiels HSV gegen Mainz mit Wasserwerfer am Volksparkstadion auf
Vorbereitungen für ein Risikospiel: Die Polizei zog schon vor dem Anpfiff des Abstiegs-Endspiels HSV gegen Mainz mit Wasserwerfer am Volksparkstadion auf © WITTERS | FrankPeters
Je nach Ausgang des Spiels wird mit Ausschreitungen Hamburger Fans gerechnet
Je nach Ausgang des Spiels wird mit Ausschreitungen Hamburger Fans gerechnet © WITTERS | FrankPeters
Auch zu Pferd waren Beamte im Einsatz
Auch zu Pferd waren Beamte im Einsatz © REUTERS | FABIAN BIMMER
Mit dem verstärkten Aufgebot reagierten Verein und Polizei auf jüngste Verfehlungen von HSV-Fans
Mit dem verstärkten Aufgebot reagierten Verein und Polizei auf jüngste Verfehlungen von HSV-Fans © WITTERS | FrankPeters
Im Stadion wurden die Fanzäune doppelt so hoch gezogen wie sonst
Im Stadion wurden die Fanzäune doppelt so hoch gezogen wie sonst © Imago/Nordphoto
Auch an den Einlässen waren die Mannschaftswagen der Polizei omnipräsent
Auch an den Einlässen waren die Mannschaftswagen der Polizei omnipräsent © Reuters
Dieser junge Fan hatte sich ungeachtet der Sicherheitsdebatte schick gemacht
Dieser junge Fan hatte sich ungeachtet der Sicherheitsdebatte schick gemacht © Witters
Wasserwerfer am Volksparkstadion
Wasserwerfer am Volksparkstadion © REUTERS | FABIAN BIMMER
Wasserwerfer am Volksparkstadion
Wasserwerfer am Volksparkstadion © REUTERS | FABIAN BIMMER
1/31

Hollerbach lobt Mainzer Keeper

Die Partie gegen Mainz verdeutlichte einmal mehr, dass dem HSV im Angriff ein echter Knipser fehlt. In rekordverdächtigen 14 von 25 Bundesligaspielen blieb der HSV ohne eigenen Treffer. Für Trainer Hollerbach überwiegt dennoch das Positive nach dem verpassten Befreiungsschlag gegen die 05er. „Wir haben uns sehr viele Chancen herausgespielt, das war ein riesen Fortschritt. Manchmal gehört auch ein Quäntchen Glück dazu. Man muss auch sagen, dass der Torwart von Mainz sehr, sehr gut war. Wie er den Ball von Schippo hält, war klasse. Bei Kostics Lattentreffer hatte er auch noch den Arm dran“, sagte der HSV-Coach.