Hamburg. Fans pfeifen Spieler und Stadionsprecher aus. HSV-Kapitän, Trainer Hollerbach und Sportchef Todt reagieren auf die Abstiegsfrage.
Ein verschossener Elfmeter, zwei Lattentreffer, 20:5 Torschüsse, dazu ein zurückgenommenes Tor nach Videobeweis: Der HSV hat in seinem vorgezogenen Abstiegs-Endspiel gegen den 1. FSV Mainz 05 alles versucht, aber zum 14. Mal in dieser Bundesliga-Saison keinen eigenen Treffer zu Stande bringen können.
Beim 0:0 gegen den nächsten Tabellennachbarn brachte der Mannschaft von Trainer Bernd Hollerbach am Ende auch eine 30-minütige Überzahl keinen entscheidenden Vorteil, nachdem der Mainzer Leon Balogun für ein Foul im Strafraum an Luca Waldschmidt die Gelb-Rote Karte gesehen hatte (62.). Außerdem zeigte Schiedsrichter Markus Schmidt in dieser Szene auf den Punkt.
Müller hatte Kostic-Elfer analysiert
Doch für Filip Kostic sollte sich auch am Elfmeterpunkt der gebrauchte Nachmittag fortsetzen. Der Serbe scheiterte mit einem halbherzigen, halbhohen Schuss nach halblinks am Mainzer Schlussmann Florian Müller, der damit in seinem allerersten Spiel als Profi überhaupt zum Helden auf Mainzer Seite wurde. Der 20-Jährige war für den erkrankten Ex-HSV-Profi René Adler sowie den verletzten Robin Zentner aufgerückt.
Die HSV-Profis in der Einzelkritik
"Ich denke, da waren ein wenig die Nerven im Spiel", sagte Hollerbach zum verschossen Elfmeter seines Schützlings, der von ihm selbst nicht vorgegeben war. "Das haben die Jungs auf dem Platz geklärt. Filip hat sich gut gefühlt", sagte Hollerbach. "Wir haben analysiert, wie Kostic die letzten Elfmeter geschossen hat", verriet der Mainzer Punktegarant Müller, der gleichzeitig gestand: "Der HSV hat uns eigentlich den Zahn gezogen." Dieser Meinung war auch Teamkollege Stefan Bell. "Der HSV war über das gesamte Spiel die bessere Mannschaft. Vor allem in der ersten Halbzeit haben sie uns im Mittelfeld sehr viele Bälle geklaut."
Die Statistik
Kostic-Treffer nach Videobeweis annulliert
Dennoch hatte Kostic schon in der ersten Halbzeit doppelten Grund, sein Gesicht in den Händen zu vergraben. In der 22. Minute setzte der Flügelspieler den Ball an die Latte, nachdem der überraschend in die Startelf gerückte Sven Schipplock ("Ich war selbst überrascht") die Hereingabe des umtriebigen Bakery Jatta noch verpasst hatte.
Nur zwei Zeigerumdrehungen wurden Kostic und der Großteil der 45.000 Zuschauer im Volksparkstadion dann in ein Wechselbad geschmissen. Nach feiner Stafette über Aaron Hunt und Schipplock, der den Ball per Hacke auf Kostic weiterleitete, brachte dieser den Ball tatsächlich im Tor unter. Doch anders als noch beim Spiel in Leipzig wurde dem Treffer nach Videobeweis wegen Abseitsstellung die Anerkennung verweigert.
Schipplock und Todt sind bedient
In der zweiten Hälfte setzte sich das Hamburger Abschlusspech fort, als der aufgerückte Verteidiger Rick van Drongelen ebenfalls nur die Latte traf. Die Vorarbeitet geleistet hatte erneut Schipplock, der seine zweite Startelf-Nominierung der Saison durch großen Einsatz rechtfertigte. Dennoch musste auch der Schwabe nach Schlusspfiff den Kopf hängen lassen.
"Es ist einfach zu wenig. Wir wussten, dass wir für eine Restchance heute gewinnen mussten", sagte Schipplock. Auch Jens Todt gab sich unmittelbar nach Abpfiff resignativ. "Wahnsinn, dass wir das Spiel trotz drückender und numerischer Überlegenheit nicht gewinnen", sagte der HSV-Sportchef bei "Sky".
Die Höhepunkte
Am Ende hatte Hollerbach trotz der Ausbootung von Bobby Wood alle verfügbaren Offensivkräfte auf dem Platz. Doch weder Waldschmidt noch die ebenfalls eingewechselten André Hahn und Fiete Arp, der sich wegen Meckerns nur die erste Gelbe Karte seiner Karriere abholte, konnten dem Spiel noch eine Wende geben. Es sind zwar viele Offensivspieler auf dem Platz, aber niemand, der sie einsetzt", urteilte "Sky"-Experte Lothar Matthäus.
HSV-Profis gehen nicht in die Kurve
Immerhin: Die befürchteten Ausschreitungen der Anhänger blieben aus, auch der spontane Umzug der beiden Ultra-Gruppierungen "Castaways" und "Poptown" in den Oberrang blieb ein Droh-Szenario. Es sei zu keinen berichtenswerten Besonderheiten gekommen, sagte die Polizei am Abend. Dennoch kam es nach dem Abpfiff zu vereinzelten Unmutsbekundungen und "Absteiger"-Rufen, woraufhin die Mannschaft auf den Dank vor der eigenen Kurve verzichtete.
"Ich glaube, der Ärger wird in den nächsten Wochen nicht weniger. Das haben wir uns auch selbst eingebrockt", sagte Schipplock. "Ich habe die Mannschaft in der Kabine wieder aufgerichtet", sagte Hollerbach, der selbst "erst einmal eine Nacht drüber schlafen" müsse. "Mir tut es einfach unfassbar leid für die Mannschaft und die Fans."
Auch die gleichzeitige Niederlage des VfL Wolfsburg gegen Bayer Leverkusen (1:2) beim Heimdebüt des ehemaligen HSV-Retters Bruno Labbadia konnte im Volkspark die Laune nicht richtig aufhellen. Auf die Niedersachsen hat der HSV nun ebenso sieben Punkte Rückstand wie auf Mainz. "Wir sind jetzt in einer ganz schlimmen Situation, die jetzt noch einmal schlechter geworden ist", sagte Todt: "In den restlichen Spielen müsste schon etwas ganz Außergewöhnliches passieren, das muss man ehrlich sagen.“
Sakai bricht Interview genervt ab
Und angesichts der kommenden Aufgabe bei Bayern München am nächsten Sonnabend sagte auch Hollerbach: "Wir brauchen ein kleines Wunder, aber aufgeben liegt nicht in meinem Naturell." Wohingehen der Mainzer Bell befand: "Die Entscheidung ist vertagt." Das sollte offenbar auch die Reaktion Gotoku Sakais zum Ausdruck bringen. Als der HSV-Kapitän gefragt wurde, ob das nun der Abstieg war, brach der Japaner das Interview in der Mixed-Zone ab und drehte genervt ab.