Hamburg. “Absteiger“-Rufe und eindeutige Banner veranlassen die Profis zur Umkehr. Ex-Profi Rost kritisiert HSV-Maßnahmen.
Als die Ultras der Gruppierungen "Castaways" und "Poptown" vor dem Anpfiff des HSV-Spiels gegen Mainz plötzlich den Oberrang der Nordtribüne okkupierten, war die Irritation im Volksparkstadion groß. "Zäune hoch, Gehälter runter" war auf Plakaten der Fans zu lesen, die mit ihrem Umzug vom Fanblock hinter dem Tor in Block 28 B gegen die verschärften Sicherheitsmaßnahmen des eigenen Vereins protestierten.
Doch die Aktion verlief friedlich, die rechtmäßigen Besitzer räumten ihre Plätze ohne Gegenwehr und verteilten sich auf die weiteren Bereiche im mit 46.739 Zuschauern ohnehin alles andere als üppig besetzten Rund. Auch nach dem Spiel sollten sich die schlimmsten Befürchtungen der Hamburger Verantwortlichen nicht bestätigen, die Polizei vermeldete keine relevanten Zwischenfälle.
Kein wütender Mob am Spielerausgang
Anders als noch nach den Heimniederlagen gegen Köln (0:2) und Leverkusen (1:2) versammelten sich nach der enttäuschenden Nullnummer im vorgezogenen Abstiegs-Endspiel diesmal keine Anhänger hinter dem Stadion. Dort, wo die Spieler aus den Katakomben treten, hatten zuvor bereits Wasserwerfer Position bezogen.
Auch dies eine der Maßnahmen, um auf mögliche Ausschreitungen im Falle einer Niederlage reagieren zu können. Beide Fälle traten am Ende nicht ein. Resignation pur also? Nicht ganz. Denn während Reporter von Grabesstille in der Mixed-Zone berichteten, bäumte sich im Stadion der harte Kern der Fans noch einmal mündlich und schriftlich auf.
Pfiffe für die Profis und den Stadionsprecher
Als sich die HSV-Profis angeführt von Kapitän Gotoku Sakai auf dem Weg in die Kurve begaben, wurden sie mit "Absteiger"-Rufen empfangen und machten daher auf dem Absatz kehrt. Auf Bannern schlugen der Mannschaft außerdem Sprüche wie "Danke für nichts, ihr Söldner" oder "Fußballzerstörer" entgegen, von den Rängen flogen ganze Packungen Desinfektionstücher auf den Rasen.
Die HSV-Profis in der Einzelkritik
Selbst der Stadionsprecher musste ein gellendes Pfeifkonzert über sich entgehen lassen, als er nach Schlusspfiff von einer "starken Leistung" des HSV sprach. "Der Ärger ist groß, und er wird die nächsten Wochen auch nicht weniger werden. Damit müssen wir jetzt leben, das gehört dazu", kommentierte Stürmer Sven Schipplock die explosive Stimmung.
Mainzer Fans waren lange still
Während des Spiels hatte das Publikum das Team einmal mehr bedingungslos unterstützt. Erst in der Nachspielzeit war überhaupt auch einmal der Anhang der Gäste zu vernehmen, der nach einem kurzfristig ausgefallenen Sonderzug allerdings auch auf rund 500 Fans hatte verzichten müssen.
"Die Fans haben immer Mega zum Verein gehalten", hatte der ehemalige HSV-Torhüter Frank Rost vor dem Anpfiff bei "Sky" gesagt, um in gleichem Atemzug die Herangehensweise des Vereins zu kritisieren, das Duell mit Mainz als Risikospiel zu deklarieren und deshalb unter anderem keinen Alkohol auszuschenken.
Rost kritisiert "Sippenhaft" für Fans
"Ich halte nichts von Sippenhaft, nur weil ein paar Leute am Kabel drehen", sagte Rost. Im Umkehrschluss dürfte dann auch kein Hamburger Spieler mehr Auto fahren, folgerte der 44-Jährige in Anspielung auf die Alkoholfahrt des Jungprofis Vasilije Janjicic. Die Einschränkungen für die Fans seien ein "gerne genommenes Mittel, um abzulenken von den richtigen Problemen, die der HSV hat".
Einen Abstieg des HSV hielte der frühere Nationalspieler unter Umständen sogar für heilsam. "Der Mensch lernt erst, wenn er aus der Pfütze gesoffen hat", sagte Rost. Eben dies müsse der HSV nun lernen mit seinem "Gegurke": "Mann muss es ja Gegurke nennen." Mit dieser Ansicht steht der Ex-Profi nicht alleine da. "Würdet ihr so spielen, wie wir zünden, hätten wir keine Probleme", ließen die Ultras die Mannschaft vom Oberrang aus wissen.