Hamburg. Bestreben scheiterten ebenso wie Kühnes Comeback-Plan mit HSVPlus-Initiator Rieckhoff. Die Machtstrukturen sind kompliziert.
„Wir sind in jeder Hinsicht in einer prekären Situation. Der Kampf um den Klassenerhalt wird intensiv. Wir müssen auf alles eingestellt sein, auch auf die Eventualitäten des Worst Case“ Gesagt hat dies der HSV-Vorstandsvorsitzende Heribert Bruchhagen am 8. Januar 2017 bei seiner Antrittsrede vor den Mitgliedern. „Jährlich grüßt das Murmeltier“, möchte man formulieren angesichts der sportlichen Perspektiven, die noch bedrohlicher erscheinen als in der Vorsaison.
Während vor einem Jahr gerade mal 400 Mitglieder in der Volksbank-Arena den Worten Bruchhagens lauschten, werden am Sonntag ab 11 Uhr (Kuppel Hamburg, Luruper Chaussee 30) rund 2000 Mitglieder erwartet, 1200 Anmeldungen liegen vor. Die meisten Menschen kommen wegen Punkt 14 der Tagesordnung: Wahl des Präsidiums. Die Mitglieder dürfen entscheiden, ob Jens Meier, der mit Henning Kinkhorst (Vizepräsident) und Ralph Hartmann (Schatzmeister) antritt, weitere drei Jahre bleiben darf (das Präsidium hat den Antrag gestellt, in der Satzung die Amtsdauer auf vier Jahre zu verlängern). Oder ob Meier sein Amt für Bernd Hoffmann räumen muss, der Thomas Schulz (Vizepräsident) und Moritz Schaefer (Schatzmeister) für sein Team nominiert hat.
Hoffmanns Macht wäre durch Beirat beschnitten
Viele Mitglieder fragten sich vor der Wahl: Wer regiert den HSV? Wird er überhaupt noch regiert? Und wer kann die HSV Fußball AG wieder in eine bessere Zukunft führen?
Bei Meier herrscht Klarheit. Er hat kurz vor der Mitgliederversammlung zusammen mit dem HSV-Vorstand den neuen Aufsichtsrat installiert – und sich damit reichlich Kritik (auch von Hoffmann) eingehandelt, weil so das womöglich neue Präsidium vor vollendete Tatsachen gestellt wird.
Hoffmann hat zwar deutlich gemacht, dass er den Vorsitz im AG-Aufsichtsrat anstrebt, sollte er gewählt werden (ob er im derzeitigen Gremium bei einer Abstimmung dafür eine Mehrheit erhielte, ist eine von vielen offenen Fragen). In der Hauptversammlung der AG, wo er mit seinem Präsidium den Hauptgesellschafter stellte, ginge ohne ihn auf jeden Fall künftig nichts. Seine Machtbefugnisse sind jedoch in der 2014 von den Mitgliedern verabschiedeten Ausgliederung in einem entscheidenden Punkt eingeschränkt: Der HSV-Beirat muss allen Kandidaten des Aufsichtsrats zustimmen. Ein Beispiel: Dem Vernehmen nach wäre der Verbleib von Felix Goedhart im Aufsichtsrat bei einem Präsidenten Bernd Hoffmann wenig wahrscheinlich. Wollte er ihn jedoch ersetzen, bräuchte er bei der Neubesetzung die Zustimmung des Beirats.
Kühne wollte Rieckhoff zurückholen
Dass dieses Gremium, das erst mit der Ausgliederung ins Leben gerufen wurde, durchaus seinen eigenen Willen hat, zeigte sich in den vergangenen Wochen und Monaten. So traf sich der Beirat vor der Bestellung des neuen Aufsichtsrats mit allen Neu-Mitgliedern zu intensiven Gesprächen.
Kommentar: Wahl der Qual beim HSV
Nach Abendblatt-Informationen kam bei der Kandidatenkür auch der Name eines prominenten HSV-Funktionärs auf die Liste: Otto Rieckhoff. Nachdem der Rückzug von Karl Gernandt aus dem Aufsichtsrat beschlossen war, schlug Investor Klaus-Michael Kühne den früheren HSV-Aufsichtsratsvorsitzenden vor. Rieckhoff signalisierte bei den folgenden Gesprächen auch die Bereitschaft zur Kandidatur. Doch am Ende scheiterte ein Comeback des HSVPlus-Initiators am Veto des Beirats, der sich (ohne Gespräch mit Rieckhoff) einstimmig gegen eine Rückkehr ausgesprochen haben soll. So nahm Goedhart den letzten Platz ein.
Bei der Frage, ob Bernd Hoffmann als Präsidentschaftskandidat zugelassen werden soll, gab es im Beirat ebenfalls unterschiedliche Meinungen. Am Ende wurde er jedoch (ohne Einzelabstimmung) durchgewinkt.
Bruchhagen würde seinen Platz räumen
Völlig offen erscheint derzeit auch die Zukunft des aktuellen AG-Vorstands, dem derzeit Heribert Bruchhagen und Frank Wettstein angehören. Wird Hoffmann gewählt, dürfte er sich stärker ins operative Geschäft einmischen. Lässt sich Bruchhagen das gefallen? Zwar hat dieser kürzlich seinen Vertrag bis 2019 verlängert. Doch intern hat der 69-Jährige zugesichert, dass er seinen Platz räumen würde, wenn man ihn nicht mehr beim HSV haben wolle.
Auch bei der über kurz oder lang erforderlichen Suche nach einem Nachfolger für Bruchhagen könnte Hoffmann in der jetzigen HSV-Struktur keinen Alleingang vollziehen, er bräuchte eine Mehrheit in jenem Aufsichtsrat, den Meier ausgewählt hat.
Plan mit Magath scheiterte
Mehrfach in den vergangenen Wochen wurde auch über eine Rückkehr von Felix Magath spekuliert. Tatsächlich gab es Bestrebungen im Verein anlässlich des Trainerwechsels von Markus Gisdol zu Bernd Hollerbach, den 64-Jährigen als stellvertretenden Vorsitzenden und Sportchef zu installieren. In der jetzigen Führungsstruktur fand sich jedoch keine Mehrheit für Magath, der als Cheftrainer in Wolfsburg und Gelsenkirchen Hollerbach als Assistenten beschäftigte.
Ob Magath bei einem Präsidenten Hoffmann beim HSV wieder eine Zukunft hätte? Eher nicht. Die Führung dieses komplexen HSV würde sich bei einem Wechsel von Meier zu Hoffmann aber trotzdem nicht automatisch vereinfachen, im Gegenteil: Es bleibt kompliziert.