Hamburg. Obwohl er deutlich mehr hätte verdienen können, sucht der Verteidiger nach acht Jahren einen neuen Club. Ein Abschied mit Ankündigung.
Dennis Diekmeier hatte es eilig. Nach der knapp einstündigen Einheit verließ der HSV-Verteidiger als Erster den Trainingsplatz und marschierte zielstrebig an den 26 lauernden Kiebitzen vorbei. Kein Kommentar, kein Autogramm – Diekmeier verschwand wortlos, ohne sich irgendetwas anmerken zu lassen, Richtung Kabine. Dabei hätte er einiges zu erzählen gehabt. Denn zum Saisonende wird der dienstälteste HSV-Profi seinen Vertrag auslaufen lassen und den Verein ablösefrei verlassen.
Sportchef Jens Todt bestätigte am Vormittag einen „Bild“-Bericht: „Ich wurde am Dienstag von Dennis’ Berater Volker Struth informiert, dass er unser Angebot abgelehnt hat“, sagte der 48-Jährige. Auch wenn noch viereinhalb Monate Zeit bleiben, um sich noch einmal gemeinsam an einen Tisch zu setzen, hätten sich weder Diekmeier noch der HSV eine Hintertür offen gehalten. „Seine Entscheidung ist endgültig“, sagte Todt.
Damit beendete Diekmeier ein wochenlanges Vertragspoker. Während ihm der HSV von Anfang an einen Zweijahresvertrag zu verbesserten Konditionen bot, wollte sich der Rechtsverteidiger, der im Oktober 29 Jahre alt wird und sich in Hamburg wohlfühlt, nur für drei Jahre an den Liga-Dino binden. Weil sich beide Seiten (auch in Sachen Gehalt, angeblich soll das geforderte Salär bei mehr als zwei Millionen Euro gelegen haben) nicht annäherten, kam es zur Absage.
Diekmeier vermisste die Wertschätzung
Doch die Geschichte, warum das HSV-Urgestein den Club verlässt, begann schon im vergangenen Sommer, als die Hamburger zu Diekmeiers Verwunderung das Thema Vertragsverlängerung auf den Winter aufgeschoben hatten. Diekmeier wollte schon im August Klarheit wegen seines auslaufenden Kontrakts, der HSV wollte dagegen die Hinrunde abwarten. In diesem Moment zweifelte Diekmeier erstmals an der Wertschätzung im Verein.
Das erste Angebot für eine Vertragsverlängerung unterbreitete ihm Todt Ende November. Allerdings entsprach dies trotz einer Aufstockung des bisherigen Jahresgehalts von 1,3 Millionen Euro nicht Diekmeiers Vorstellung. Kurz vor Weihnachten legte Todt dem vierfachen Familienvater eine zweite, finanziell bessere Offerte vor. Eine längere Laufzeit bot der Sportchef aus wirtschaftlichen Gründen jedoch weiterhin nicht, weshalb sich Todt prompt eine Absage einholte. Struth signalisierte ihm umgehend, dass Diekmeier an seiner Forderung, nur einen Dreijahresvertrag zu unterschreiben, festhalte.
Doch diesen Wunsch wollte Todt seinem Spieler nicht erfüllen. „Wir haben Dennis ein aus unserer Sicht sehr vernünftiges Angebot unterbreitet“, sagt der Manager. Auch ein letztes Telefonat zwischen Todt und Struth am Montag vor einer Woche brachte keine Einigung. Und so folgte am Dienstag die Bekanntgabe einer Trennung, die sich bereits seit Monaten angedeutet hatte.
Diekmeier als Symbol des Niedergangs?
Mit Diekmeier verlässt ein unter den Fans umstrittener, aber größtenteils beliebter Spieler den Verein. Der Verteidiger erarbeitete sich mit seiner kämpferischen Einstellung einen Ruf als Musterprofi, war selten verletzt und immer da, wenn er gebraucht wurde. Aktuell spielt Diekmeier seine beste Saison beim HSV, seit er 2010 für 2,2 Millionen Euro aus Nürnberg verpflichtet wurde. Sein Name steht jedoch auch symbolisch für den Abstiegskampf der vergangenen vier Jahre. „Sein Wechsel ist natürlich auch eine Chance, sich neu aufzustellen“, sagt Todt. Nach acht Jahren beim HSV wird Diekmeier, der in Hamburg elf verschiedene Trainer erlebte, voraussichtlich innerhalb der Bundesliga wechseln. Dem Verteidiger liegen mehrere Anfragen aus dem In- und Ausland vor. Konkrete Gespräche über seine Zukunft wird er in zwei bis drei Wochen führen, eine Entscheidung wird für den März erwartet.
Todt stellte Sakai noch nicht zufrieden
Der HSV wiederum steht jetzt vor der Aufgabe, einen adäquaten und kostengünstigen Ersatz zu finden. „Wir haben einige Kandidaten im Blick“, kündigt Todt an. Doch bevor der Sportchef eine Entscheidung über Diekmeiers Nachfolger trifft, müsse geklärt werden, in welcher Liga der Club in der kommenden Saison vertreten sein werde und ob durch mögliche Spielerverkäufe zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung stünden. Somit steht der HSV wie schon in den vergangenen Jahren vor dem Problem, wegen des voraussichtlich bis zum letzten Spieltag andauernden Abstiegskampfes im Frühling, wenn andere Vereine bereits ihre Sommertransfers vorbereiten, nahezu handlungsunfähig zu sein.
Daher werde Todt zunächst Gespräche mit den HSV-Profis, deren Verträge auslaufen, führen. Priorität genießt dabei die Verlängerung mit Kapitän Gotoku Sakai. „Ich werde mich in den nächsten Tagen mit ihm und seinem Berater zusammensetzen“, sagt Todt. Ein erstes Angebot des HSV fiel noch nicht zur Zufriedenheit des Japaners aus. Dennoch deutet sich nach Abendblatt-Informationen eine Einigung mit Sakai an.
Auch den Talenten Josha Vagnoman (17) und Stephan Ambrosius (19) liegen neue Vertragsangebote vor. Möglicherweise schlüpfen die beiden Youngster irgendwann in Diekmeiers Fußstapfen.