Der Ex-Profi zieht die Zügel an. Trainiert wird künftig häufiger. Den Zweikampf im Tor hat Hollerbach wieder neu eröffnet.

Hamburg. Die Fotografen hatten sich schon Minuten vor seiner Ankunft positioniert. Als Bernd Hollerbach um 17.13 Uhr durch die Tür in den Presseraum des HSV trat, ging ein wahres Blitzlichtgewitter los. Das Interesse an dem Ex-Profi, der in 224 Pflichtspielen für den HSV auflief, war schier grenzenlos. „Erst mal hallo an alle. Groß vorstellen brauche ich mich nicht, die meisten kennen mich noch“, waren Hollerbachs erste Worte.

Gehört haben Fans und Pressevertreter schon viel bei den zahlreichen Trainerpräsentationen in der jüngeren Clubgeschichte. „Der HSV ist ein Brett“, sagte beispielsweise der am Sonntag entlassene Markus Gisdol bei seiner Vorstellung im September 2016. Doch bei Hollerbach wirken die üblichen Floskeln ehrlich. Dem einst beinharten Linksverteidiger kaufte man die warmen Worte („Ich will dem HSV etwas zurückgeben“) ab.

Hollerbach freut sich wirklich, zurück bei seinem HSV zu sein, auch wenn die Aufgabe Klassenerhalt einem kleinen Wunder bedarf. „Ich habe hier eine wunderbare Zeit gehabt, bin stolz, zurück zu sein und habe hart dafür gearbeitet“, sagt der Franke, der als Chef bislang lediglich seinen Heimatverein Würzburger Kickers trainierte. „Ich bin mir sicher, dass wir die Klasse halten. Dafür werde ich alles geben.“

Hollerbach ist ein Fan von Kühne

Nach zwei Aufstiegen von der Regionalliga in die Zweite Liga erlebte Hollerbach mit Würzburg im Vorjahr eine katastrophale Rückrunde, in der die Kickers als Hinrunden-Sechster mit Kontakt zu den Aufstiegsplätzen kein Spiel mehr gewannen und noch abstiegen. Danach trat Hollerbach zurück. „Wir hatten das kleinste Budget. Ich hätte mir damals einen Gönner wie Herrn Kühne gewünscht“, sagte er rückblickend.

Glücklicherweise für Hollerbach verfügt der HSV über einen Gönner wie Herrn Kühne, nämlich Herrn Kühne – Klaus-Michael Kühne. Kontakt hatten der 48 Jahre junge Trainer und der 32 Jahre ältere Investor allerdings noch nicht, versicherte Hollerbach.

Ob Kühne dem HSV in diesem Winter noch einmal ein paar Millionen für einen dringend benötigten und auch gesuchten neuen Spielmacher zur Verfügung stellt, bleibt damit weiterhin offen. Endgültig Klarheit darüber gibt es wohl erst am 31. Januar, wenn das Transferfenster schließt.

Todt umschmeichelt Hollerbach

Auch ohne einen Gönner wie Herrn Kühne wusste Hollerbach in Würzburg zu überzeugen. Sein Durchmarsch von der Vierten in die Zweite Liga beeindruckte auch den damaligen Karlsruher und heutigen Hamburger Sportchef Jens Todt.

„Wir hatten immer wieder sporadisch Kontakt, weil ich seine Entwicklung mit Würzburg sehr beeindruckend fand und immer Ausschau nach interessanten Trainern halte“, umschmeichelt der mit der diesjährigen Kaderplanung in die Kritik geratene Todt seinen neuen Trainer. „Er hat es geschafft, in Würzburg eine Einheit zu formen, die mit bescheidenen Mitteln etwas Besonderes geschafft hat, nämlich zweimal aufzusteigen. Bernd besticht durch eine Mischung aus natürlicher Autorität und Herzlichkeit. In Würzburg war er eine Lokomotive.“

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Ein erstes Gespräch sollen beide erst nach der 0:2-Heimpleite gegen Schlusslicht Köln gehabt haben, beteuert Hollerbach. Obwohl Clubboss Heribert Bruchhagen am Sonntag noch erklärt hatte, den Plan B, wie er Hollerbachs zu dem Zeitpunkt bevorstehende Verpflichtung nannte, vor dem Köln-Spiel vorbereitet gehabt zu haben.

So hätte sich Hollerbach in der Partie gegen den Abstiegskonkurrenten bereits ein intensives Bild von der Mannschaft machen können. „Ich bin HSVer und habe die Spiele des HSV immer verfolgt“, entgegnete Hollerbach auf eine entsprechende Nachfrage trocken.

Hollerbach will die Ärmel hochkrempeln

Überhaupt wirkte Hollerbach recht schlicht und authentisch bei seinem ersten Auftritt als HSV-Trainer. Damit, wie sich der HSV erneut in eine prekäre Lage manövriert hat, will sich der neue Coach nicht länger aufhalten. „Was vorher war, ist für mich ad acta. Wir müssen nach vorne schauen, die Ärmel hochkrempeln und den Abstieg vermeiden.“

Bernd Hollerbachs erster Arbeitstag als HSV-Trainer

Dienstantritt: Bernd Hollerbach wurde am Montagnachmittag von den Schaulustigen am Volkspark herzlich empfangen
Dienstantritt: Bernd Hollerbach wurde am Montagnachmittag von den Schaulustigen am Volkspark herzlich empfangen © Bongarts/Getty Images | Stuart Franklin
Begleitet wurde Bernd Hollerbach (r.) beim Gang auf den Trainingsplatz von Abwehrchef Kyriakos Papadopoulos und Co-Trainer Steffen Rau
Begleitet wurde Bernd Hollerbach (r.) beim Gang auf den Trainingsplatz von Abwehrchef Kyriakos Papadopoulos und Co-Trainer Steffen Rau © WITTERS | ValeriaWitters
Hollerbach soll der Mannschaft die Verunsicherung nach sechs Spielen ohne Sieg nehmen
Hollerbach soll der Mannschaft die Verunsicherung nach sechs Spielen ohne Sieg nehmen © WITTERS | ValeriaWitters
Für Abwehr-Youngster Rick van Drongelen (l.) gab’s vom neuen Trainer ebenso einen aufmunternden Klaps ...
Für Abwehr-Youngster Rick van Drongelen (l.) gab’s vom neuen Trainer ebenso einen aufmunternden Klaps ... © WITTERS | ValeriaWitters
... wie für den kriselnden Offensivspieler Filip Kostic
... wie für den kriselnden Offensivspieler Filip Kostic © WITTERS | ValeriaWitters
Bernd Hollerbach machte es sichtlich Freude, nach acht Monaten wieder auf dem Trainingsplatz zu stehen
Bernd Hollerbach machte es sichtlich Freude, nach acht Monaten wieder auf dem Trainingsplatz zu stehen © dpa | Daniel Reinhardt
Zunächst standen Aufwärmen und Passspiel auf dem Trainingsprogramm
Zunächst standen Aufwärmen und Passspiel auf dem Trainingsprogramm © Bongarts/Getty Images | Stuart Franklin
Anschließend rief Bernd Hollerbach die Mannschaft zu einer Besprechung zusammen
Anschließend rief Bernd Hollerbach die Mannschaft zu einer Besprechung zusammen © WITTERS | ValeriaWitters
Bei kühler Witterung galt es die Muskeln gut zu dehnen
Bei kühler Witterung galt es die Muskeln gut zu dehnen © WITTERS | ValeriaWitters
Lewis Holtby (l.) hatte unter Hollerbachs Vorgänger Markus Gisdol  seinen Stammplatz verloren. Ihm könnte der Trainerwechsel guttun
Lewis Holtby (l.) hatte unter Hollerbachs Vorgänger Markus Gisdol seinen Stammplatz verloren. Ihm könnte der Trainerwechsel guttun © WITTERS | ValeriaWitters
In vertrauter Umgebung: Von 1996 bis 2004 war Bernd Hollerbach für den HSV als Spieler aktiv
In vertrauter Umgebung: Von 1996 bis 2004 war Bernd Hollerbach für den HSV als Spieler aktiv © Bongarts/Getty Images | Stuart Franklin
Aus dem Team seines Vorgängers Markus Gisdol bleibt Athletiktrainer Daniel Müssig (l.) mit an Bord
Aus dem Team seines Vorgängers Markus Gisdol bleibt Athletiktrainer Daniel Müssig (l.) mit an Bord © WITTERS | ValeriaWitters
Auch Sportdirektor Jens Todt (r.) wohnte der ersten Trainingseinheit unter Bernd Hollerbach bei
Auch Sportdirektor Jens Todt (r.) wohnte der ersten Trainingseinheit unter Bernd Hollerbach bei © WITTERS | ValeriaWitters
Bernd Hollerbachs Vertrag gilt bis 2019 – und wohl auch für die Zweite Bundesliga
Bernd Hollerbachs Vertrag gilt bis 2019 – und wohl auch für die Zweite Bundesliga © WITTERS | ValeriaWitters
Auch für Erinnerungsfotos von Fans fand Bernd Hollerbach am Montagt noch Zeit
Auch für Erinnerungsfotos von Fans fand Bernd Hollerbach am Montagt noch Zeit © Bongarts/Getty Images | Stuart Franklin
Hollerbach vermittelte einen ehrlichen, aber auch schlichten Eindruck bei seiner Vorstellung.
Hollerbach vermittelte einen ehrlichen, aber auch schlichten Eindruck bei seiner Vorstellung. "Ich bin stolz, wieder zurück zu sein", sagte der Ex-Profi. © Witters
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Doch wie will Hollerbach das kleine Wunder Klassenerhalt bei fünf Punkten Rückstand auf das rettende Ufer bewältigen? „Wir müssen Ordnung auf den Platz kriegen, kompakt stehen und Stabilität in unser Spiel bekommen. Die Gegner dürfen nicht mehr so einfach zu Toren kommen“, sagt der neue HSV-Trainer, der seine Spieler zuvor in einer knapp 90-minütigen Einheit kennenlernte. Dabei stand Pass- und Flügelspiel im Fokus. „Die Mannschaft ist verunsichert. Dennoch war mein erster Eindruck sehr positiv, alle waren engagiert.“

Anders als Gisdol: Hollerbach hat Plan B

Engagement darf man wohl auch von den gut bezahlten Rothosen erwarten. Vor allem, wenn ein neuer Trainer verpflichtet wurde. Das weiß auch Hollerbach und will diesen Aspekt daher nicht überbewerten.

Bis zum Spiel am Sonnabend bei Champions-League-Aspirant RB Leipzig muss es Hollerbach nun gelingen, dem Team seine Spielidee zu vermitteln. Dafür will er viele Einzelgespräche führen. „Ich reagiere darauf, was mir die Spieler anbieten. Ich will aktiv sein“, sagte der neue Coach, der damit in Aussicht stellt, auch einen Plan B zu haben, sollte Plan A nicht den gewünschten Erfolg bringen. Eine Strategie, die bei Vorgänger Gisdol bis zum Köln-Spiel schmerzlich vermisst wurde.

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Nicht nur die Taktik, auch die erste Elf könnte Hollerbach gleich bei seinem ersten Spiel runderneuern. Selbst der Zweikampf im Tor zwischen Christian Mathenia und Julian Pollersbeck, den Gisdol mit dem Beginn der Rückrunde zur Nummer eins erklärt hatte, ist wieder neu eröffnet. „Alles ist offen. Ich werde zum Wochenende eine Entscheidung treffen“, sagte Hollerbach.

Hollerbach lässt mehr trainieren

Anschauungsunterricht, wie man erfolgreich Fußball spielt, erhielt Hollerbach vor allem bei Felix Magath, als dessen langjähriger Co-Trainer er 2009 die Deutsche Meisterschaft mit dem VfL Wolfsburg gewann. „Ich habe viel von ihm gelernt und mir natürlich etwas abgeschaut. Aber jeder Trainer hat seine eigene Persönlichkeit und muss auch authentisch sein.“

Kommentar: Alle beim HSV haben versagt

Authentisch will der Trainer seinen Spielern als Erstes vermitteln, dass bei ihm die Arbeit im Vordergrund steht. Daher wird in Zukunft jeden Tag zweimal trainiert. Am morgigen Dienstag beginnt die Mannschaft um 8.30 Uhr mit einem gemeinsamen Frühstück. Danach wird auf dem Platz trainiert, ehe ein Mittagessen angesetzt ist. Im Anschluss sollen die Profis regenerieren, bevor es am Nachmittag wieder auf den Trainingsplatz geht.

„Ich lege Wert darauf, dass wir zwischen den Einheiten auf dem Gelände bleiben.“ Für die HSV-Spieler weht ab jetzt ein neuer Wind im Volkspark.

16 HSV-Trainer in 14 Jahren:

16 Trainer in 14 Jahren beim HSV

Thomas Doll (18. Oktober 2004 – 1. Februar 2007)
Thomas Doll (18. Oktober 2004 – 1. Februar 2007) © Witters
Huub Stevens (1. Februar 2007 bis 30. Juni 2008)
Huub Stevens (1. Februar 2007 bis 30. Juni 2008) © Witters
Martin Jol (1. Juli 2008 bis 26. Mai 2009)
Martin Jol (1. Juli 2008 bis 26. Mai 2009) © Witters
Bruno Labbadia (1. Juli 2009 bis 26. April 2010)
Bruno Labbadia (1. Juli 2009 bis 26. April 2010) © Witters | TimGroothuis
Michael Oenning (13. März 2011 bis 19. September 2011)
Michael Oenning (13. März 2011 bis 19. September 2011) © Witters
Rodolfo Cardoso (19. September 2011 bis 10. Oktober 2011 und 17. September 2012 bis 24. September 2012)
Rodolfo Cardoso (19. September 2011 bis 10. Oktober 2011 und 17. September 2012 bis 24. September 2012) © Witters
Thorsten Fink (17. Oktober 2011 bis 17. September 2013)
Thorsten Fink (17. Oktober 2011 bis 17. September 2013) © Witters
Bert van Marwijk (25. September 2013 bis 15. Februar 2014)
Bert van Marwijk (25. September 2013 bis 15. Februar 2014) © Witters
Mirko Slomka (16. Februar 2014 bis 15. September 2014)
Mirko Slomka (16. Februar 2014 bis 15. September 2014) © WITTERS | TimGroothuis
Joe Zinnbauer (16. September 2014 bis 22. März 2015)
Joe Zinnbauer (16. September 2014 bis 22. März 2015) © dpa
Peter Knäbel (23. März 2015 bis 14. April 2015)
Peter Knäbel (23. März 2015 bis 14. April 2015) © Witters
Bruno Labbadia (15. April 2015 bis 25. September 2016)
Bruno Labbadia (15. April 2015 bis 25. September 2016) © dpa | Christian Charisius
Markus Gisdol (25. September 2016 bis 21. Januar 2018)
Markus Gisdol (25. September 2016 bis 21. Januar 2018) © WITTERS | TimGroothuis
Bernd Hollerbach (21. Januar bis 12. März 2018)
Bernd Hollerbach (21. Januar bis 12. März 2018) © Witters
Christian Titz (seit 12. März 2018)
Christian Titz (seit 12. März 2018) © Witters
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