Hamburg. Wegen eines Satzungsfehlers könnte die HSV AG weitere Clubanteile verkaufen – mit gravierenden Folgen.
Am Montag gab es Redebedarf. Rund 50 HSV-Senioren waren um 19 Uhr in den Saal „Speicherstadt“ im Hotel Elysée gekommen, um mit Finanzvorstand Frank Wettstein und Vereinspräsident Jens Meier über dit und dat zu reden. Es war eine nette Plauderrunde, ehe ein Senior mit einer überraschenden Nachfrage für kurzzeitige Aufregung sorgte. Ob es denn stimme, dass die HSV Fußball AG 33,3 Prozent und damit mehr als die allgemein angenommenen 24,9 Prozent der Anteile verkaufen könne, fragte der HSVer. „Es gibt da ein Agreement zwischen Jens Meier und mir, dass wir bei 25 Prozent erst einmal aufhören“, antwortete Vorstand Wettstein salopp – und konnte den aufgeregten Saal damit vorerst wieder ein wenig beruhigen.
Doch so ganz legte sich die Aufregung im HSV-Umfeld über diese neue Geschichte, die eigentlich eine alte ist, in den Tagen darauf nicht. Denn obwohl bereits vor dreieinhalb Jahren auf der ersten Hauptversammlung der HSV Fußball AG festgelegt worden war, dass das Grundkapital der Gesellschaft (3,5 Millionen Euro) durch eine Kapitalerhöhung auf 5,25 Millionen Euro steigen kann, scheinen die möglichen Konsequenzen bei manch einem Mitglied erst jetzt angekommen zu sein: So würde eine Komplettausnutzung des genehmigten Kapitals mittels Kapitalerhöhung mit Dritten dazu führen, dass tatsächlich 33,3 Prozent der Anteile an der HSV Fußball AG nicht mehr beim HSV e. V. liegen würden.
Kühne hat 20,57 Prozent erworben
Was kompliziert klingt, ist ganz simpel. So könnte ein Minderheitsaktionär wie Klaus-Michael Kühne, der bereits 20,57 Prozent der HSV-Anteile erworben hat, durch weitere, bislang nicht für möglich gehaltene Anteilskäufe über die 25-Prozent-Grenze hinaus eine Sperrminorität schaffen. Das heißt: Besitzt ein Aktionär wie Kühne Anteile von mehr als 25 Prozent aber weniger als 50 Prozent der HSV-Aktien, könnten Hauptversammlungsbeschlüsse, die eine 75-prozentige Mehrheit erfordern, verhindert werden. Dann könnte der HSV keine zentrale Entscheidung mehr ohne Zustimmung seines Minderheitsaktionärs treffen.
„Ich kann nachvollziehen, dass sich diese Gedanken gemacht werden. In dem Zusammenhang gilt es dann, die mit einer solchen Sperrminorität verbundenen Rechte zu diskutieren“, sagte Wettstein, als das Abendblatt den Vorstand zum Gespräch über die 33,3-Prozent-Gefahr bat. Dabei versicherte der 44 Jahre alte Finanzexperte erneut, dass ein Anteilsverkauf über die magische Grenze von 25 Prozent hinaus nicht geplant sei, sagte aber auch: „Eine persönliche Garantie kann ich nicht aussprechen, da solche Entscheidungen durch die verantwortlichen Gremien insgesamt zu treffen sind.“
Warnung vor Satzungsfehlern
Gemeint sind Vorstand und Aufsichtsrat, die laut AG-Satzung bei Bedarf auch ohne die Zustimmung der Mitgliederversammlung über einen weiteren Anteilsverkauf entscheiden könnten. „Ich habe seinerzeit vor der Ausgliederung ein Gutachten erstellen lassen und explizit vor einem möglichen Satzungsfehler gewarnt. Trotzdem wurde in der Mitgliederversammlung 2014 die AG-Satzung mit der Möglichkeit, bis zu 33,3 Prozent zu verkaufen, verabschiedet“, sagt nun Jens Meier, der als Vereinspräsident automatisch auch im AG-Aufsichtsrat sitzt.
Den Vorwurf, die theoretische Gefahr durch eine praktische Reduzierung des genehmigten Kapitals auf einer Hauptversammlung nicht gebannt zu haben, will sich Meier aber nicht gefallen lassen. „Bei der ersten Kapitalerhöhung haben wir als e. V. auf das sogenannte Bezugsrecht verzichtet, weil uns der AG-Vorstand durch einstimmigen Beschluss zugesichert hat, keine weiteren Anteile zu veräußern, sodass der e.V.-Anteil auf unter 75,1 Prozent absinkt“, sagt Meier.
Auch Meier glaubt nicht an ein Versehen
Meier hat recht und unrecht zugleich. Nach Abendblatt-Informationen hat es im März 2015 tatsächlich einen Vorstandsbeschluss gegeben, nach dem die HSV AG nicht mehr als 24,9 Prozent der Anteile verkaufen will. Juristisch bindend ist dieser Vorstandsbeschluss für die aktuelle HSV-Führung allerdings nicht. Auf die Abendblatt-Frage, ob sich Wettstein überhaupt an die Satzung des HSV e. V. gebunden fühle, antwortete der AG-Vorstand ausweichend: „Zu den Satzungsfragen wurde im Rahmen der Ausgliederung von den damals Verantwortlichen Stellung genommen.“
Wenige Anteile zum Verkauf
Bleibt die Frage, warum die Satzungsväter der Ausgliederung überhaupt ein 33,3-Prozent-Hintertürchen einbauten? Eine offizielle Antwort hierauf will niemand geben. Inoffiziell glaubt aber niemand an ein Versehen – auch nicht Meier, der sich am 18. Februar gegen Herausforderer Bernd Hoffmann erneut zur Wahl stellt. „Solange ich Präsident des HSV e. V. bin, garantiere ich, dass die HSV AG nicht mehr als die vereinbarten 24,9 Prozent der Clubanteile ohne Zustimmung der Mitgliederversammlung verkauft“, sagt Meier.
Allzu viele Anteile stehen ohnehin nicht mehr zum Verkauf. Neben Kühne (20,57 Prozent) haben auch der Agrar-Unternehmer Helmut Bohnhorst (1,22 Prozent), der 2016 verstorbene Alexander Margaritoff (0,67 Prozent) und die Familie Burmeister (1,35 Prozent) Anteile gekauft. Somit sind 23,81 Prozent der Anteile verkauft. Die restlichen Anteile bis 24,9 Prozent haben laut Experten nur noch einen Wert von drei Millionen Euro – und selbst bei einem Anteilsverkauf bis zu 33,3 Prozent könnten kaum mehr als 30 Millionen Euro eingenommen werden. Natürlich nur rein theoretisch, versteht sich.