Hamburg. Präsidentschafts-Kandidat Hoffmann stellt sich Beirat vor. HSV-Vorstandsvorsitzender zweifelt daran, noch Verstärkungen zu finden.
Heribert Bruchhagen kam ohne Begleitung, dafür in bester Laune zum Neujahrsempfang des Abendblatts. „Beim HSV ist alles in Ordnung – bis auf die sportliche Situation“, hatte der Vorstandsvorsitzende des Tabellenvorletzten der Fußball-Bundesliga noch am Vortag verkündet, unmittelbare Konsequenzen aus dieser Zustandsbeschreibung schloss der 69-Jährige jedoch im Hotel Atlantic aus: „Ich kann ich mir nicht vorstellen, dass wir jetzt noch jemanden verpflichten. Denn wer bekommt schon Verstärkungen im Winter?“ Gestandene Stammspieler seien gewöhnlich in dieser Saisonphase nicht auf dem Markt. „Wir haben zudem unser Budget ausgeschöpft. Ich will das Thema nicht endgültig abhaken, aber die Wahrscheinlichkeit ist momentan nicht sehr groß.“
Kommentar: Rückkehr in die HSV-Realität
Im vergangenen Jahr war der HSV, schon unter Bruchhagens Führung, im Winter erfolgreich auf dem Transfermarkt tätig. Mit Kyriakos Papadopoulos und Mergim Mavraj kaufte der Verein zwei Abwehrrecken, die später entscheidend zum Klassenerhalt beitragen sollten – was vom ebenfalls verpflichteten Brasilianer Walace nicht unbedingt gesagt werden konnte. Mavraj war seinerzeit Stammspieler in Köln, Papadopoulos kurierte in Leipzig diverse Verletzungen aus, wurde im Volkspark zum „Aggressive Leader“.
Gisdol: „Wir halten die Augen offen“
Markus Gisdol hofft deshalb, dass das letzte Wort in dieser Angelegenheit nicht gesprochen sei. „Das Thema Verstärkungen ist ja hinlänglich bekannt“, sagte der Trainer, der ein weiteres Mal bekräftigte, dass er sich schon einen Neuzugang für die Mission „Forever Bundesliga – nur der HSV“ wünschen würde: „Es ist noch nichts vor dem Abschluss. Aber wir halten natürlich die Augen offen.“ Das ist ganz in seinem Sinne, denn Gisdol wird irgendwann auch an Ergebnissen gemessen werden (müssen). Die Frage, wie lange der Trainer weitermachen dürfe, wenn sich in der Rückrunde nicht alsbald Erfolge einstellten, konterte Bruchhagen: „Sie entlassen Ihren Chefredakteur ja auch nicht trotz ständig sinkender Auflagezahlen!“ Da war Widerspruch zwecklos.
Diese Personalie war damit abgeräumt, eine andere stellte sich zugleich. Mit Jens Meier, dem Präsidenten des HSV e. V. (rund 78.000 Mitglieder), und Bernd Hoffmann, dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden (Februar 2003 bis März 2011), in dessen Ära der HSV 78 Europapokalspiele absolvierte, liefen sich im Atlantic zwei künftige Kontrahenten über den Weg; was insofern nicht ganz richtig beschrieben ist, denn Hoffmann versuchte Meier aus dem Weg zu gehen. Am Stehtisch von Reinhard Grindel, dem Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), trafen sie sich dann doch zu Mineralwasser und Smalltalk – und tauschten, wie in Mitteleuropa wohl bei solchen Anlässen üblich, Höflichkeiten aus.
Seit Wochen macht Hoffmann Wahlkampf
Meier (51), der am Montagabend die HSV-Senioren besuchte, möchte sich auf der HSV-Mitgliederversammlung am 18. Februar in seinem Ehrenamt bestätigen lassen, Hoffmann (54) wird gegen ihn antreten. Weil er sich dazu offiziell noch nicht bekannt hat, führt Hoffmann zwar seit Wochen Wahlkampf in den Abteilungen des Vereins, mit öffentlichen Aussagen hält er sich bislang zurück, eine Konfrontation mit Meier oder ein gemeinsames Foto sei seiner Meinung nach zu diesem Zeitpunkt unpassend. „Ich habe bis zum 13. Januar um 23.59 Uhr Zeit, um mich zu entscheiden. Dann läuft die Frist ab“, sagte er.
Die Bilder des Freiburg-Tests:
Papa-Tor reicht nicht zum Sieg gegen Freiburg
Einen weiteren Schritt Richtung Kandidatur wird er heute unternehmen und sein Konzept dem HSV-Beirat vorstellen. Hoffmann hatte um den Termin gebeten. Das Gremium könnte seinen Ambitionen eine Absage erteilen, hielte es ihn für ungeeignet. Die Vereinssatzung erlaubt dies. Das wird nicht geschehen. Seine Mitstreiter will Hoffmann dennoch nicht vor dem 13. Januar nennen.
Hoffmann, wirtschaftlich unabhängig und seit dem 1. Januar niemandem mehr beruflich verpflichtet, hat gegenüber Meier den strategischen Vorteil, dass er als HSV-Präsident den Aufsichtsratsvorsitz der AG übernehmen und starken Einfluss auf den Profifußball ausüben könnte, was Meier als Vorsitzenden der Geschäftsführung der Hamburg Port Authority verwehrt bleibt. Sein Dienstherr, Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos), hat ihm dies untersagt, weil sich Meier auf seinen Brotberuf konzentrieren soll. Der amtierende HSV-Präsident kommt dem angesichts seiner zahlreichen Verpflichtungen allein schon aus Selbstschutz nach, wenn er auch meint: „Die Politik wirbt für das Ehrenamt, weil ohne dieses Engagement viele gesellschaftlich relevante Aufgaben nicht zu bewältigen wären. Deshalb sollte sie sich aus diesem Bereich möglichst raushalten.“
Als „Lame Duck“, als lahme Ente sieht sich Meier indes nicht. „Ich habe für den Aufsichtsrat ein starkes, qualifiziertes Team zusammengestellt, das die Herausforderungen in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit dem AG-Vorstand bewältigen wird.“ Meiers Kandidaten für das mit ihm sechsköpfige Gremium sind der Wirtschaftsmanager und ehemalige KPMG-Vorstand Michael Krall, – er soll Aufsichtsratsvorsitzender werden –, Max-Arnold Köttgen (Vorstand beim Recycling-Unternehmen Remondis), Ex-HSV-Profi Marcell Jansen sowie die aktuellen Räte Andreas Peters (Rechtsanwalt) und Wirtschaftsmanager Felix Goedhart.
Reine Formsache
Auf der Gesellschafterversammlung der AG am 6. Februar muss das Quintett mit 75 Prozent der Stimmen bestätigt werden. Da dem HSV e. V. knapp 80 Prozent der AG-Anteile gehören, sollte das reine Formsache sein. Ein HSV-Präsident Hoffmann würde zwar qua Amt Meier als Aufsichtsratsmitglied beerben, viele Freunde hätte er unter den von Meier ausgesuchten Kontrolleuren wohl nicht. Ihm bliebe jedoch die Möglichkeit, den Aufsichtsrat um drei oder sechs Personen zu erweitern. Das dürfte ihm gelingen.