Hamburg. HSV-Trainer Markus Gisdol wertet die Sammer-Kritik nach dem 0:0 in Freiburg als „populistisch“. Uwe Seeler wird noch deutlicher.

Keine Frage, im Inners­ten von Markus Gisdol brodelte es. Ganz bewusst aber setzte der HSV-Trainer ein smartes Lächeln auf und betonte gelassen, dass er sich auf eine solche Diskussion nicht einlassen werde. Eine kleine Spitze konnte er sich jedoch nicht verkneifen: „Mit solchen populistischen Aussagen fange ich grundsätzlich nichts an.“

Adressat dieser Aussage war Eurosport-Experte Matthias Sammer, der nach der fußballerischen Magerkost des HSV bei der Nullnummer in Freiburg seiner Enttäuschung bei Eurosport freien Lauf gelassen hatte. „Sie waren total passiv und wollten nur die Null absichern“, kritisierte der frühere Bayern-Manager. Einmal in Schwung, giftete er noch: „Sie sollten den Antrag stellen, dass sie ohne Ball spielen.“

Während es Gisdol gelang, die verbale Grätsche Sammers gekonnt zu umdribbeln, reagierte HSV-Kapitän Gotoku Sakai emotionaler: „Es ist mir scheißegal, ob jemand unsere Art von Fußball kritisiert. Wichtig ist, dass wir als Mannschaft genau wissen, was wir leisten können, zusammenhalten und in die gleiche Richtung marschieren.“

Abwehrchef Kyriakos Papadopoulos ergänzte: „Wir sind nicht Bayern München, die nach Freiburg fahren und 3:0 gewinnen. Aber selbst die gewinnen hier ja nicht mal eben mit 3:0. Wir als HSV spielen lieber so und holen die Punkte, als schönen Fußball abzuliefern, gelobt zu werden und mit einer Niederlage nach Hause zu fahren.“ Wie zuvor nach den Partien in dieser Saison in Hannover (0:2), Leverkusen (0:3), Mainz (2:3), Hertha (1:2) und Schalke (0:2).

Dennoch stellte sich die Frage: Nur verteidigen wollen – ist das erlaubt für eine hoch bezahlte Bundesliga-Mannschaft, die künftig um mehr spielen will als nur um den Klassenerhalt?

HSV droht Nachschlag für Papadopoulos

Bezeichnend, dass Kyriakos Papadopoulos beim HSV als König des Toreverhinderns, der aber im Spielaufbau regelmäßig Defizite offenbart, der gefeierte Spieler des Abends war. Nach einer Rettungstat gegen Nicolas Höfler in der zweiten Hälfte (69.) lag er mit dem Rücken auf dem Boden, und streckte beide Fäuste jubelnd in den Himmel. „Für uns Abwehrspieler ist eine gute Grätsche wie ein Tor. Und wenn du damit dann sogar noch ein Tor verhinderst, ist das geil“, sagte der Abwehrspieler später.

Jeder HSV-Beobachter hat längst erkannt, wie wertvoll die Fighter-Qualitäten des Griechen für das Team sind. „Unglaublich, welche Mentalität er in unsere Mannschaft reinbringt, das ist genau das, was wir brauchen“, bestätigte Torwart Christian Mathenia. Dass Papadopoulos bisher nur einmal wegen seiner Gelbsperre pausieren musste, spricht für die Spezialisten der Trainings-Belastungssteuerung. Einen finanziell ungünstigen Nebeneffekt hat die gute medizinische Bedeutung aber dann doch: Die Ablöse (zunächst 6,5 Millionen Euro) an Leverkusen kann durch seine vielen Einsätze während der Vertragslaufzeit (bis 2020) auf bis zu zehn Millionen steigen.

Trotz des mitreißenden Kampfgeistes von Papadopoulos wird auch Gisdol nur zu genau wissen, dass Auftritte wie solche im Breisgau ihm und seinem Team nur kurzfristig helfen. Freiburg auf Distanz gehalten – Haken dran. Den vorsichtigen Aufwärtstrend bestätigt, nun schon sieben Punkte aus den vergangenen vier Spielen geholt – Haken dran. Sollte es dem HSV nun gelingen, in den folgenden beiden Heimspielen gegen den VfL Wolfsburg am Sonnabend und am darauffolgenden Dienstag gegen Eintracht Frankfurt Siege einzufahren, so wäre rückblickend sicher die Erkenntnis: alles richtig gemacht damals in Freiburg, das elf seiner bisher zwölf Punkte im eigenen Stadion geholt hat.

Mathenias Pässe kommen nicht an

Bleibt der Erfolg jedoch aus, so wird die von Sammer aufs Korn genommene reine Zerstörungstaktik des HSV in der zweiten Hälfte anders in Erinnerung bleiben – als verpasste Chance, den Schwung vom Hoffenheim-Spiel mitzunehmen. Schließlich schlummert in der aktuellen HSV-Mannschaft, das hat sie ja mehrfach bewiesen, das Talent, mehr zu können, als nur zu verteidigen.

Doch beim HSV wollte man sich die allgemeine Zufriedenheit nicht ausreden lassen, auch nicht Mathenia: „Wer uns gegen Hoffenheim und jetzt in Freiburg beobachtet hat, der hat gesehen, dass wir wieder einfachen Fußball gespielt haben. Das hat uns in der Vorsaison auch ausgezeichnet. In der Vergangenheit haben wir oft ansehnlichen Fußball gespielt, haben aber eben nicht gepunktet. Das Ziel haben wir erreicht.“

Was wieder an Sammer erinnerte. Was hatte er nach dem Freiburg-Spiel doch gleich gesagt? „Man kann den Ball mal lang spielen. Aber nicht sieben- oder achtmal. Ich kann das nicht akzeptieren.“ Er wird es wohl müssen. Auch wenn das mit Fußball nicht immer viel zu tun hat. In Freiburg landeten nur zwei von 13 langen Bällen Mathenias beim Mitspieler.

Seeler: Sammer soll den Mund halten

Vereinsikone Uwe Seeler hat dennoch kein Verständnis für die Kritik. "Ich würde Sammer vorschlagen, den Mund zu halten. Solche Kritik von Sammer hat doch keinen Einfluss auf uns", sagte Seeler (81) der "Bild"-Zeitung. "Wir wissen doch, dass der HSV zurzeit auswärts nicht viel besser spielen kann. Ich freue mich aber über den Punkt."

Der HSV sei derzeit eben nicht in der Lage "großkotzig zu sein. Jeder Zähler ist für mich ein Hoffnungsschimmer. Ich habe im Moment keine großen Ansprüche."