Hamburg. Fiete Arp begeistert die Fans – und die Mitspieler. Sogar sein größter Konkurrent gratulierte dem 17-Jährigen zum Tor gegen Stuttgart.

Jann-Fiete Arp verließ das Volksparkstadion durch die Hintertür. Das 17 Jahre alte Sturmjuwel des Hamburger SV schwieg nach dem euphorisch gefeierten 3:1 (1:0)-Erfolg gegen den VfB Stuttgart zunächst. Kein Wort zum erlösenden Sieg, kein Ton zu seinem nächsten Geniestreich – so wollte es sein Club. Dafür sangen die Fans umso lauter: "Fiete, Fiete", riefen sie in der Nordkurve glücklich, als die Mannschaft direkt vor ihnen den Siegertanz darbot. Schon nach Arps Treffer zum 3:1 hallte der Gassenhauer "Oh, wie ist das schön" von den Rängen.

"Um den jungen Burschen wird so viel Wirbel gemacht. Es ist nicht so schlimm, wenn man ihn nicht gleich so in den Mittelpunkt stellt", sagte Trainer Markus Gisdol und äußerte sich betont zurückhaltend zum Auftritt seines Ausnahmetalents, das er nach seinem ersten Treffer in der Vorwache erstmals von Beginn an aufbot und 90 Minuten durchspielen ließ. Dennoch drehte sich nach dem 500. Heimerfolg des HSV in der Bundesliga alles um "Uns Fiete" – so wird das Ausnahmetalent in Anlehnung an den großen Uwe Seeler bereits vom Boulevard genannt.

Diekmeier findet Arps Abschluss "überragend"

Nummer 40 dreht auf: Fiete Arp bejubelte gegen Stuttgart bereits seinen zweiten Bundesligatreffer
Nummer 40 dreht auf: Fiete Arp bejubelte gegen Stuttgart bereits seinen zweiten Bundesligatreffer © Getty Images

Von der Karriere des Ehrenspielführers der Nationalmannschaft ist der Jungspund aus Bad Segeberg zweifellos noch meilenweit entfernt – doch was Arp in seinen drei Bundesligapartien bislang zeigte, schürt größte Hoffnungen an der Elbe. "Fiete ist ein Vollblutstürmer", sagte Sportchef Jens Todt: "Wir sollten den jungen Spielern aber keine zu große Last auf die Schultern legen." Rechtsverteidiger Dennis Diekmeier bescheinigte Arp einen "überragenden Torabschluss".

Arp: "Ein übertrieben guter Moment"

Gegen den VfB benötigte Arp zwei Versuche zum Erfolg. In der 69. Minute traf der Mittelstürmer ziemlich abgeklärt zum Endstand. Wie er nach einem Diekmeier-Anspiel im Strafraum nacheinander den gerade erstmals in die französische Nationalmannschaft berufenen Benjamin Pavard und dessen Abwehrkollegen Timo Baumgartl auswackelte, um anschließend trocken mit rechts ins linke Eck abzuschließen, hatte etwas ganz Großes.

Die HSV-Profis in der Einzelkritik

Auch wenn für den Treffer wie schon in Berlin der Innenpfosten ein wenig nachhalf. "Der Ball rollte noch ewig lange, und ich dachte schon, er geht nur an den Pfosten", ließ sich Arp später dann doch noch entlocken. Manch einen erinnerte die Kaltschnäuzigkeit gar an Zlatan Ibrahimovic. Ibrakadabra war gestern, ab heute heißt es Arprakababra!

In der Halbzeitpause habe er noch überlegt, "wie geil es wäre, meinen ersten Treffer im Volksparkstadion direkt vor der Nord zu erzielen". Gedacht, getan. Und als der Ball dann reingesprungen sei, sei die Tribüne "explodiert", erzählte Arp: "Das war ein übertrieben guter Moment."

Wood gratuliert Arp

Nach seinem Treffer klopfte sich Arp selbstbewusst auf die Raute und sorgte nicht nur dadurch für einen Jubelorkan auf den Rängen und Ekstase unter seinen Kollegen – Albin Ekdal und Mergim Mavraj hörten gar nicht mehr auf, den Jungspund im Gesicht zu tätscheln. Überhaupt wurde Arp nicht müde zu betonen, wie sehr ihn seine Mitspieler dabei geholfen hätten, sich im Profiteam zu integrieren. Sogar die Stürmer Sven Schipplock und Bobby Wood, denen er ja nun ihre Position streitig macht. Arp: "Bobby hat mir zum Beispiel heute vor dem Spiel noch Tipps gegeben und war auch nach dem Spiel einer der ersten Gratulanten."

Das ist wohl der Teamgeist, den man braucht, um sich aus einer Krise zu befreien. Nach acht Partien mit sieben Niederlagen hat der HSV seinen katastrophalen Negativlauf durchbrochen und sich vor der Länderspielpause auf Rang 15 vorgeschoben. Auf die aufkeimenden Trainerdiskussionen antworteten die Norddeutschen mit einer deutlichen Leistungssteigerung.

Schiedsrichter gesteht Fehler ein

Und auch das nötige Spielglück wusste der HSV diesmal auf seiner Seite. Die frühe und stark umstrittene Gelb-Rote-Karte gegen Stuttgarts Dzenis Burnic nach einem vermeintlichen Foul an Aaron Hunt spielte den Hausherren voll in die Karten (12.). "Es war nicht einmal ein Foul", zürnte Stuttgarts Coach Hannes Wolf und ärgerte sich darüber, dass der Videoschiedsrichter in dem Fall nicht eingreifen konnte. Dies bestätigte auch Schiedsrichter Guido Winkmann, der den Platzverweis nach der Partie als "nicht richtig" einschätzte. "Ich habe heute einen Fehler gemacht, da muss ich zu stehen, und das muss man auch mal zulassen", sagte er im TV-Sender Sky

Auch der Führungstreffer fiel aus Sicht des HSV, der im quirligen Tatsuya Ito einen weiteren starken Akteur hatte, äußert glücklich. Stuttgarts Ex-Nationalkeeper Ron-Robert Zieler lenkte einen harmlosen Freistoß von Aaron Hunt ins eigene Tor (20.), anschließend spielten die Hausherren ihre Überzahl gut aus und hätten erhöhen müssen. Nach dem Wechsel leistete sich der HSV aber eine Schwächephase, die Daniel Ginczek dann nach einem per Videobeweis ermittelten Efmeter zum 1:1 nutzte (55.). Dem starken Diekmeier war der Ball zuvor an die Hand gesprungen.

Die Statistik

HSV

Mathenia - Diekmeier , K. Papadopoulos , Mavraj , Douglas Santos - Ekdal (90. Janjicic), G. Sakai - Ito (68. Waldschmidt), Hunt (82. Hahn), Kostic - Arp

VfB Stuttgart

Zieler - Beck , Baumgartl , Pavard , Insua - Burnic , Aogo - Asano , Akolo (83. Ailton), Özcan (66. Mangala) - Ginczek (75. Terodde). Trainer: Wolf

Schiedsrichter

Guido Winkmann (Kerken)

Zuschauer

54.976

Tore

1:0 Hunt (20.), 1:1 Ginczek (55./Handelfmeter), 2:1 Kostic (65.), 3:1 Arp (69.)

Gelbe Karten

Douglas Santos, Papadopoulos –

Gelb-Rote Karte

 – Burnic (13.)

1/7

Arp jagt Pulisic und Werner

"So dürfen wir nicht aus der Pause kommen", sagte Hunt. Doch die Reaktion stimmte diesmal. Filip Kostic traf wenig später per Kopf zur erneuten HSV-Führung (65.). Und dann kam Arps großer Auftritt. In nur 125 Bundesligaminuten hat der U-17-Nationalspieler nun schon zweimal getroffen. Mit 17 Jahren, neun Monaten und 29 Tagen ist Arp damit der aktuell drittjüngste Spieler in der Bundesliga-Geschichte, dem dies gelang. Nur die Jungstars Christian Pulisic (Borussia Dortmund) und der damalige Stuttgarter Stürmer Timo Werner waren bei ihrem zweiten Treffer noch ein wenig jünger.

Die Liste der jüngsten Bundesliga-Torschützen

1. Nuri Sahin/Borussia Dortmund

17 Jahre, 2 Monate und 21 Tage

2. Julian Draxler/Schalke 04

17 Jahre, 6 Monate und 12 Tage

3. Timo Werner/VfB Stuttgart

17 Jahre, 6 Monate und 16 Tage

4. Christian Pulisic/Borussia Dortmund

17 Jahre, 6 Monate und 30 Tage

5. Lars Ricken/Borussia Dortmund

17 Jahre, 8 Monate und 1 Tag

6. Ibrahim Tanko/Borussia Dortmund

17 Jahre, 8 Monate und 7 Tage

7. Jann-Fiete Arp/Hamburger SV

17 Jahre, 9 Monate und 22 Tage

8. Kai Havertz/Bayer Leverkusen

17 Jahre, 9 Monate und 25 Tage

9. Mark-Andre Kruska/Borussia Dortmund

17 Jahre, 10 Monate und 22 Tage

10. Rüdiger Abramczik/Schalke 04

17 Jahre, 10 Monate und 25 Tage

1/10

Kein Wunder, dass Europas Topclubs längst ein Auge auf das Ausnahmetalent geworfen haben. Arp selbst ist es "schon etwas unheimlich". Er wolle sich auf den Fußball konzentrieren und auf die "riesige Chance", die ihm der HSV eröffne. "Ich freue mich total, dass ich jetzt ein fester Bestandteil des Bundesligakaders bin und wir heute auch noch gewonnen haben. Das darf gerne noch lange so weitergehen."

Sportchef Todt hofft, dass Arp noch länger als bis zum Vertragsende 2019 im hohen Norden bleibt: "Fietes Berater weiß, dass wir 24 Stunden am Tag gesprächsbereit wären." Und auch auf den Spieler selbst soll eingewirkt werden – innerhalb der Mannschaft. "Die jungen Burschen können sich nur entwickeln, wenn sie Mitspieler haben, die sie führen und ihnen helfen", sagte Gisdol mit Blick auf Arp und den zweiten großen Hoffnungsträger Ito: "Es ist schön, solche Talente zu haben."

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