Hamburg. Der 17 Jahre alte Hoffnungsträger des HSV kann dank der Kooperation mit dem Gymnasium Heidberg bei den Profis trainieren.
Jann-Fiete Arp fehlte am Mittwochmorgen beim Training. Während Markus Gisdol den Rest des Teams Eckbälle (!) und Freistöße (!!) üben ließ, saß der große Hoffnungsträger des HSV auf der Schulbank. Kopfarbeit fürs Abitur stand für den 17-Jährigen auf dem Tagesplan – und nicht Kopfbälle für den Angriff. An diesem Donnerstag und beim Abschlusstraining am Freitag aber soll Arp wieder auf dem Trainingsplatz stehen. „Er ist ab sofort ein festes Mitglied in unserem Profikader“, sagt Sportchef Jens Todt.
Es ist ein schwieriger Spagat zwischen Schule und Sport. Als Fiete Arp im Juni seinen Vertrag beim HSV bis Juni 2019 verlängerte, war der Plan noch ein langsames Heranführen an die Profis. Einmal in der Woche sollte er dort mittrainieren, bei Trainingslagern reinschnuppern, das eine oder andere Testspiel bestreiten. Erste Priorität aber hatte die erfolgreiche Reifeprüfung – in der Schule, nicht auf dem Fußballplatz. „Fiete muss in Ruhe sein Abitur machen können“, sagte Trainer Markus Gisdol.
HSV ist wieder schwer in Abstiegsnot
Arp besucht das Gymnasium Heidberg in Langenhorn, das als „Partnerschule des Leistungssports“ und „Eliteschule des Fußballs“ mit dem HSV zusammenarbeitet. Von April bis Juni stehen die Abiturprüfungen an, wie bei jedem Hamburger Schüler. Auf dem Weg dahin aber gibt es für die derzeit insgesamt 155 Kaderathleten aus insgesamt 19 Sportarten einige Besonderheiten, die dabei helfen, Schule und Leistungssport unter einen Hut zu bringen. Als „Trainingsfenster“ sind beispielsweise die 3./4. und 5./6. Stunde vorgesehen. „Die HSV-Fußballer werden dann von den Vereinsjugendtrainern auf unserem Fußball-Kunstrasenplatz trainiert“, berichtet Schulleiterin Simone Krohn-Fröschle.
Arp war außerdem regelmäßig dienstags für das Mannschaftstraining des Bundesligakaders von der Schule freigestellt. Das aber reicht nun nicht mehr. Denn die Zeiten haben sich geändert. Der HSV ist wieder schwer in Abstiegsnot, Stürmer Bobby Wood ist in einer kapitalen Formkrise, Nicolai Müller spielt nach Kreuzbandriss frühestens in der Rückrunde wieder – und niemand weiß, wie. André Hahn hat die Erwartungen bislang nicht annähernd erfüllt, und Michael Gregoritsch trifft jetzt für den FC Augsburg.
HSV-Profis mit Fingerübungen für die Fans:
HSV-Profis mit Fingerübungen für die Fans
Kurz und schlecht: Es herrscht immense Sturmflaute. Gleichzeitig hat Arp noch einen weiteren Schritt nach vorne gemacht. Bei der U-17-WM in Indien überzeugte er als deutscher Kapitän mit fünf Toren. Vor allem aber sorgte er mit seinem Auftritt und dem Tor bei der 1:2-Niederlage in Berlin für Hoffnungen. Um nicht zu sagen: Erwartungen. Für Trainer Gisdol sind Arp und der 20 Jahre alte Tatsuya Ito fast schon so etwas wie die letzten Patronen im Revolver, um gegen den VfB Stuttgart am Sonnabend (15.30 Uhr/Sky und Liveticker abendblatt.de) und danach eine sportliche Wende herbeizuführen. „Ich bin bereit, ein höheres Risiko zu gehen“, erklärte Gisdol. Langsames Heranführen im Schatten etablierter Profis geht nicht, wenn diese regelmäßig versagen.
Insgesamt dreimal in der Woche kann Arp ab sofort mit Gisdols Kader auch vormittags trainieren. „In der Regel wird das am Dienstag, Donnerstag und Freitag sein“, erklärt Todt das Ergebnis der Gespräche zwischen Schule und Verein. „Wir sind der Schule und Frau Krohn-Fröschle sehr dankbar, dass sie dies ermöglicht haben.“
Schule ist sehr flexibel
Voraussetzung dafür ist eine hohe Flexibilität auch bei den Lehrkräften, die dem HSV-Youngster den Stoff auch zu außergewöhnlichen Zeiten vermitteln müssen. Denn der Fußballer Arp wird keine Minute weniger Unterricht haben als andere Schüler, keine Unterrichtseinheit soll er verpassen. „Belegauflagen“ – wer hat wie viele Schulstunden zu absolvieren – gelten unterschiedslos für alle. „Das erfüllt Fiete, seine Stunden sind nur anders verteilt“, erklärt Krohn-Fröschle, „er erhält dadurch die Möglichkeit, häufiger mit den Profis zu trainieren, und wird danach unterrichtet.“
Den Fahrdienst vom Volkspark an die Schule und zurück organisiert der HSV über sein Nachwuchsleistungszentrum. Auch bei den Arbeiten und den Tests ist die Schule sehr flexibel und stellt sich auf die sportlichen Anforderungen ihrer jungen Athleten ein. „Grundsätzlich können unsere Schüler immer Klausuren nachschreiben“, sagt die Schulleiterin. „Wir haben auch ausgesprochen engagierte Lehrkräfte, die mit den Schülern auch über Computer kommunizieren, wenn diese länger abwesend sind.“
„Fiete ist ein ausgesprochen guter Schüler“
Da sich die Trainingspläne auch ändern können, es auch mal Mittwochsspiele gibt, ist noch weitere Flexibilität nötig. Die genauen Arp-Pläne müssen zwischen dem HSV und dem Gymnasium nach der jetzigen Vereinbarung genau abgesprochen werden. „Die Schule ist sehr flexibel“, schwärmt Todt, „das ist ein tolles Beispiel für eine prima Kooperation.“ Für Simone Krohn-Fröschle ist die Förderung junger Leistungssportler in beiden Karrieren eine wichtige Aufgabe. „Wir unterstützen Fiete in jeder Hinsicht und geben ihm alle möglichen Hilfestellungen“, sagt die Direktorin und schwärmt: „Fiete ist ein ausgesprochen guter und intelligenter Schüler mit einer sehr schnellen Auffassungsgabe, bodenständig und ausgesprochen sozial kompetent.“
Ex-Profi Marcell Jansen hat dem Niendorfer Manfred Boje persönlich den HSV-Mitgliedsausweis und ein Sweatshirt überreicht. Der 66-Jährige ist das 78.000. HSV-Mitglied.